· Fachbeitrag · Greenmarketing
Ökolabel: Wettbewerbsvorteile für Unternehmen
von Dr. Tobias Schnell, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
| Nachhaltigkeit ist ein komplexes Thema, das in der öffentlichen Meinung einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Grüne Märkte wachsen und die Nachfrage nach umweltfreundlicheren Produkten steigt stetig. Ökolabel sollen dem Endverbraucher helfen, sich innerhalb kürzester Zeit über die Klimabilanzen, Tierwohlstandards, Inhaltsstoffe, Materialien oder Arbeitsweisen eines Produkts oder einer Dienstleistung zu informieren. Welche Ökolabel gibt es, welche Vorteile bringen sie Unternehmen und wie können sie in der Praxis genutzt werden? |
1. Was sind Ökolabel?
Weder wissenschaftlich noch rechtlich hat sich bisher eine konkrete Definition darüber, was Ökolabel sind, durchgesetzt. Viel eher teilen sich alle gängigen Definitionen bestimmte Merkmale, die Ökolabel und ihre Ziele gut beschreiben. Ökolabel (auch Umweltzeichen, Siegel oder Plaketten genannt) sind Symbole, mit denen Produkte und Dienstleistungen versehen werden können, um über ihre Eigenschaften zu informieren. Je nach Kategorie des Produkts oder der Dienstleistung sind unterschiedliche Ökolabel üblich, die ganz unterschiedliche Standards widerspiegeln. Ökolabel zielen inhaltlich vor allem darauf ab, Verbrauchern Informationen über Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit zu vermitteln, die ansonsten nicht direkt wahrnehmbar sind.
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MERKE | Da der Begriff Ökolabel nicht vollkommen klar umgrenzt ist, können je nach eigenem Verständnis selbst definierte Label mit eigenen Aussagen konstruiert werden. Das können dann Aussagen über die eigene Arbeitsweise sein, wie z. B. „zukunftsorientiert“. |
Beachten Sie | Die Praxis zeigt hier jedoch auch deutlich, dass man mit Eigenlabeln sparsam umgehen sollte, weil sich hieraus negative Folgen ergeben könnten. Für andere Ökolabel gelten rechtliche Bestimmungen wie etwa die ISO 14020‒14025, die EG-Öko-Basisverordnung oder die Satzungen unterschiedlicher zertifizierender Organisationen.
2. Warum brauchen wir Ökolabel?
Die Globalisierung erschwert es deutlich, die arbeitsteilig aufgebaute Wirtschaft zu durchschauen, und eine gläserne Produktion bzw. Arbeitsweise findet selten statt. Umfangreiche Informationsangebote auf Websites von Anbietern werden trotz des allgemeinen Interesses am Thema selten genutzt, weil sie als zu umfangreich wahrgenommen werden. Viel eher entscheiden sich Menschen situativ und in kurzer Zeit zwischen einem Überangebot an möglichen Optionen. Dabei ist es hilfreich, wenn man schnell und verständlich einige der für die Kaufentscheidung wichtigen Informationen erhält.
MERKE | Ökolabel sollen auf einen Blick verständlich wichtige Informationen in einem potenziell überfordernden Überangebot liefern, damit Verbraucher eine Entscheidung treffen können. |
Für Unternehmen und andere Organisationen bietet sich hier die Möglichkeit, über die eigenen Stärken oder eine nachhaltige Arbeitsweise zu informieren. Das sind in der Regel Informationen, die ansonsten im Wettbewerb schnell untergehen würden. Ein großer Vorteil ist es, komplexe Geschäftspraktiken in einem einzelnen Symbol oder Wort darzustellen, wie beispielsweise
- klimapositiv,
- klimaneutral,
- bio,
- ohne Zusätze.
Diese Symbole sind einfach verständlich, leicht darzustellen und erfordern weder zusätzliche Zeit noch Vorwissen bei den Kunden. Hier kann ein Unternehmen also ganz einfach die Möglichkeit nutzen, das Informationsungleichgewicht zu den Konsumenten ein wenig aufzuheben und etwas mehr über sich preiszugeben.
Verbraucher haben durch Ökolabel eine potenziell schnelle und verständliche Informationsquelle, die auch dann genutzt werden kann, wenn man sich nicht tief in die Materie der Nachhaltigkeit eingearbeitet oder nur wenig Zeit für die Sammlung von Informationen hat. Menschen haben eine Vielzahl persönlicher Vorlieben, Ziele und Wertevorstellungen, bei denen Ökolabel ebenfalls eine Unterstützung durch Orientierung darstellen können.
