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  • · Fachbeitrag · Wegweiser-Beitrag

    Arbeitnehmerentsendungen in das Ausland

    | Der mittlerweile auch in vielen mittelständischen Unternehmen vollzogene Schritt über die Grenze bedingt eine ständig wachsende Anzahl von Mitarbeitertransfers ins Ausland. Generell verlangen erfolgreiche Auslandsengagements mehr als gelegentliche Geschäftsreisen und erfordern insbesondere gut ausgebildete und erfahrene Mitarbeiter direkt vor Ort. Da entsprechend qualifiziertes Personal häufig knapp ist, muss zumindest in Aufbauphasen auf Fach- und Führungskräfte des Stammhauses zurückgegriffen werden. Im folgenden Beitrag wird ausführlich auf die Entsendungspolitik in der Praxis eingegangen. |

    1. Die vertragliche Gestaltung der Entsendung

    Eine Dienstreise zieht im Gegensatz zur Entsendung in der Regel keine Änderung des Arbeitsverhältnisses mit dem Heimatunternehmen nach sich. Der ursprüngliche Anstellungsvertrag mit dem Mitarbeiter besteht unverändert fort. Er hat nach wie vor seinen Lebensmittelpunkt weiterhin im Inland. Dieser Begriff ist rein steuerrechtlicher Natur. Eine Dienstreise liegt maximal bis zu einem Zeitraum von drei Monaten vor.

     

    Kernkriterien einer Entsendung sind, dass ein Arbeitnehmer mit seinem bisherigen Arbeitgeber im Heimatstaat (entsendendes Unternehmen) vereinbart, für eine befristete Zeit z. B. bei einem verbundenen Unternehmen im Gaststaat (aufnehmendes Unternehmen) für den Arbeitgeber tätig zu werden.

     

     

    Die Entsendung kann nicht einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden. Notwendig ist vielmehr eine einvernehmliche Regelung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Entsendung erfolgt in der Regel auf der Grundlage einer sog. Entsendevereinbarung.

     

    In vielen Konzernen existieren bereits Entsendungsrichtlinien, die Details des Mitarbeitereinsatzes im Ausland ebenso wie die Gewährung von Zulagen im Rahmen einer Entsendung reglementieren. In der Praxis durchaus übliche Zulagen sind z. B. Kaufkraftausgleich, Auslandszulage, Mietzuschuss, Dienstwagen, Schulgebühren, Umzugskosten, „Look and see“-Trip, Sprachunterricht, Kulturtraining und nicht zuletzt der Steuerausgleich.

     

    Bei der Berücksichtigung der vom deutschen Niveau abweichenden Auslandssteuer wird in den Gehaltsvereinbarungen unterschiedlich verfahren:

     

    • Tax Equalization: Der Mitarbeiter wird während der Entsendung so gestellt, als wären seine Einkünfte weiterhin im Heimatland steuerpflichtig. Ziel ist es, die Unsicherheit über steuerliche Unterschiede zwischen Heimat- und Entsendeland bei den betroffenen Mitarbeitern in Gänze zu beseitigen. Der Arbeitgeber trägt dabei eine im Ausland vorhandene steuerliche Mehrbelastung und antizipiert auf der anderen Seite an einer möglichen Minderbelastung. Somit soll gewährleistet werden, dass der betroffene Mitarbeiter während der Entsendung der identischen Steuerbelastung ausgesetzt ist, wie er es auch im Heimatland (im Nicht-Entsendefall) wäre.

     

    • Tax Protection: Der Arbeitgeber gleicht eine sich durch den Auslandseinsatz ergebende Mehrsteuer aus. Somit soll gewährleistet werden, dass der betroffene Mitarbeiter während der Entsendung keiner höheren Steuerbelastung ausgesetzt ist, als dies im Heimatland (bei Nicht-Entsendung) der Fall wäre. Eventuell aufgrund niedriger ausländischer Steuern anfallende Windfall Profits kommen dem Arbeitnehmer zugute.

