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  • · Fachbeitrag · Durchführung der doppelten Wesentlichkeit

    Wesentlichkeitsanalyse: Die Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD

    von Dr. Christopher Scheubel, München; www.cubemos.com

    | Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) stellt eine bedeutsame Weiterentwicklung in der unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung dar. Sie ist aus der Überzeugung entstanden, dass Transparenz und Rechenschaftspflicht die Schlüsselkomponenten für die Förderung nachhaltiger Geschäftspraktiken sind. Ab dem 1.1.24 ist die CSRD als delegierter Rechtsakt innerhalb der EU in Kraft. Für die meisten Unternehmen in Deutschland müssen die Daten für das Geschäftsjahr 2025 erhoben und im Lagebericht des Jahresabschlusses 2026 veröffentlicht werden. |

     

    1. CSRD und die Einordnung der Wesentlichkeitsanalyse

    Konkret richtet sich die CSRD an Unternehmen, die mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen:

     

    • Mitarbeiterzahl von über 250
    • Bilanzsumme von mehr als 25 Mio. EUR
    • Umsatz von über 50 Mio. EUR

     

    Ein zentraler Aspekt der CSRD ist die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse. Diese Analyse ist von strategischer Bedeutung, da sie bestimmt, welche Nachhaltigkeitsaspekte für ein Unternehmen von wesentlicher Bedeutung sind und daher berichtet werden müssen. Der innovative Kern dieser Richtlinie besteht darin, dass sie Unternehmen dazu ermutigt, sich auf diejenigen Bereiche zu konzentrieren, auf die sie tatsächlich einen operativen Einfluss haben können. Dies stellt sicher, dass die Berichterstattung nicht nur eine Checkliste von Indikatoren ist, sondern ein reflektierter Prozess, der die eigentlichen Leistungen und Herausforderungen des Unternehmens im Bereich der Nachhaltigkeit widerspiegelt.

     

    Der Prozess der Wesentlichkeitsanalyse ist jedoch komplex. Daher stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, wie genau eine solche Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt werden soll. Um Licht ins Dunkel zu bringen, empfiehlt sich ein strukturierter Ansatz in drei Schritten, den wir in den folgenden Abschnitten skizzieren.

    2. Einbindung der Stakeholder

    Prinzipiell sind bei der Wesentlichkeitsanalyse des Unternehmens die Stakeholder mit einzubinden. Die korrekte Identifizierung der Stakeholder eines Unternehmens ist entscheidend. Dabei geht es darum, alle Gruppen zu erkennen, die von den Entscheidungen des Unternehmens beeinflusst werden oder diese beeinflussen. Dies kann sowohl interne als auch externe Gruppen mit unterschiedlichen Interessen betreffen.

     

    Der erste Schritt ist eine sorgfältige Analyse des Geschäftsumfelds. Es ist wichtig, die Branche und die Hauptaktivitäten des Unternehmens zu verstehen, um potenzielle Stakeholder besser identifizieren zu können. Interne Stakeholder sind meistens offensichtlicher: Dazu zählen Mitarbeiter, Führungskräfte und das Management. Aktionäre können je nach Größe des Unternehmens intern oder extern sein. Externe Stakeholder sind vielfältig: Zu ihnen zählen Kunden, Lieferanten, die örtliche Gemeinschaft, Behörden, NGOs, Medien und manchmal sogar Konkurrenten.

     

    In der Tabelle unten sind Stakeholder-Gruppen und deren Spezifizierung dargestellt:

     

    Übersicht / Mögliche Stakeholdergruppen für ein Unternehmen*

    Stakeholder-Gruppe
    Spezifizierung

    Kapitalgeber

    Banken, Aktionäre Investoren, Versicherungen

    Kunden

    Endverbraucher, Geschäftskunden

    Staat

    Behörden, Finanzämter, Rechtssystem

    Zulieferer

    Material, Dienstleistungen, Freelancer

    Interessenvertreter

    Betriebs-, Personalräte, Kammern, Verbände/Gewerkschaften

    Wettbewerber

    Direkte, indirekte (Substitute)

    Öffentlichkeit

    Medien/Presse, Politik, Interessengruppen

    Mitarbeiter

    Geschäftsleitung, Management, Arbeitnehmer

     

    *Nicht abschließend ‒ jedes Unternehmen sollte die Stakeholder anhand des Geschäftsmodells skizzieren

     

    Die in der Tabelle aufgeführten Stakeholder sind nicht abschließend. Jeder Einzelne oder jede Gemeinschaft mit einer Verbindung zum Unternehmen kann als Stakeholder betrachtet werden. Um ein umfassendes Bild von allen Stakeholdern zu erhalten, empfiehlt es sich, Brainstorming-Sitzungen mit verschiedenen Teammitgliedern aus unterschiedlichen Abteilungen durchzuführen. So können diverse Blickwinkel berücksichtigt und mögliche Stakeholder erkannt werden.