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Sucht ein Verbraucher ein Bio-Brot, dann ist das Biosiegel ein verlässliches Zeichen dafür, dass er das Brot bedenkenlos kaufen kann ‒ und zwar auf den ersten Blick. Das spart Zeit und erleichtert die Entscheidung. Der Verbraucher kann nicht wissen, was schlussendlich in diesem Brot verarbeitet wurde und auch nicht, wie es am Ende produziert worden ist. Beides ist nun durch das Biosiegel kenntlich gemacht und kann mitunter einen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen darstellen. Der Verbraucher hingegen kann seine eigenen Vorlieben umsetzen und erfährt gleichzeitig mehr über das Unternehmen. Studien legen nahe, dass sich der Kunde solche positiven Erfahrungen für zukünftige Einkäufe merkt. |
3. Welche Arten von Ökolabeln gibt es?
Wie im ersten Abschnitt schon vorgestellt, existiert eine unbekannte Anzahl an Ökolabeln in Deutschland. Dies liegt vor allem darin begründet, dass sich Standards und Mindestanforderungen von Ökolabeln sehr stark unterscheiden können und rechtliche Regelungen über die Labelvergabe nur eingeschränkt existieren. Man kann aber grundlegend drei Stufen von Ökolabeln unterscheiden, die sich sehr stark in ihren Ansprüchen unterscheiden.
Stufe 1: Eigenlabel
Ökolabel der Stufe 1 haben potenziell die geringsten Standards und den geringsten Aussagegehalt. Label der Stufe 1 sind sogenannte Eigenlabel, die sich Organisationen und Unternehmen selbst geben. Gängige Beispiele hierfür sind Verweise auf unternehmenseigene Nachhaltigkeitsprogramme oder Beteuerungen guter Arbeitsweisen.
Beachten Sie | Für Eigenlabel existieren derzeit in Deutschland keine rechtlichen Vorschriften, sodass die Bandbreite der Eigenlabel denkbar groß ausfällt. Derzeit gibt es allerdings einen europäischen Vorstoß gegen Greenwashing, bei dem unter anderem vorgesehen ist, dass Eigenlabel in eine Beweispflicht treten müssen. Das heißt, dass ein Unternehmen sich nicht selbst z. B. für Tierwohl auszeichnen darf, wenn keine entsprechenden Leistungsbeweise transparent gemacht werden. Zum jetzigen Zeitpunkt liegt der Vorstoß den EU-Mitgliedstaaten vor, die bis Ende 2024 entscheiden sollen.
MERKE | Stufe-1-Ökolabel stellen die Masse der Label auf dem Markt dar, werden jedoch aufgrund ihrer fehlenden Vergleichbarkeit von vielen Verbraucherschutzorganisationen nicht als echte Ökolabel angesehen. Viel eher werden Eigenlabel häufig als Marketinginstrument aus dem Bereich des Green Marketing angesehen und sehen sich oft mit Greenwashing-Vorwürfen konfrontiert. |
Stufe 2: Drittparteienlabel
Ökolabel der Stufe 2 sind sogenannte Drittparteienlabel. Diese werden von zertifizierenden Organisationen vergeben und verwenden als Grundlage in der Regel transparente und prüfbare Standards wie etwa ISO 14020‒14025. Als professionelle Akteure vergeben die Organisationen bei Stufe-2-Ökolabeln die Siegel in Folge eines regelmäßigen Prüfprozesses, der kostenpflichtig ist und sich nach den jeweiligen Sätzen der zertifizierenden Organisation richtet. Ein Vorteil der Drittparteienlabel ist neben der höheren Aussagekraft durch prüfbare Standards auch ihre Wiedererkennbarkeit, da diese Siegel häufig auf Produkten und Dienstleistungen eingesetzt werden.
Beachten Sie | Ein Nachteil ergibt sich demgegenüber jedoch für alle zertifizierten Produkte, wenn ein Skandal oder eine wesentliche Abweichung von den Standards aufgedeckt wird. Wenn beispielsweise ein Fischereisiegel in einen Skandal gerät, bei dem ein zertifiziertes Unternehmen beim „delfinfreundlichen“ Fang betrogen hat, dann hat das auch negative Auswirkungen auf andere zertifizierte Betriebe, die jedoch einwandfrei arbeiten.