     

    Die überwiegende Anzahl größerer Unternehmen hat echte Steuerausgleichsprogramme in ihrer Entsendungspolitik verankert. Bei mittelständischen Unternehmen fehlt es dagegen häufig an einer niedergeschriebenen Politik für internationale Einsätze. Wegen mangelnder Erfahrung wird in der Praxis häufig erst im nach hinein über die Konsequenzen einer Auslandstätigkeit nachgedacht. Dementsprechend ist manchmal nur noch eine Schadensbegrenzung möglich.

     

    Unabhängig von der Umsetzungsform ist es erforderlich, im Vorfeld des Auslandseinsatzes Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen einzuholen, soweit dies das jeweilige (ausländische) Landesrecht erfordert. Die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung ist regelmäßig an zusätzliche Kriterien geknüpft, wie die Vorlage folgender Unterlagen bzw. den Nachweis folgender Voraussetzungen:

    • lokaler Arbeitsvertrag
    • Nachweis eines lokal ausbezahlten Gehalts
    • Einhaltung gewisser Altersgrenzen
    • Gesundheitsprüfungen
    • Ausbildungsnachweis (oftmals Universitätsabschluss) sowie einschlägige Berufserfahrung (Arbeitszeugnisse)
    • ggf. Nachweis darüber, warum keine lokalen Arbeitskräfte in der Lage sind, die übertragenen Aufgaben wahrzunehmen

    2. Aufteilung des Besteuerungsrechts bei Mitarbeiterentsendungen

    Natürliche Personen, die in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, unterliegen mit ihren weltweiten Einkünften einschließlich der Auslandseinkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 EStG). Somit unterliegen ins Ausland entsandte Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten, grundsätzlich weiterhin mit ihren weltweiten Einkünften der Steuerpflicht in Deutschland.

     

    Verständlicherweise haben aber beide Staaten ein Interesse an der Besteuerung der Arbeitseinkünfte, also sowohl der Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers (Deutschland) als auch der Staat, in dem die Arbeit tatsächlich ausgeübt wird. Wird der Arbeitnehmer in ein Land entsandt, mit dem ein DBA besteht, ist nach dem jeweiligen Abkommen zu prüfen, welchem Staat das Besteuerungsrecht bezüglich der entsprechenden Einkünfte zusteht. Die insoweit einschlägige Norm ist Art. 15 Abs. 1, 2 OECD-MA:

     

    • Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA liegt das Besteuerungsrecht für die im Ausland ausgeübte unselbstständige Arbeit im Tätigkeitsstaat.

     

    • Zu prüfen ist jedoch, ob das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates aufgrund von Art. 15 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

     

     

    Sind nicht alle unter Art. 15 Abs. 2 Buchst. a) bis c) OECD-MA aufgeführten Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt, geht das Besteuerungsrecht auf den ausländischen Tätigkeitsstaat über mit der Folge, dass die Einkünfte in Deutschland von deutscher Steuer freizustellen sind. Die befreiten Einkünfte werden jedoch im Rahmen des Progressionsvorbehalts in Deutschland berücksichtigt (Art. 23 A Abs. 1, 3 OECD-MA).

     

     

    Die Freistellung steht allerdings grundsätzlich unter dem Vorbehalt einer tatsächlichen Besteuerung im Ausland, da es andernfalls zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts nach Maßgabe der Regelungen des § 50d Abs. 8 und 9 EStG kommen kann (vgl. zu Beispielsfällen und zum Spannungsverhältnis zwischen § 50d Abs. 8 und Abs. 9 EStG Holthaus, PIStB 16, 170 ff). Nach § 50d Abs. 8 EStG sind speziell Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit nur dann im Inland freizustellen, wenn nachgewiesen wird, dass der Tätigkeitsstaat auf das Besteuerungsrecht verzichtet hat oder die auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden.

     

     

    Darüber hinaus sieht der für alle Einkunftsarten gleichermaßen anwendbare § 50d Abs. 9 EStG den Ausschluss der Freistellung vor, wenn der Tätigkeitsstaat aufgrund von abkommensrechtlichen Qualifikationskonflikten oder aufgrund von Sondervorschriften für Nichtansässige sein Besteuerungsrecht nicht wahrnimmt (zu Einzelheiten der Steuerfestsetzung BMF 12.11.14, BStBl I 14, 1467; Ziesecke/Riehle/Muscheites, DStR 15, 969 ff).