     

    Zusammenfassend ist die Identifizierung von Stakeholdern ein kontinuierlicher und iterativer Prozess, der ein tiefes Verständnis für das Geschäftsumfeld und die verschiedenen Gruppen erfordert, die mit dem Unternehmen interagieren. Die Liste der Stakeholder sollte in regelmäßigen Abständen überprüft und aktualisiert werden.

    3. Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse

    3.1 Bestimmung der Impact Materialität

    Die Wesentlichkeitsanalyse nach der CSRD stellt die negativen und positiven Auswirkungen, die ein Unternehmen auf seine Stakeholder hat, ins Zentrum der Betrachtung. Hierbei geht es nicht nur um rein finanzielle oder betriebswirtschaftliche Aspekte, sondern explizit um die Einflüsse des Geschäftsbetriebs auf Menschen und die Umwelt. Dabei können Auswirkungen sowohl positiver als auch negativer Natur sein.

     

    • Beispiele
    • 1. Positiv: Schaffung von Arbeitsplätzen; CO2-Einsparung durch das Design nachhaltiger Produkte.

     

    • 2. Negativ: Umweltverschmutzung durch Verpackungsmüll; unfaire Arbeitsbedingungen in der Lieferkette.
     

    Im ersten Schritt soll das Unternehmen systematisch erfassen, welche tatsächlichen und potenziellen negativen und positiven Auswirkungen seine Geschäftsaktivitäten haben. Dies beinhaltet eine umfassende Prüfung aller betrieblichen Prozesse, Produkte und Dienstleistungen, um ein klares Bild davon zu erhalten, wie diese sich auf interne und externe Stakeholder auswirken könnten.

     

    Durch diese strukturierte Analyse können Unternehmen nicht nur ihre Verantwortungsbereiche besser verstehen, sondern auch strategische Entscheidungen treffen, die zur Minimierung negativer und zur Maximierung positiver Auswirkungen beitragen.

     

     

    Sobald die Einflüsse des Geschäftsbetriebs systematisch erfasst sind, sind sie quantitativ zu bewerten. Dazu werden nach Vorgabe der CSRD verschiedene Kategorien herangezogen. Je nachdem, ob es sich um positive oder negative Impacts handelt, werden unterschiedliche Bewertungskriterien angewendet.

     

    Negative Impacts werden anhand von drei Hauptkriterien bewertet:

     

    • Ausmaß der Auswirkungen (Scale): Dieses Kriterium bewertet die Intensität oder das Ausmaß der jeweiligen Auswirkung. Hierbei wird beispielsweise eine vierstufige Skala angewendet:

     

      • Minimal: Die Auswirkungen sind begrenzt und i. d. R. geringfügig.
      • Mittel: Die Auswirkungen sind spürbar, aber nicht übermäßig intensiv.
      • Hoch: Die Auswirkungen sind deutlich und könnten schwerwiegende Konsequenzen haben.
      • Sehr hoch: Die Auswirkungen sind intensiv und könnten kritische Konsequenzen mit sich bringen.

     

    • Umfang der Auswirkungen (Scope): Dieses Kriterium betrachtet die geografische Verbreitung oder die Reichweite der Auswirkung. Dabei kann beispielsweise zwischen vier Kategorien unterschieden werden:

     

      • Lokal: Die Auswirkungen beschränken sich auf eine lokale Ebene oder eine bestimmte Gemeinde.
      • Regional/National: Die Auswirkungen erstrecken sich über eine größere Region oder ein ganzes Land.
      • International/Kontinental: Die Auswirkungen sind über nationale Grenzen hinweg spürbar.
      • Global: Die Auswirkungen sind weltweit zu spüren.

