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  • · Fachbeitrag · Hinzurechnungsbesteuerung

    Darlehensvergabe durch ausländische Landesholding an Tochtergesellschaften

    von StB Dipl.-Kfm. Dr. Martin Weiss und Dipl.-Fw. Florian Fiedler, LL.M., Berlin

    Eine ausländische Gesellschaft ist Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und nicht aus bestimmten aktiven Tätigkeiten gemäß § 8 Abs. 1 AStG stammen: Bei der Prüfung für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 - 14 AStG) sind die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschaft mit ihren Nebenerträgen getrennt voneinander einzuordnen. Fehlt bei Einkünften aus der konzerninternen Kapitalüberlassung ein wirtschaftlicher Zusammenhang zu anderen Tätigkeiten, handelt es sich einheitlich um eine Vergabe von Kapital nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG (FG München 27.4.15, 7 K 2819/12, EFG 15, 1344).

     

    Sachverhalt

    Zwei in Deutschland ansässige GmbHs waren in den Streitjahren 2001 bis 2004 an einer in Ungarn ansässigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach ungarischem Recht („DEF Kft“) beteiligt. Die ungarische Gesellschaft hielt wiederum dreizehn Beteiligungen an in Ungarn operativ tätigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die ungarische Beteiligungsgesellschaft erbrachte gegenüber ihren Tochtergesellschaften zentrale Dienstleistungen wie die Hilfestellung bei Gründung und Expansion, Einkaufs- und Vertriebsberatung, Buchhaltung und Marketing. Ferner vergab die Beteiligungsgesellschaft kurzfristige, verzinsliche Darlehen an ihre Tochtergesellschaften, woraus sie den überwiegenden Teil ihrer Einkünfte in den Streitjahren erwirtschaftete. Die dazu notwendigen Mittel stammten überwiegend aus Eigenmitteln und Darlehen, die von einer der deutschen Muttergesellschaften aufgenommenen wurden.

     

    Der Körperschaftsteuersatz betrug in den Streitjahren in Ungarn 18 % und in 2004 sogar nur 16 %. Damit ergab sich ein Problem der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 - 14 AStG). Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Einkünfte der ungarischen Beteiligungsgesellschaft voneinander zu trennen seien. Die Dienstleistungen seien unter § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG zu subsumieren. Die Vergabe von Darlehen an Tochtergesellschaften und die Erwirtschaftung von Zinserträgen stelle hingegen eine separate Tätigkeit dar. Dabei sei der Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG nicht erfüllt. Folglich seien sie als passiv anzusehen. Daher führte das Finanzamt gesonderte und einheitliche Feststellungen nach § 18 AStG für die beiden in Deutschland ansässigen GmbHs durch. Hiergegen klagten diese beim FG München. Das FG bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung und wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.

     

    Anmerkungen

    Die meisten Tatbestandsmerkmale der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 bis 14 AStG waren im Sachverhalt des Urteils unstreitig erfüllt.

     

    • 1. Die DEF Kft war eine „ausländische Gesellschaft“ i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG. Nach dem steuerlichen Typenvergleich entsprach sie einer deutschen GmbH (s. auch BMF 24.12.99 [Betriebsstättenerlass] , IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl I 99, 1076, Tabelle 2).

     

    • 2. Die DEF Kft wurde durch die beiden in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen GmbHs i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG beherrscht, da diese zusammen mehr als die Hälfte ihrer Anteile hielten.

     

    • 3. Die niedrige Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG war durch den niedrigen ungarischen Körperschaftsteuersatz gegeben, da dieser deutlich unter 25 % lag.

     

    PRAXISHINWEIS | Für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung ist ein eigenes Feststellungsverfahren in § 18 AStG vorgeschrieben. Es handelt sich dabei um eine gesonderte und - bei mehreren Beteiligten - einheitliche Feststellung i.S.d. §§ 179 ff. AO. Daher kommt der Beurteilung der Tatbestandsmerkmale der Hinzurechnungsbesteuerung auch verfahrensrechtlich eine hohe Bedeutung zu. Beispielsweise hängt der Lauf der Feststellungsfrist nach § 170 Abs. 2 AO von der Abgabe der Feststellungserklärung ab (s. zum Verfahrensrecht bei der Hinzurechnungsbesteuerung etwa Kraft, IStR 11, 897).