     

     

    3. Steueroptimierungen und Anreize bei Entsendungen

    3.1 Fringe Benefits

    Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht nur durch Geldleistungen, sondern auch mittels Realleistungen (Fringe Benefits) entlohnen. Diese Zusatzleistungen offerieren einen steuerlichen Gestaltungsspielraum, die im Entsendungspaket neben der Gehaltszahlung vereinbart werden können. Die Gewährung von Zulagen muss für jedes Land maßgeschneidert werden, um die jeweiligen Steuer- und Sozialversicherungskosten zu minimieren. Fast jede Steuergesetzgebung sieht für bestimmte dieser Fringe Benefits Steuervergünstigungen vor, wobei Rechtslage und Verwaltungspraxis von Land zu Land und auch im Zeitablauf variieren. So kann es in manchen Fällen günstiger sein, dem Mitarbeiter im Ausland eine Wohnung oder einen Dienstwagen anstatt einer Miet- bzw. Autozulage zu gewähren.

     

    3.2 Payroll-Split-Modell

    Die Anwendung zweier oder mehrerer unter Umständen völlig unterschiedlicher Steuersysteme verursacht ein Spannungsverhältnis, das einerseits Steuerrisiken birgt, andererseits aber auch einen gewissen Spielraum für die Nutzung des internationalen Steuergefälles bietet. Einer der in diesem Zusammenhang nutzbaren Ansätze ist das sog. Payroll-Split-Modell (auch Split-Payroll-Verfahren genannt), das die individuelle Steuerlast des Arbeitnehmers mindern kann.

     

    Grundgedanke eines Payroll-Split-Modells ist die Aufteilung des Gesamtgehaltes eines Arbeitnehmers auf mehrere in- und ausländische Arbeitsverhältnisse, um u. a. Progressionsvorteile zu erzielen und Grundfreibeträge mehrfach auszunutzen. Neben dem fortbestehenden Arbeitsvertrag mit der deutschen Gesellschaft wird ein Zusatzvertrag mit ausländischen Gesellschaft geschlossen, die damit einen vereinbarten Anteil des Gesamtarbeitslohns zu tragen und auszuzahlen hat. Der steuerliche Hintergrund für diese Vorgehensweise erklärt sich aus den Regelungen über die Besteuerung von Arbeitseinkünften in den DBA:

     

    • Entsprechend Art. 15 Abs. 2 OECD-MA hat der Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers ‒ hier also Deutschland ‒ das Besteuerungsrecht für die gesamten Arbeitseinkünfte, wenn u. a. die Tätigkeit des Arbeitnehmers in einem anderen Staat nicht länger als 183 Tage innerhalb des betreffenden Steuerjahres ausgeübt wird. Unterschreitet der Tätigkeitszeitraum des Arbeitnehmers die 183-Tages-Frist, so behält Deutschland als Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für das gesamte Jahresgehalt.

     

    • Nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA geht das ausschließliche Besteuerungsrecht aber auch bei Unterschreiten der 183-Tages-Frist auf den Tätigkeitsstaat über, wenn die Arbeitseinkünfte von einem im anderen Staat ansässigen Arbeitgeber gezahlt werden. Schließt der Arbeitnehmer nun einen separaten Arbeitsvertrag mit der ausländischen Gesellschaft ab, so wird der im Ausland gezahlte Gehaltsanteil unter den Voraussetzungen des § 50d Abs. 8 EStG der (hohen) deutschen Besteuerung entzogen und der (niedrigeren) Besteuerung im Ausland unterworfen. Obwohl die in Deutschland steuerpflichtigen Gehaltsbestandteile aufgrund des gemäß DBA regelmäßig gewährten Progressionsvorbehalts unverändert (hoch) besteuert werden, darf das Tätigkeitsland aufgrund des DBA den Progressionsvorbehalt nicht anwenden und besteuert die ausländischen Gehaltsbestandteile in einer niedrigen Progressionsstufe. Zu diesem Effekt treten ggf. spezielle von Zielländern unilateral gewährte Steuervorteile für entsandte ausländische Arbeitnehmer (Expatriate Tax Regimes) hinzu.

