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  • · Fachbeitrag · Ausbildungsabbrüche

    Häufige Gründe und wie Anwalt und Auszubildende dies vermeiden

    | Es ist schwierig geworden für Kanzleien, passenden Nachwuchs zu finden. Und vor allem: ihn auch zu halten. In den letzten 15 Jahren ging die Zahl der Auszubildenden bis auf wenige Ausnahmen kontinuierlich zurück. Eine abgebrochene Lehre heißt: Sowohl der Auszubildende als auch die Kanzlei haben vergebens viel Zeit und Mühe investiert. Es gibt jedoch viele Möglichkeiten, dies effektiv zu verhindern. |

    1. Zahl der Auszubildenden nimmt stetig ab

    Wie die folgende Grafik zeigt, hat sich im Jahr 2014 die Anzahl der Auszubildenden in den vier Rechtsberufen - verglichen mit dem Jahr 2000 - fast halbiert.

     

     

    Bricht ein Auszubildender seine Ausbildung in der Probezeit oder in der Zeit danach ab, verliert die Kanzlei eine künftige Fachkraft - oft aus vermeidbaren Gründen. Die Kanzleimitarbeiter können und sollten dies gezielt verhindern, sobald sich das Risiko abzeichnet. Die Zeit, die Sie verwenden, um den Auszubildenden fundiert auszubilden, macht sich spätestens bezahlt, sobald Sie einen fachkundigen Mitarbeiter gewinnen, der individuell auf die Arbeitsweise und Besonderheiten Ihrer Kanzlei abgestimmt ist. Häufige Gründe, weshalb die Ausbildung abgebrochen wird, zeigt die folgende Tabelle:

     

    • Häufige Gründe, die Ausbildung abzubrechen
    Aus Sicht des Auszubildenden
    Aus Sicht der Kanzlei
    • Er ist unzufrieden mit der Berufswahl, der tägliche Blick in die Akten „ist es nicht“.
    • Schulstoff ist schwierig; er versteht Gesetzestexte und Korrespondenz nur mühsam.
    • Ausbildung ist mangelhaft organisiert, es herrscht ein schlechtes Betriebsklima; Kollegen mobben; Kanzlei erwartet, dass Auszubildender Überstunden macht/er schafft die Arbeit nur mit Überstunden.
    • Auszubildender ist persönlich überlastet, wird kaum fachlich unterstützt und hat keinen Ansprechpartner.
    • Auszubildender zeigt keine Motivation oder hat schlechtes Sozialverhalten.
    • Auszubildender kommt zu spät oder fehlt häufig bei der Arbeit.
    • Schulleistungen des Auszubildenden sind unzureichend (er fehlt häufig, hat die Zwischenprüfung nicht bestanden).
    • Im Kanzleiteam herrschen Konflikte vor.
     

    2. So helfen die Rechtsanwaltskammern

    Mittlerweile werden verschiedene Anlaufstellen und Hilfen angeboten. „Unsere Kammer versucht zu helfen, wenn in der Kanzlei ein Ausbildungsabbruch droht“, sagt z.B. Rechtsanwältin Gabriele Hillmer von der Rechtsanwaltskammer Frankfurt/Main. Die Ausbildungsberaterin geht zu Beginn eines Ausbildungsjahrs, wie die anderen Ausbildungsberater auch, in die ReNo-Klassen der Berufsschulen und informiert die Schüler, dass sie sich bei Schwierigkeiten in der Ausbildung an sie wenden können. Auch Ausbilder machen davon Gebrauch. „Viele Abbrüche lassen sich vermeiden, wenn man für Auszubildende ein Praktikum anbietet oder ein paar Probe-Arbeitstage vor der Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages arbeiten lässt.“

     

    Hillmer hat auch schon Gespräche mit Ausbildern und Auszubildenden geführt, wenn der Auszubildende beabsichtigte, abzubrechen. „Dass kann man dann recht häufig kitten, z.B. wenn auf „Nachhilfe“-Möglichkeiten oder individuelle Beratungsangebote hingewiesen wird. Manchmal ist auch ein offenes Gespräch zwischen dem ausbildenden Rechtsanwalt und dem Auszubildenden ausreichend.“

     

    Die Rechtsanwältin trifft auch regelmäßig in Ausbilderarbeitskreisen mit Lehrkräften und Ausbildern zusammen. Dann werden allgemeine Rechtsfragen aus dem Ausbildungsverhältnis geklärt und Lösungen erarbeitet. Denn manche Schwierigkeiten tauchen immer wieder auf. Manchmal sei es auch notwendig, Ausbilder darauf hinzuweisen, dass die Ausbildung besser organisiert oder an der ein oder anderen Stelle verbessert werden könnte.

     

    PRAXISHINWEIS | Auszubildende wissen oft nicht, dass die jeweilige Kammer Hilfen anbietet. Die dortigen Berater kennen ausbildungstypische Konflikte, können vermitteln und Lösungen vorschlagen. Oft finden Sie z.B. auf der Website der zuständigen Anwaltskammer Hinweise auf Ansprechpartner und können Kontakt aufnehmen oder ein Gespräch vereinbaren.

     

    3. Wer hilft wie? So gehen Sie effektiv vor

    Auszubildenden kann auch noch auf andere Weise geholfen werden. Welcher Ausweg sich anbietet, erkennen Sie erst, wenn das Problem erkannt ist. Grenzen Sie es daher vor der Suche nach einer Lösung ein und entscheiden Sie dann, welcher Ansatz am sinnvollsten ist.