     

    Fraglich war allein, ob auch passive Einkünfte vorlagen. Dazu war der Katalog des § 8 Abs. 1 AStG zu prüfen. Stammen die von der ausländischen Gesellschaft erzielten Einkünfte nicht aus einer der aktiven Tätigkeiten dieses Katalogs, liegen sogenannte passive Einkünfte vor. Die GmbHs argumentierten, dass die Vergabe von Darlehen im Konzern als Dienstleistung anzusehen sei. Diese müsse unter § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG als aktiv gelten. Auch die Zinseinnahmen aus der Kapitalüberlassung seien als Nebenerträge diesen Tätigkeiten zuzuordnen.

     

    MERKE | Einkünfte aus Dienstleistungstätigkeiten gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG stellen grundsätzlich aktive Einkünfte dar, d.h. diese Einkünfte unterliegen nicht der Hinzurechnungsbesteuerung. Zu beachten sind allerdings die Mitwirkungstatbestände in § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) und b). Diese können die Dienstleistungen zu passiven Tätigkeiten machen (Cortez/Schmidt, Ubg 13, 13, 19). Bei Einkünften aus konzerninternen Finanzierungstätigkeiten handelt es sich jedoch meist um passive Einkünfte, die zur Hinzurechnungsbesteuerung führen. Die Bedingungen des § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG sind in der Praxis dagegen kaum zu erfüllen.

     

    Das FG München folgt der Auffassung der GmbHs jedoch nicht. Die Quantität der Einkünfte sei für deren Kategorisierung nicht entscheidend. Die Einkünfte seien nach ihren Tätigkeitsschwerpunkten anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und der Verkehrsauffassung zu identifizieren. Diese funktionale Betrachtungsweise zeige, dass der Schwerpunkt für die Kapitalüberlassungen nicht bei den Dienstleistungen liege.

     

    MERKE | Der Katalog aktiver Einkünfte des § 8 Abs. 1 AStG enthält verschiedene Arten von Einkünften. Teilweise sind diese ohne jegliche weitere Voraussetzung als aktiv anzusehen, wie etwa Einkünfte aus der Produktion von Sachen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG). Teilweise werden Einkünfte grundsätzlich als aktiv angesehen, aber Ausnahmen und Rückausnahmen formuliert. Zu dieser Kategorie gehören etwa die Dienstleistungen in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG. Sie werden daher auch wegen übermäßiger Komplexität im Schrifttum kritisiert (Kraft, IStR 10, 377, 379). Der Zuordnung von Einkünften innerhalb des Katalogs des § 8 Abs. 1 AStG kommt somit große Bedeutung zu.

     

    Der Schwerpunkt der Finanzierungstätigkeit liegt nach Auffassung des FG in der Aufnahme und Vergabe von Kapital. Insofern sei eine Zuordnung zu den aktiven Tätigkeiten nicht möglich. Die Aufnahme und Vergabe von Kapital stelle auch keine eigene Dienstleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG dar, da diese Tätigkeit tatbestandlich von § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG erfasst sei. Unabhängig von dem gemeinsamen Ziel der allgemeinen Dienstleistungen und der Kapitalüberlassung, nämlich dem Dienen des operativen Geschäfts der Tochtergesellschaften, seien beide Tätigkeiten getrennt voneinander zu beurteilen. Da der Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG nicht erfüllt werde, seien die Einkünfte teilweise als passiv anzusehen.

     

    Praxishinweise

    Nach neuerem Verständnis des BFH handelt es sich bei dem Hinzurechnungsbetrag um Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte, die den inländischen Gesellschaftern zugerechnet werden (BFH 11.3.15, I R 10/14, DB 15, 1077). Diese Dogmatik führt nach dem BFH dazu, dass der gemäß § 10 AStG einkommensteuer- bzw. körperschaftsteuerpflichtige Hinzurechnungsbetrag nach § 9 Nr. 3 S. 1 GewStG aus dem Gewerbeertrag zu kürzen ist. Durch die „Gewerbesteuerfreiheit“ des Hinzurechnungsbetrags (s. Heinz/Scheuch, PIStB 15, 289) und die Möglichkeit der Anrechnung der ausländischen Steuern auf die Körperschaftsteuer nach § 12 AStG kann dies zu einer sehr geringen bzw. zu gar keiner Steuerbelastung im Inland führen. In der Literatur wird allerdings bereits über mögliche gesetzgeberische Gegenmaßnahmen spekuliert (Gläser/Birk, ISR 15, 231).

