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  • · Fachbeitrag · Meinung

    Immer Ärger mit den Zusatzleistungen?

    von Silke Jäger, Fachjournalistin Gesundheitswesen (www.silke-jaeger.de)

    | Dürfen Physiotherapiepraxen, die eine Kassenzulassung haben, zusätzlich Leistungen anbieten, die die Patienten aus eigener Tasche zahlen müssen? Die Antwort auf diese Frage lautet: Ja, natürlich. Wie sieht es aber aus, wenn Therapeuten die Terminvergabe für Kassenpatienten an die Bedingung knüpfen, dass die Patienten eine Selbstzahlerleistung gleich dazu buchen? Das ist eindeutig nicht erlaubt! Macht es also auch keiner? Laut Recherchen des Bayerischen Rundfunks offenbar doch. Wir haben bei Physiotherapieverbänden und der Redaktion von report München nachgehakt. |

    Der Missstand

    Das Politmagazin report München hat in der Sendung vom 2. Dezember 2014 darüber berichtet, dass einige Physiotherapiepraxen nur dann zu einer Terminvergabe nach Vorlage eines Kassenrezepts bereit waren, wenn die Patienten zusätzliche Leistungen kauften, wie zum Beispiel Massagen. Anderenfalls nahmen die Praxen die Patienten nicht an oder konnten keine zeitnahen Termine anbieten. Dieses Vorgehen hatten Reporter des Politmagazins bei neun Praxen stichprobenartig überprüft und waren offenbar bei drei Praxen fündig geworden. Praxen, die diese Art von „Verkaufsförderung“ für Selbstzahlerleistungen betreiben, verstoßen jedoch gegen geltendes Recht.

     

    MERKE | Therapeuten sind verpflichtet, Patienten mit einer ärztlichen Verordnung zu behandeln.

     

    Karl-Heinz Kellermann, Vorsitzender des Spitzenverbands der Heilmittelverbände (SHV) und 1. Bundesvorsitzender des Verbands Physikalische Therapie (VPT), betont: „Eine Terminvergabe davon abhängig zu machen, dass der Patient im Prinzip zulässige Zusatzleistungen einkauft, ist vertragswidrig.“

     

    Zum einen ist in allen Rahmenverträgen, die nach § 125 SGB V zwischen Heilmittelerbringern und Krankenkassen geschlossen sind, geregelt, dass neben der Zuzahlung bei Kassenleistungen keine weiteren Zahlungen gefordert werden dürfen. Zum anderen richten sich ärztliche Verordnungen in Art und Menge nach den Heilmittelrichtlinien. Von diesen Maßgaben dürfen Therapeuten nicht eigenmächtig abweichen, indem sie beispielsweise die Behandlungszeiten verlängern oder kostenpflichtige Zusatzangebote, zum Beispiel eine Wärmebehandlung, durchführen.

     

    MERKE | Therapeuten, die nur dann zeitnah Termine vergeben, wenn Patienten Zusatzangebote bei ihnen kaufen, verstoßen gegen Rahmenverträge und Heilmittelrichtlinien. Sie können von den Krankenkassen mit Vertragsstrafen belegt werden oder die Zulassung entzogen bekommen.

     

    Zusatzangebote sind rechtens

    Physiotherapeuten haben Spielräume für das Anbieten privat zu zahlender Zusatzangebote. Karl-Heinz Kellermann (SHV) meint dazu: „Das durchaus zulässige Angebot von Zusatzleistungen in den Heilmittelpraxen schließt die Lücke, die durch den wirtschaftlichen Druck des Gesetzgebers und der gesetzlichen Krankenkassen gegen die Ärzte aufgebaut wurde.“

     

    Wichtig für Physiotherapiepraxen mit Kassenzulassung ist es deshalb, das Angebot der Selbstzahlerleistungen klar von den ärztlich verordneten Heilmittelleistungen abzugrenzen. Sie sollten

     

    • darauf achten, dass Sie Ihre Selbstzahlerangebote als solche ganz klar kenntlich machen, zum Beispiel auf einem separaten Angebotsflyer.

     

    • Patienten, die mit behandlungsbedürftigen Krankheiten zu Ihnen kommen, keine Selbstzahlerleistungen zur Linderung der mit dieser Krankheit verbundenen Symptome anbieten.

     

    • bei Zusatzleistungen, die zur Linderung von Leiden eingesetzt werden, die Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes beachten, wenn Sie dafür werben.

     

    • Zusatzleistungen, vor allem aus den Bereichen Wellness und Fitness, in separaten Räumen oder außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten anbieten.

     

    • im direkten Anschluss an eine Heilmitteltherapie nur Selbstzahlerleistungen anbieten, die nicht im Heilmittelkatalog aufgeführt sind, um zu vermeiden, dass Sie in Verdacht geraten, die Heilmitteltherapie als Privatleistung weitergeführt zu haben.