     

    Durch ein Payroll-Split-Modell wird ‒ entsprechend dem Umfang der Auslandstätigkeit ‒ das Besteuerungsrecht in Bezug auf das Gesamtgehalt des Mitarbeiters auf mehrere Staaten aufgeteilt, wodurch sich Progressionsvorteile ergeben und der individuelle Steueraufwand des Arbeitnehmers dauerhaft gemindert wird. Eine Freistellung des vom ausländischen Arbeitgeber bezahlten Arbeitslohns von der deutschen Besteuerung und damit Tarifvorteile lassen sich grundsätzlich auch schon bei geringfügigen Auslandsaufenthalten erzielen.

     

    MERKE | Die Payroll-Split-Modelle ermöglichen jedoch nur dann Steuervorteile, wenn die jeweiligen Vertragsinhalte den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen und entsprechende Dokumentationen dies belegen. Darüber hinaus ist wie bei jeglichen Entsendungsfällen zu überprüfen, ob durch Art und Umfang der Auslandstätigkeit nicht die Gefahr der Bildung einer Betriebsstätte oder Risiken für eine Hinzurechnungsbesteuerung durch schädliche Mitwirkung i. S. d. § 8 AStG hervorgerufen werden. Im Rahmen des Übergangs auf ein Payroll-Split-System sind auch eventuelle Rückwirkungen auf die Abrechnungsform der Vergangenheit, insbesondere im Hinblick auf die Akzeptanz der Verrechnungspreise zu bedenken.

      

    3.3 Stock Options im Entsendungsfall

    Bei einer Entsendung gehört vielfach auch die Gewährung von Aktienoptionen zum Bestandteil des Vergütungspaketes. Moderne Vergütungssysteme sehen häufig Aktienoptionen als ein Anreizinstrument vor, um Mitarbeiter durch Beteiligung an der Steigerung des Unternehmenswertes stärker an den Arbeitgeber zu binden. Durch solche Mitarbeiterbeteiligungsprogramme erhalten die Empfänger das Recht, nicht jedoch die Pflicht, innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine bestimmte Anzahl von Anteilen an ihrem arbeitgebenden Unternehmen oder auch der Konzernobergesellschaft zu einem im Voraus festgelegten Preis zu erwerben.

     

    Hält sich ein Mitarbeiter aufgrund einer Entsendung in das Ausland zwischen dem Zeitpunkt der Gewährung und der Ausübung der Stock Options in unterschiedlichen Ländern auf, ergeben sich komplexe Fragestellungen in Bezug auf die Besteuerung der durch die Stock Options gewährten Vorteile. Ihre steuerliche Behandlung stellt eine besondere Herausforderung an die Entsendungsplanung dar.

     

    Da nicht alle Länder im Rahmen der Besteuerung von Stock Options die gleiche Rechtsauffassung haben, drohen beim Export und Import von Optionen Verzerrungen. Die Komplexität wird noch verstärkt, wenn der Arbeitnehmer während der Dauer des Optionsprogramms mehrfach Landes- und somit Steuergrenzen überschreitet. Die möglichen steuerlichen Konsequenzen eines grenzüberschreitenden Einsatzes von Stock-Option-Plänen reichen von Doppel- über Mehrfach- und Minderbesteuerungen bis hin zu weißen Einkünften. Diesbezügliche Lösungen im Sinne einer internationalen Harmonisierung der Steuergesetze dürften kurzfristig nur schwer erreichbar sein, sodass der Steuerplaner sein volles Augenmerk auf Fälle richten muss, in denen ein Arbeitnehmer bei Options-Gewährung, Options-Ausübung oder auch in der Zeit dazwischen in verschiedenen Ländern tätig ist.

     

     

    4. Sozialversicherungs- und arbeitsrechtliche Pflichten

    Im Rahmen von internationalen Mitarbeitereinsätzen gilt grundsätzlich das Territorialitätsprinzip. Bei Ausübung der Beschäftigung in einem ausländischen Staat, mit dem über- oder zwischenstaatliche Regelungen im Bereich der sozialen Sicherheit bestehen, unterliegt der Arbeitnehmer ausschließlich den ausländischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit. Insbesondere bei einem internationalen Mitarbeitereinsatz wird der Mitarbeiter in der Regel aber bestrebt sein, seine bisher erworbenen inländischen sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche in der deutschen Kranken-, Pflege-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung fortzuführen.