     

    • Behebbarkeit der Auswirkungen (Irreversibilität): Hier wird bewertet, inwiefern die Auswirkungen rückgängig gemacht oder gemindert werden können:

     

      • Vollständig behebbar: Die Auswirkungen können vollständig rückgängig gemacht werden.
      • Weitgehend behebbar: Die meisten Auswirkungen können behoben werden, es könnten jedoch geringfügige Restfolgen bleiben.
      • Teilweise behebbar: Nur ein Teil der Auswirkungen kann rückgängig gemacht werden.
      • Unabänderlich: Die Auswirkungen sind permanent und können nicht rückgängig gemacht werden.

     

    Positive Impacts werden hingegen nur anhand der ersten beiden Kategorien, also Scale und Scope, bewertet.

     

    • Beispiele
    • 3. Negativ: Ein Unternehmen aus der Papierindustrie hat einen sehr hohen Energieverbrauch, um seine Produkte herzustellen. Dies hat einen hohen CO2-Ausstoß zur Folge. Das Unternehmen hat zwei Standorte in Deutschland.

     

    • In diesem Fall wäre die Bewertung:
    • Ausmaß: Hoch; Umfang: National; Behebbarkeit: Teilweise behebbar.

     

    • 4. Positiv: Wenn ein Unternehmen eine eigene Solaranlage hat, dann hat es positiven Impact im Themenbereich Energieverbrauch. Allerdings ist er meist im Ausmaß: Minimal und im Umfang: Lokal.
     

    Durch diese differenzierte Bewertungsskala können Unternehmen ein detailliertes Verständnis ihrer Auswirkungen erlangen und entsprechende Strategien und Maßnahmen entwickeln, um sowohl negative als auch positive Impacts zu steuern und zu optimieren. Anhand der Bewertungen kann das Unternehmen seine „Impacts“ priorisieren und sich bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung und auf die Themen konzentrieren, bei denen der Einfluss am höchsten ist.

     

    3.2 Bestimmung der Finanziellen Materialität

    Das zweite zentrale Element der Wesentlichkeitsanalyse gemäß CSRD betrifft die Risiken und Chancen, die sich aus Nachhaltigkeitsaspekten für das Geschäftsmodell eines Unternehmens ergeben. Hierbei geht es nicht nur um rein ökologische Betrachtungen, sondern explizit auch um die ökonomische Seite der Nachhaltigkeit. Dieser ganzheitliche Ansatz gewährleistet, dass Unternehmen sowohl die direkten als auch die indirekten finanziellen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeiten im Kontext von Nachhaltigkeit erkennen und adressieren.

     

    In diesem Zusammenhang sollen Unternehmen die finanziellen Risiken und Chancen identifizieren, die sich aus verschiedenen Themengebieten der Nachhaltigkeit ergeben können. Diese könnten so gravierend sein, dass das Geschäftsmodell angepasst oder sogar neu ausgerichtet werden muss. Beispielsweise könnten sich durch die fortschreitende Energiewende völlig neue Marktchancen ergeben, während gleichzeitig Geschäftsbereiche, die energetisch nicht zukunftsfähig sind, Restrukturierungsrisiken bergen.

     

    Die EU betont mit dieser finanziellen Bewertung die Notwendigkeit, dass Unternehmen einen umfassenden Blick auf Nachhaltigkeit werfen. Es soll nicht nur darüber reflektiert werden, wie Unternehmen die Umwelt beeinflussen, sondern explizit auch, wie sich nachhaltige Entwicklungen und Trends auf das wirtschaftliche Überleben und den Erfolg eines Unternehmens auswirken können.

     

    Bei der finanziellen Wesentlichkeitsanalyse müssen Unternehmen demnach systematisch alle Risiken und Chancen erfassen, die sich aus den verschiedenen Themengebieten der Nachhaltigkeit ergeben. Dadurch sind sie nicht nur besser auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet, sondern können Nachhaltigkeit auch als strategischen Hebel für ihren geschäftlichen Erfolg nutzen.

     

    • Beispiel
    • 5. Risiko: Ein holzverarbeitender Betrieb ist auf einen Wald in Norddeutschland als natürliche Ressource angewiesen. Der Klimawandel führt zu Befall des Waldes durch den Borkenkäfer und der Ausrottung der Bäume. Damit ist der Klimawandel ein essenzielles Risiko des Geschäftsmodells dieses holzverarbeitenden Betriebs.
     