     

    • einen Behandlungsvertrag für privat zu zahlende Leistungen mit den Patienten abschließen (siehe dazu auch die weiterführenden Hinweise). Der Behandlungsvertrag dient auch dazu, im Zweifelsfall belegen zu können, dass Sie ärztlich verordnete und Privatleistung strikt trennen.

     

    • daran denken, dass alle Einnahmen, die Sie mit Selbstzahlerangeboten erwirtschaften, der Umsatzsteuerpflicht unterliegen (nicht im Heilmittelkatalog aufgeführte: 19 Prozent, im Heilmittelkatalog aufgeführte: 7 Prozent).

    Berichterstattung über unzulässige Zusatzangebote

    Jede Branche leidet unter dem schlechten Ruf, der durch schwarze Schafe entsteht. Auch den Physiotherapeuten bleibt schlechte Presse durch Betrugsversuche Einzelner nicht erspart. Doch rechtfertigt dieser Missstand die Ausstrahlung eines Beitrags in einem Politmagazin, der alle Physiotherapeuten unter Generalverdacht stellt und ihnen zugleich fachliche Inkompetenz vorwirft?

     

    Der TV-Beitrag im Politmagazin report München hat für einen Aufschrei unter Physiotherapeuten gesorgt, weil die Tatsachenbehauptungen schlecht recherchiert, im besten Falle Halbwahrheiten, im schlimmsten Falle unzulässige Verallgemeinerungen waren, die alle Physiotherapeuten in Misskredit ziehen.

     

    • Redaktion von report München uneinsichtig

    Wir haben einige Fehler im Bericht von report München aufgespürt und die Redakteure um eine Stellungnahme gebeten. Die Antwort des Bayerischen Rundfunks haben wir am 16. Dezember 2014 auf unserer Facebookseite veröffentlicht, sodass Sie sich selbst ein Bild machen können. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Redaktion von unseren Fragen und den massenhaften Protesten nicht beeindruckt zeigt. Die Stellungnahme lässt nicht erkennen, dass die Redakteure verstanden haben, in einigen Punkten über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Karl-Heinz Kellermann (SHV) kündigt eine rechtliche Prüfung des Berichts an: „Journalistische Freiheit hat immer den Vorrang, es sei denn, es liegen eindeutige Verunglimpfungen vor. Dafür gibt es jedoch Anhaltspunkte.“

     

    Therapeuten haben auf der Internet- und Facebookseite von report München massenweise ihrem Ärger über die einseitige Berichterstattung Luft gemacht. Auch auf der Facebookseite von PP (www.facebook.com/pp.iww) wurde aufgeregt diskutiert. Dort finden Sie im Post vom 3. Dezember 2014 auch den Link zur Mediathek des Bayerischen Rundfunks, falls Sie sich den Bericht noch einmal ansehen möchten.

    Zahl der schwarzen Schafe unter einem Prozent

    Neben dem Vorsitzenden des ZVK-Landesverbandes Bayern, Rüdiger von Esebeck, kommt auch Ute Repschläger, die Vorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK) in der TV-Sendung zu Wort. Sie weist auf die prekäre Einkommenssituation hin und betont, dass sich Physiotherapeuten selbstverständlich an die gesetzlichen Bestimmungen halten müssen. Auf unser Nachfragen hin erklärt sie: „IFK-Mitglieder werden regelmäßig in den Verbandsmedien über die Rechtslage und die Auswirkungen von Fehlverhalten informiert. Wir machen Mitglieder bereits in unseren Statuten darauf aufmerksam, dass wir als Verband die Überdehnung von Kassenverträgen nicht dulden. Bei konkretem Fehlverhalten beraten wir daher zunächst, können aber im Endeffekt auch Mitglieder ausschließen, die in dieser Hinsicht nicht korrekt handeln.“ Sie hält jedoch, genauso wie Karl-Heinz Kellermann (SHV) die Zahl der Praxen, die unzulässige Zusatzangebote machen, für gering. Kellermann sagt: „Die Zahl der schwarzen Schafe schätzen wir auf unter ein Prozent.“

     

    Weiterführende Hinweise

    • Wenn Sie sich über die Rechtslage zum Anbieten von Zusatzleistungen ausführlich informieren möchten, finden Sie zahlreiche Beiträge unter dem Suchbegriff „Selbstzahlerleistungen“ in unserem Archiv unter www.pp.iww. Sämtliche Verbände haben eine Stellungnahme zum Fernsehbericht abgegeben. Wir haben sie auf unserer Facebookseite verlinkt.
    • Sie finden ein Muster eines Behandlungsvertrags unter www.pp.iww.de > Downloads > Musterverträge/-schreiben > „Muster eines Behandlunsgvertrags“
    Quelle: Ausgabe 01 / 2015 | Seite 3 | ID 43115072