     

    Ausnahmen vom Territorialitätsprinzip nach dem über- oder zwischenstaatlichen Recht sind wie folgt möglich:

     

    • Bei Entsendungen in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder in die EFTA-Staaten Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz kann weiterhin die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften erreicht werden, falls eine Entsendung oder gewöhnliche Erwerbstätigkeit in mehreren Mitgliedsstaaten vorliegt.

     

    • Bei einer Entsendung in ein Land, mit dem Deutschland ein Abkommen über soziale Sicherheit geschlossen hat, unterliegt der entsandte Arbeitnehmer zunächst weiterhin den deutschen Vorschriften. Dabei ist die Dauer und der Anwendungsbereich in den einzelnen Abkommen unterschiedlich geregelt und beträgt regelmäßig 24 Monate

     

    • Bei internationalen Mitarbeitereinsätzen in Staaten des vertragslosen Auslandes unterliegt ein Arbeitnehmer bei seiner Beschäftigung im Ausland im Wege der Ausstrahlung nach § 4 SGB IV ‒ als Ausnahme des Territorialitätsprinzips nach § 3 SGB IV ‒ den deutschen Vorschriften über die Sozialversicherung. Voraussetzung ist, dass es sich um eine Entsendung im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses handelt und die Dauer der Beschäftigung im Ausland im Voraus zeitlich begrenzt ist.

     

    Beachten Sie | Bei internationalen Mitarbeitereinsätzen innerhalb von Konzerngesellschaften ist zudem zu berücksichtigen, ob das Arbeitsentgelt bei der Gewinnermittlung im Inland als Betriebsausgabe steuerlich geltend gemacht wird (vgl. BSG 7.11.96, USK 9651).

     

     

     

    5. Kostenaufteilung im Konzern

    Eine sorgfältige Gestaltung der Entsendungskonditionen ist nicht nur für die persönliche Einkommensteuersituation des Mitarbeiters von Bedeutung, sondern verringert auch Kosten und Risiken für das entsendende bzw. das aufnehmende Unternehmen. Um Steuerrisiken auf Unternehmensebene zu begegnen, müssen im Rahmen einer verursachungsgerechten Gewinnabgrenzung im Konzern auch Kosten für entsendete Mitarbeiter nach dem Veranlassungsprinzip den beteiligten in- und ausländischen Unternehmenseinheiten zugeordnet werden. Entscheidendes Kriterium für die Abzugsfähigkeit der Personalaufwendungen ist die eigenbetriebliche Veranlassung der Personalentsendung. Zu diesem Themenbereich hat die Finanzverwaltung mit Schreiben vom 9.11.01 (Verwaltungsgrundsätze ‒ Arbeitnehmerentsendung, BStBl I 01, 796) Stellung bezogen. Für die Kostentragung ist maßgeblich, in wessen Interesse der Mitarbeiter arbeitet, d. h. wem der Nutzen der Arbeit zukommt. Als Kriterien zur Abgrenzung der Interessenverteilung werden maßgeblich die Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers sowie die Höhe des Gesamtaufwandes herangezogen.

     

    Zwei kleine Fallvariationen mögen den bei der Kostenaufteilung erforderlichen Benefit Test weiter erläutern:

     

    • Würde ein Arbeitnehmer, der z. B. über umfangreiche Erfahrung im Controlling verfügt, in die USA entsandt, um der dortigen Tochtergesellschaft bei der Eintreibung ihrer erheblichen Außenstände zu unterstützen, läge die Entsendung im Interesse der US-Tochter, die entsprechend auch die Entsendungskosten zu tragen hätte (mit der Konsequenz einer US-Einkommensteuerpflicht des Arbeitnehmers).

