Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Nachricht · Finale Verluste

    Keine quasi voraussetzungslose „Organschaft über die Grenze“

    | In seinem Urteil vom 13.3.19 hatte das Schleswig-Holsteinischen FG sich mit der Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen im EU-Raum eine Verlustverrechnung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft „über die Grenze“ hinweg erfolgen kann (Schleswig-Holsteinischen FG 13.3.19, 1 K 218/15, nrkr. BFH-Az.: I R 26/19). |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin hatte sich auf den Standpunkt gestellt, die Berücksichtigung der Verluste der französischen Tochtergesellschaft bei der deutschen Muttergesellschaft sei europarechtlich geboten. Zwar komme eine interpersonelle Verlustverrechnung nach deutschem Recht nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 14 ff. KStG in Betracht. Diese könne die französische Tochtergesellschaft aber nicht erfüllen. Zum einen fehle es ihr am erforderlichen (doppelten) Inlandsbezug, weil sie weder über eine inländische Geschäftsleitung noch über einen Sitz im Inland verfügte. Zum anderen kenne das französische Recht keinen GAV i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG, sodass ein solcher zwischen den Gesellschaften nicht wirksam habe abgeschlossen werden können. Dadurch, dass §§ 14 ff. KStG eine Verlustverrechnung von diesen Voraussetzungen abhängig machten, beschränkten sie in europarechtswidriger Weise insbesondere die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) der beteiligten Gesellschaften. Wie sich aus einer Reihe von EuGH-Entscheidungen ergebe, sei die Berücksichtigung von Verlusten einer ausländischen Tochtergesellschaft bei der inländischen Muttergesellschaft - auch um dem Gesichtspunkt einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen - immer dann geboten, wenn - wie hier - feststehe, dass die Tochtergesellschaft die von ihr erwirtschafteten Verluste weder in der Vergangenheit habe steuerlich nutzen können, noch in der Zukunft dazu in der Lage sein werde, die Verluste also in diesem Sinne „final“ seien. Die §§ 14 ff. KStG seien daher in der Weise geltungserhaltend zu reduzieren, dass auf den normierten doppelten Inlandsbezug und auf das GAV-Erfordernis vollständig verzichtet werde. Ausreichend sei es, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft eine „Organschaft auf faktischer Grundlage gelebt“ hätten. Vorliegend sei das der Fall gewesen.

     

    Anmerkungen

    Das Schleswig-Holsteinischen FG ist der Sichtweise der Klägerin nicht gefolgt. Nach Auffassung des FG scheidet eine Berücksichtigung der Verluste der Tochtergesellschaft unter Anwendung der §§ 14 ff. KStG aus, da die Tochtergesellschaft die Voraussetzungen einer Organgesellschaft mangels Sitz oder Geschäftsleitung im Inland nicht erfülle und zudem kein Gewinnabführungsvertrag zwischen den Gesellschaften geschlossen wurde. Eine „faktische“ Organschaft liege ebenfalls nicht vor.

     

    Unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung zu finalen Verlusten und zur Gruppenbesteuerung kommt das FG zu dem Ergebnis, dass eine Berücksichtigung der Verluste der Tochtergesellschaft auch nicht auf Grundlage unionsrechtlicher Erwägungen geboten ist. Der EuGH-Rechtsprechung könne kein allgemeines Gebot zur EU-grenzüberschreitenden Verlustverrechnung entnommen werden; jedoch könne die Anerkennung EU-grenzüberschreitender Verlustverrechnung das Ergebnis einer geltungserhaltenden Reduktion der betroffenen nationalen Normen, d.h. von §§ 14 ff. KStG, sein. Die einschlägigen nationalen Regelungen seien dann als solche weiter anzuwenden, wobei allerdings die gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse ggf. in die betroffenen Normen hineinzulesen seien. Inwieweit eine Anwendbarkeit der nationalen Regelungen erhalten bleiben könne, hänge dabei von ihrer konkreten Ausgestaltung ab.

     

    Nach Auffassung des FG stelle der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags und die damit einhergehende Verpflichtung zur Verlustübernahme eine unerlässliche Voraussetzung einer interpersonellen Verlustverrechnung im Rahmen einer Organschaft dar. Das Erfordernis dieses Tatbestandsmerkmals müsse deshalb auch im Rahmen der geltungserhaltenden Reduktion der §§ 14 ff. KStG erhalten bleiben. Denn ein vollständiges Absehen von diesem Erfordernis entzöge der Organschaft einen Kernbestandteil. Als Mindestvoraussetzung auch für einen Verlustabzug „über die Grenze“ sei daher eine verbindliche schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den beteiligten Tochter- und Muttergesellschaften zu fordern, die jedenfalls die Verpflichtung zur Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft, beinhalten müsse. Anders als der Abschluss eines formalen GAV sei der Abschluss einer solchen schuldrechtlichen Vereinbarung auch der Klägerin und ihrer Tochter möglich gewesen. Da sie das nicht getan hätten, komme eine Verlustverrechnung nicht in Betracht.

     

    Beachten Sie | Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt, das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 26/19 anhängig.

     

    Quelle: ID 46166101