    • Berufsberater der Arbeitsagenturen: Setzen sich intensiv mit Auszubildenden auseinander, besprechen Vor- und Nachteile eines Abbruches, zeigen Alternativen auf (Diese können sich außerdem mit den Ausbildungsberatern der Rechtsanwaltskammern in Verbindung setzen.)

     

     

    • Rechtsanwaltskammer: zuständige Ansprechpartner/Ausbildungsberater über die Website der Kammern oder telefonisch erfragen

     

    • Projekt „Bildungsketten“: siehe bildungsketten.de (Initiative mit Förderinstrumenten für junge Menschen)

     

    • Ausbildungsbegleitende Hilfen: bei schulischen Problemen (Nachhilfe, Vorbereitung Prüfungen u.a.);
    • Ansprechpartner: Agentur für Arbeit (Infobroschüre), „Infobroschüre“: siehe iww.de/sl1749

     

    • Initiative VerA (=Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen):

     

    Ausbilder können einiges ändern, aber nicht sämtliche Probleme junger Berufsstarter lösen. Externe Hilfe ist empfehlenswert, wenn die Schwierigkeiten nicht oder weniger im fachlichen Bereich liegen. Die Initiative VerA (s.o.) kümmert sich deutschlandweit mit Ausbildungsbegleitern um junge Menschen. Eine VerA-Begleitung ist für Azubis und Ausbilder kostenlos. Dauer der Hilfe: Zwölf Monate und ggf. bis zum Abschluss der Ausbildung. VerA wird im Rahmen der Initiative Bildungsketten vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Sie gehen u.a. wie folgt vor: Sie bereiten auf Prüfungen vor und stärken das Selbstvertrauen und die Motivation der Auszubildenden, sie lösen sprachliche Schwierigkeiten und fördern die soziale Kompetenz.

    4. Relevanz für die Praxis

    Nicht immer ist die Ausbildung der Kern des Problems. Viele Auszubildende meistern problemlos den Schulstoff und werden in der Kanzlei geschätzt. Sie müssen jedoch vielleicht ein Elternteil pflegen oder kämpfen mit gesundheitlichen Schwierigkeiten. Es ist simpel: Nur wenn das Problem dem Ausbilder auch bekannt ist, können Lösungswege gefunden werden (z.B. eine schnelle Beratung vermitteln, wenn Eltern pflegebedürftig sind).

     

    Je früher Ausbilder und Auszubildender (regelmäßig) miteinander sprechen, umso besser. Die Vorteile: Konflikte schwelen nicht unnötig lange und der regelmäßige Austausch fördert das Verständnis für den anderen. Einige Kanzleien beziehen ihre Auszubildenden auch in die Bürobesprechungen ein und lassen sie Wünsche und Anregungen zur Ausbildungsorganisation einbringen. Bei der Wahl des Auszubildenden ist genauer hinzuschauen: Eignet er sich? Passt er in die Kanzlei? Probearbeitstage sind gewinnbringend. Besonders wichtig: Regelmäßige Kontrollen, sobald die Ausbildung beginnt. Das heißt: Der Ausbilder sollte sich ohne Einschränkungen alle Klausuren oder Tests vorlegen lassen. Spätestens nach dem ersten Halbjahr und noch vor der Zwischenprüfung sollte er die Berufsschule kontaktieren und nachfragen: Wie kommt der Azubi in den Fächern zurecht? Wo hakt es, und wie kann der Auszubildende unterstützt werden?

     

    Der Auszubildende sollte

    • einen festen Ansprechpartner für die schulische Ausbildung haben (idealerweise Auszubildende aus höheren Lehrjahren oder ausgelernte Kräfte, deren Ausbildung noch nicht lange zurück liegt und die den Schulstoff und die Lehrkräfte kennen).
    • regelmäßig angesprochen werden (Ausbildungsstand, Schwierigkeiten, notwendige Verbesserungen).

    5. Schlusspunkt: Die Ausbildungsvergütung

    Die Themen Gehalt und Ausbildungsvergütung wird unter Kanzleikräften regelmäßig diskutiert. Auch wenn sie nicht allein der Grund dafür sein sollten, eine Ausbildung abzubrechen, lässt sich kaum leugnen: Niedrige Vergütungen reizen auch nicht besonders. Schon gar nicht, wenn Auszubildende einen anspruchsvollen Beruf erlernen und zu einer wichtigen Arbeitskraft im Büro werden sollen. Eine Kanzlei, die z.B. höhere Vergütungen anbietet oder zumindest eine höhere in Aussicht stellt, wenn die Leistungen stimmen, signalisiert, dass sie sich für den Auszubildenden interessiert und seine Arbeit wertschätzt. Lässt die wirtschaftliche Situation der Kanzlei dies nur begrenzt zu, kann darüber nachgedacht werden, zusätzliche arbeitsfreie Tage oder Zusatzleistungen zu vereinbaren, z.B.:

     

    • Erstattung Monatskarte (Nahverkehr), BahnCard,
    • Berufsunfähigkeitsversicherung,
    • Kostenübernahme bzw. Zuschüsse für Seminare und Fachliteratur.

     

    Informationen im Internet:

     

    • Fachkräfte der Initiative Bildungsketten sowie Akteure kooperierender Förderprogramme tauschen sich auf der Lern- und Arbeitsplattform qualiboXX aus: qualiboxx.de - Sie können einfach und kostenlos mitmachen und sich anmelden unter qualiboXX

     

     

     

    Quelle: ID 43806213