     

    Ein Vergleich des Katalogs der Einkünfte in § 8 Abs. 1 AStG mit denen des § 2 Abs. 1 EStG ist aufschlussreich. § 8 Abs. 1 AStG definiert alle Einkünfte als passiv und nimmt diejenigen aus, für die der Nachweis gelingt, dass sie unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 AStG fallen. Demgegenüber sind nach EStG nur Einkünfte steuerbar, die unter eine der Nummern des § 2 Abs. 1 EStG fallen.

     

    MERKE | Innerhalb der Einkünfte des § 2 Abs. 1 EStG gibt es Haupt- und Nebeneinkunftsarten. Die Nebeneinkunftsarten weisen in ihrem Tatbestand darauf hin, dass sie nur erfüllt sind, wenn die Haupteinkunftsart nicht erfüllt ist (s. etwa § 21 Abs. 3 EStG). Selbst innerhalb der Nebeneinkunftsarten gibt es eine Über- und Unterordnung. So gibt § 20 Abs. 8 S. 1 EStG eine Überordnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gegenüber den Einkünften aus Kapitalvermögen vor. Demgegenüber stehen die zehn Nummern des § 8 Abs. 1 AStG gleichberechtigt nebeneinander. Sobald der Steuerpflichtige auch nur eine von ihnen erfüllt, sind die Einkünfte als aktiv anzusehen, auch wenn eine andere Nummer die Einkünfte als passiv kennzeichnen würde.

     

    Das FG greift bei seiner Argumentation besonders auf, dass die allgemeinen Dienstleistungen und die jeweiligen Darlehen in gesonderten Verträgen ohne Bezug zueinander geregelt sind. Die Dienstleistungsverträge umfassen jeweils die Finanzberatung, nicht aber die Ausstattung mit Finanzmitteln. Sind jedoch beide Leistungselemente vertraglich miteinander verknüpft und wird ein einheitliches Entgelt vereinbart, ist die Lösung möglicherweise eine andere. Bei einer derartigen vertraglichen Gestaltung sollte es schwieriger werden, die Tätigkeiten nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und der Verkehrsauffassung voneinander zu trennen. Insofern bestünde die Möglichkeit, insgesamt aktive Einkünfte aus einer Dienstleistungstätigkeit zu erzielen.

     

    Bezug nehmend auf die o.g. jüngste Entwicklung zur „Gewerbesteuerfreiheit“ des Hinzurechnungsbetrags sei weiterhin erwähnt, dass passive Einkünfte bei einer möglichen Anrechnung der ausländischen Steuer ebenfalls nicht zu einer faktischen inländischen Steuerbelastung führen. Zudem ist nach § 8 Abs. 2 AStG für ausländische Gesellschaften im EU- bzw. EWR-Raum nun ein Aktivitätsnachweis möglich („Cadbury-Schweppes-Escape“). Insoweit hat sich die Lage seit den Streitjahren etwas entspannt.

     

    Die Revision gegen das Urteil hat das FG München nicht zugelassen. Allerdings haben die GmbHs inzwischen Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt (I B 65/15). Daher wird der BFH sich möglicherweise zum Verständnis des Katalogs des § 8 Abs. 1 AStG äußern.

     

    Wichtig | Dieses Verständnis wird dann auch andere Regelungen betreffen. Insbesondere wird auf einen Teil des Katalogs des § 8 Abs. 1 AStG in § 9 Nr. 7 GewStG bei der gewerbesteuerlichen Kürzung von Beteiligungserträgen aus Drittstaatengesellschaften Bezug genommen. Auch viele Aktivitätsklauseln in deutschen DBAs enthalten eine Referenz auf ihn.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2015 | Seite 318 | ID 43629730