     

    Um sich auf die größten finanziellen Risiken und Chancen des Unternehmens zu konzentrieren, ist auch bei der finanziellen Materialität eine quantitative Bewertung durchzuführen. Die Bewertung der finanziellen Materialität basiert auf einer differenzierten Betrachtung der potenziellen Auswirkungen und wie wahrscheinlich es ist, dass diese auch eintreten. Hierbei sind zwei zentrale Dimensionen von besonderer Bedeutung: das monetäre Ausmaß der Auswirkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit.

     

    • Ausmaß der Auswirkungen (monetär):

     

      • Minimal: In dieser Kategorie sind die finanziellen Auswirkungen kaum spürbar und haben minimale Konsequenzen für das Unternehmen.
      • Beeinträchtigung/Vorteile spürbar: Hier sind die finanziellen Effekte bereits deutlicher zu erkennen, wodurch sich entweder leichte Beeinträchtigungen oder Vorteile für das Unternehmen ergeben.
      • Beeinflussung der Geschäftstätigkeit: In dieser Stufe haben die finanziellen Auswirkungen einen merklichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit. Dies kann bedeuten, dass bestimmte Geschäftsbereiche angepasst oder restrukturiert werden müssen.
      • Hohe finanzielle Einbußen/Mehrwert: Die höchste Stufe der Skala kennzeichnet entweder erhebliche finanzielle Einbußen, die die Existenz des Unternehmens bedrohen könnten, oder einen signifikanten Mehrwert, der erhebliche Chancen und Vorteile bietet.

     

    • Wahrscheinlichkeit des Eintritts (Probability):

     

      • Unwahrscheinlich: Hier ist es eher unwahrscheinlich, dass das beschriebene Risiko oder die Chance eintritt.
      • Möglich: Das Risiko oder die Chance kann eintreten, ist aber nicht als gegeben anzusehen.
      • Wahrscheinlich: In dieser Kategorie ist es überdurchschnittlich wahrscheinlich, dass das Risiko oder die Chance eintritt.
      • Höchstwahrscheinlich: Hier wird davon ausgegangen, dass das Risiko oder die Chance nahezu mit Sicherheit eintritt.

     

    Durch die sorgfältige Analyse und Zuordnung von Risiken und Chancen zu diesen Skalen kann ein Unternehmen fundierte Entscheidungen treffen, Strategien entwickeln und Prioritäten setzen, um seine finanzielle Robustheit und Zukunftsfähigkeit sicherzustellen.

    4. Zuordnung zu den Standards der CSRD

    Wenn ein Unternehmen in seiner Analyse materielle (quantitativ hoch bewertete), Auswirkungen, Risiken oder Chancen seiner Geschäftstätigkeit identifiziert, ist es von zentraler Bedeutung, diese gezielt den relevanten ESRS-Themengebieten zuzuordnen. Diese sind in zehn Hauptkategorien unterteilt, die sowohl ökologische, soziale als auch Aspekte der Unternehmensführung abdecken.

     

    • ESRS E1 ‒ Climate change (Klimawandel)
    • ESRS E2 ‒ Pollution (Umweltverschmutzung)
    • ESRS E3 ‒ Water and marine resources (Wasser- und Meeresressourcen)
    • ESRS E4 ‒ Biodiversity and ecosystems (Biodiversität und Ökosysteme)
    • ESRS E5 ‒ Resource use and circular economy (Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft)
    • ESRS S1 ‒ Own workforce (Eigene Belegschaft)
    • ESRS S2 ‒ Workers in the value chain (Belegschaft in der Wertschöpfungskette)
    • ESRS S3 ‒ Affected communities (Betroffene Gemeinschaften)
    • ESRS S4 ‒ Consumers and end-users (Verbraucher und Endnutzer)
    • ESRS G1 ‒ Business conduct (Unternehmensführung/politik)

     

    FAZIT | Nachdem die identifizierten Auswirkungen, Risiken und Chancen den entsprechenden Themengebieten zugeordnet sind, hat das Unternehmen die Pflicht, das jeweilige Themengebiet transparent offenzulegen. Dies beinhaltet die Darstellung der spezifischen Ziele, Maßnahmen und Richtlinien, die das Unternehmen in diesem Bereich verfolgt, sowie die zugehörigen Kennzahlen, um Fortschritte und Entwicklungen messbar zu machen. Dadurch wird nicht nur die Transparenz und Rechenschaftspflicht des Unternehmens gegenüber seinen Stakeholdern gestärkt, sondern auch ein klarer Rahmen für nachhaltiges Wirtschaften geschaffen.

     

     

    Quelle: ID 49999082

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