Stufe 3: Staatliche Label
Ökolabel der Stufe 3 sind staatliche Siegel wie das EG-Biosiegel oder das EU-Umweltzeichen für Dienstleistungen. Hinter diesen Ökolabeln stecken gesetzlich verankerte Standards. Ihre Verwendung ist z. B. durch die EG-Öko-Basisverordnung rechtlich festgelegt. Auch hier geht der Vergabe ein Prüfprozess voraus, der neben einer Antragsgebühr ebenfalls kostenpflichtig ist. Die Kosten richten sich hier nach den jährlichen Umsätzen, wobei es Mindest- und Höchstsätze gibt, die je nach Größe oder Art des Antragstellers auch reduziert werden können.
MERKE | Die staatlichen Ökolabel sind die am weitesten verbreiteten Umweltzeichen. Dadurch sind sie am bekanntesten und werden auch häufiger wiedererkannt. |
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Stufe 1 | Eigenlabel |
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Stufe 2 | Drittparteienlabel |
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Stufe 3 | Staatliche Label |
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4. Welche Vor- und Nachteile bieten Ökolabel?
Wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass ein Ökolabel ein Produkt in den Augen von Verbrauchern deutlich verbessert. Gelabelte Produkte erzielten in allen Studien wesentlich bessere Bewertungen bei Geschmack, Qualität, Nachhaltigkeit und Optik. Damit einher geht eine höhere Zahlungsbereitschaft der Kundschaft.
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Der Einsatz von Ökolabeln sollte wohlüberlegt sein, da sich neben den Vorteilen auch einige Risiken und Nachteile ergeben können. Je nach Stufe des Ökolabels entstehen für ein Unternehmen oder eine Organisation unterschiedlich hohe Kosten und ein mitunter erheblicher bürokratischer Aufwand. Dazu kommt, dass nicht jeder Betrieb branchenspezifisch sinnvoll ein Ökolabel einsetzen kann.
Auch Skandale können zum Problem werden, da sie mitunter das gesamte Vertrauen in Ökolabel erschüttern können. Wie bereits erwähnt, sind insbesondere Eigenlabel häufig dem Vorwurf ausgesetzt, ein Greenwashing-Instrument zu sein. Eigenlabel tragen wesentlich dazu bei, dass es immer mehr Ökolabel gibt, die kaum noch erkannt und zugeordnet werden können. Das verwirrt nachweislich die Verbraucher und führt dadurch zu einer eher ablehnenden Haltung gegenüber unbekannten Ökolabeln. Selbstverständlich hat es immer negative Konsequenzen, wenn ein Ökolabel falsche oder unzutreffende Aussagen über ein Produkt oder eine Dienstleistung beinhaltet.
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5. Ökolabel in der Praxis
Für die Praxis lassen sich einige ganz klare Empfehlungen bei der Verwendung von Ökolabeln formulieren.
Checkliste / Ökolabel in der Praxis | |
Ökologische Aspekte Ihres Unternehmens |
Wichtig | Ökolabel sind vor allem dann stark, wenn Sie keinen direkten Kontakt mit Ihren Kunden haben, weil Sie überregional arbeiten oder Zwischenhandel stattfindet. Hinzu kommt: nicht jede Information lässt sich gut in einem Label „verpacken“. |
Kosten und Nutzen von Ökolabeln abgleichen |
Wichtig | Ein Betrieb, der Lebensmittel in Bio-Qualität produziert, profitiert in der Regel von der Zertifizierung, ein Logistikunternehmen wird hingegen eher bei einzelnen Auftraggebern einen Vorteil erzielen. |
Beachten Sie | Verwenden Sie nach Möglichkeit nur wenige Ökolabel, die eine hohe Aussagekraft für Sie haben. Vor allem die kostengünstigen Eigenlabel führen zur Verwirrung Ihres Umfelds, sind risikobehaftet und werden voraussichtlich demnächst gesetzlich reglementiert. Hier sollte der Umgang also eher behutsam erfolgen. |
FAZIT | Insgesamt sind Ökolabel ein effizientes Kommunikationsmittel ‒ wenn sie maßvoll angewandt werden und verstanden werden. Es liegt in der Hand der Unternehmen, mit zielgerichteter und sparsamer Auswahl wirklich relevanter Ökolabel zu diesem Zustand beizutragen. Richtig eingesetzt erlauben Ökolabel Wiedererkennbarkeit, das schnelle Vermitteln von ökologischen Statements und führen zum Vertrauensvorschuss von Konsumenten. |