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  • · Nachricht · Entstrickungsbesteuerung

    Unternehmen, die ins Ausland umziehen, dürfen keinen Liquiditätsnachteil erleiden

    | Es verstößt gegen EU-Recht, wenn ein Mitgliedstaat bestimmt, dass Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, dazu verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen. Dies hat der EuGH in Bezug auf Spanien entschieden. Betroffen seien die Niederlassungsfreiheit, die Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie die Freizügigkeit (EuGH 12.7.12, C-269/09, Kommission/Spanien). |

     

    Das Urteil erging im Falle einer spanischen Firma. Deutschland beteiligte sich an dem Verfahren und unterstützte die Position Spaniens. Nach der spanischen Rechtsvorschrift hat der Wegzug aus Spanien für den Steuerpflichtigen die Verpflichtung zur Begleichung der Steuer zur Folge, bevor die Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz weiter in Spanien haben, dazu verpflichtet sind. Der EuGH sah darin eine Benachteiligung der Unternehmen, die ihren Standort ins Ausland verlagern, gegenüber denjenigen, die nur innerhalb des Landes umziehen. Die nämlich hätten eine solche Steuerbelastung beim Umzug (noch) nicht.

     

    Zwar sei nur die Besteuerung bereits erzielter und steuerlich erfasster Einkünfte betroffen. Der Steuerschuldner werde also bei Wegzug nicht zusätzlich besteuert. Ihm werde aber ein Vorteil entzogen, der die Begleichung dieser Steuerschuld erleichtern kann. Die Entziehung dieses Vorteils stelle einen deutlichen Liquiditätsnachteil dar, so der EuGH. Gleichzeitig hat der EuGH mit seinem Urteil sämtliche anderen Hemmnisse wie etwa Zinsen für die Stundung der Steuer mit einem Federstrich weggewischt.

     

    Hintergrund | Auch in Deutschland wird seit längerem diskutiert, ob die sofortige Besteuerung eines latenten Wertzuwachses infolge der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft in einen anderen EU-Mitgliedsstaat aus dem Blickwinkel des AEUV versagt werden müsse. Insbesondere durch die aktuelle EuGH-Entscheidung in der Rs. National Grid Indus BV dürften nunmehr doppelt ansässige Kapitalgesellschaften verstärkt in den steuerlichen Fokus treten (EuGH 29.11.11, C-371/10, s. ausführlich Kessler/Philipp/Moritz, PIStB 12, 67). In dieser Entscheidung spricht der EuGH den Mitgliedsstaaten grundsätzlich das Recht der Besteuerung von auf dem Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedsstaates entstandenen stillen Reserven zu. Sofern ein EU-Mitgliedstaat beabsichtigt, den auf seinem Hoheitsgebiet entstandenen latenten Wertzuwachs der Besteuerung zu unterwerfen, hat diese nach Auffassung des EuGH jedoch „verhältniswahrend“ zu erfolgen. Eine verhältniswahrende Besteuerung ist nach Auffassung des EuGH dann gegeben, wenn die nationale Regelung dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zwischen der sofortigen Besteuerung und einer Steuerstundung einräumt.

     

    MERKE | Die Luxemburger Richter haben aber nun noch einmal betont, dass der Umzug ins EU-Ausland ohne Liquiditätsnachteil möglich sein muss. Eine Sicherheitsleistung oder Stundungszinsen können nach der aktuellen Entscheidung nicht gefordert werden. Denn Sicherheit und Verzinsung (über-)kompensieren beim Steuerpflichtigen gerade wieder den ihm ausdrücklich durch den Gerichtshof - bei gleichzeitiger Inkaufnahme zusätzlichen Verwaltungsaufwands - zugestandenen Liquiditätsvorteil gegenüber der sofortigen Steuererhebung.

     

     

     

    Quelle: ID 35094720