     

    • Würde der Arbeitnehmer z. B. in die USA entsandt, um der dortigen Tochtergesellschaft aus der Krise zu helfen, d. h. das lokale Management auszutauschen, Fehlerursachen zu analysieren und zu beheben und das Berichtswesen zur KFZ-AG zu verbessern, so wären ‒ da die Entsendung in beiderseitigem Interesse liegt ‒ die Kosten zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft aufzuteilen.

     

    Beachten Sie | Das BMF-Schreiben vom 12.11.14 (IV B 2 - S 1300/08/10027 BStBl I 14, 1467, Rz 105, 110) enthält Dokumentationspflichten, die insbesondere für die Anerkennung der Kostentragung bedeutsam sind. Der Umfang der zu dokumentierenden Unterlagen reicht vom Entsendevertrag und Tätigkeitsbeschreibungen über Untersuchungen zu Vergleichsgehältern bis hin zur Kosten-Nutzen-Analyse bezüglich Lohnaufwand und Erfolgsbeitrag. Vorteilhaft kann eine Absprache mit dem Finanzamt über einen einheitlichen Aufteilungsmaßstab für alle Personalentsendungen sein.

    6. Kalkulation von Personalentsendungskosten

    Die von einem deutschen Unternehmen zu tragenden Entsendungskosten weichen von Gastland zu Gastland gravierend ab. Zur Berechnung der Entsendungskosten sind sowohl die Steuervorschriften als auch alle relevanten Sozialversicherungsregelungen zu beachten. Mit dem Übergang des Besteuerungsrechts auf den jeweiligen Tätigkeitsstaat sind für die Höhe der Entsendungskosten insbesondere die Besteuerungsregeln in den Gastländern ausschlaggebend. Insoweit genügt allerdings nicht allein der Vergleich der Spitzensätze der Einkommensteuer in Spanien (abhängig vom Wohnort bis 56 %), Finnland (je nach Gemeinde zwischen 48,25 % und 54,25 %) bzw. in Frankreich (48 %). Vielmehr sind in den Steuerkalkulationen auch persönliche Freigrenzen und Freibeträge, der Tarifverlauf und ggf. auch spezielle Steueranreize für Expatriates und die steuerliche Behandlung der Aufwandsentschädigungen (Reisekosten, Unterbringung, Lebenshaltungskosten) zu berücksichtigen.

     

    Bezüglich der gesamten Entsendungskosten (verfügbares Einkommen plus Aufwandsentschädigung plus Steuern und Sozialversicherung) liegt eine an der Universität Mannheim angefertigte Dissertation (Köpping, „Essays on the Impact of Labor Taxation on Private Firms ‒ Simulation and Empirical Evidence from European Panel Data“, Mannheim 2015) vor, die unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Regelungen von Sozialversicherung und Einkommensteuer die Entsendungskosten im europäischen Ländervergleich errechnet. Für den Fall, dass dem Expatriate ein verfügbares Einkommen von 100.000 EUR einschließlich Aufwandsentschädigungen verbleiben soll, ergeben sich im EU-Vergleich folgende Werte:

     

    • Ländervergleich
    Kosten (in EUR )
    Kosten (in %)

    Einsatz im Inland:

    190.087

    100,0

    Einsatz im Ausland:

    Spanien

    146.407

    77,0

    Finnland

    208.050

    109,4

    Frankreich

    232.094

    122,1

    Belgien

    229.978

    121,0

    Dänemark

    148.887

    78,3

    Griechenland

    244.719

    128,7

    Großbritannien

    173.784

    91,4

    Irland

    205.651

    146,3

    Italien

    139.424

    73,3

    Luxemburg

    172.222

    90,6

    Niederlande

    143.826

    75,7

    Österreich

    168.224

    88,5

    Polen

    154.813

    81,4

    Portugal

    186.890

    98,3

    Schweden

    183.874

    96,7

    Slowakische Republik

    136.416

    71,8

    Tschechische Republik

    149.264

    78,5

    Ungarn

    183.345

    96,4

    Entsendungskosten beim Auslandseinsatz lediger deutscher Mitarbeiter (Quelle: Köpping, „Essays on the Impact of Labor Taxation on Private Firms ‒ Simulation and Empirical Evidence from European Panel Data“, Mannheim 2015, Angaben für das Jahr 2011)

     

     

     
    Quelle: ID 45604221