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  • · Fachbeitrag · Behandlungsansätze

    Liebscher & Bracht und ihre „LnB-Methode“: Große Versprechen ‒ kaum Evidenz

    von Silke Jäger, Freie Journalistin für Gesundheitsinformationen, silke-jaeger.de

    | Roland Liebscher-Bracht und Petra Bracht sind mit einem Behandlungsansatz berühmt geworden, der viel verspricht. Durch die LnB-Methode sollen bis zu 80 Prozent der Schmerzen verschwinden, die Arthrose- oder Rückenschmerz-Patienten plagen. Für diese Behauptungen fehlt die Evidenz jedoch genauso wie für die Erklärmodelle, auf denen die Methode beruht. |

    Was die LnB-Methode verspricht

    „Ein schmerzfreies und gesundes Leben für jeden Menschen.“ So werben die Ärztin Petra Bracht und ihr Ehemann Roland Liebscher-Bracht für die LnB-Methode auf ihrer Website. Und nicht nur dort: Diverse Bücher, ein You-Tube-Kanal mit über 1,3 Mio. Abonnenten und unzählige Berichte in Zeitschriften und Fernsehsendungen haben das Duo berühmt gemacht.

     

    Mithilfe von drei einfachen Techniken ‒ Drücken, Dehnen und Rollen ‒ sowie einem persönlichen Übungsprogramm sollen Menschen mit Gelenk- und Muskelschmerzen innerhalb kurzer Zeit nahezu schmerzfrei werden können. Die Übungen können sie im Internet kostenfrei ansehen (Beitrag online vom 12.04.2022, Abruf-Nr. 480364-76). ‒ Geld verdient das Ehepaar mit Kursen, Büchern und den Hilfsmitteln, die man für die Übungen braucht, sowie mit Nahrungsergänzungsmitteln.

     

    Das Duo verspricht, mithilfe von Mobilisierungs- und Dehnungsmethoden und einer Triggerpunkt-, Faszienrollen und Wärmetherapie, Schmerzen effektiver als jede konventionelle Therapie behandeln zu können. Die Methoden sollen das durch Arthrose oder andere Muskel-Skelett-Erkrankungen eingeschränkte Bewegungsspektrum der Patienten erweitern. Dadurch könnten laut Liebscher und Bracht lebenslange Schmerzfreiheit erreicht und altersbedingter Verschleiß verhindert werden.

    Warum Therapeuten kritisch sein sollten

    Die Nachfrage nach LnB ist groß, denn viele Menschen mit muskuloskelettalen Erkrankungen leiden unter Schmerzen. Nicht selten werden die Schmerzen chronisch und beeinträchtigen die Lebensqualität enorm. Das große Interesse an der LnB-Methode kommt auch bei Physiotherapeuten an. Therapeutinnen, Heilpraktiker und Ärztinnen können sich nach einem Online-Seminar, einem dreitägigen Praxiskurs und einem Prüfungstag als LnB-Therapeut zertifizieren lassen und anschließend nach der LnB-Methode Patientinnen beraten und behandeln.

     

    Diese Kurse tragen das Label „anerkannte Zusatzausbildung“ und suggerieren so, dass die LnB-Methode mit anderen therapeutischen Methoden, wie z. B. der Manuellen Therapie, vergleichbar sei. Doch anders als die zahlreichen Medienberichte und positiven Erfahrungsberichte auf der Website nahelegen, lassen sich in medizinischen Datenbanken keine Studien finden, die die Behauptungen von Liebscher und Bracht belegen. Auch fehlt dem Duo der fachliche Hintergrund. Petra Bracht ist Fachärztin für Allgemein- und Ernährungsmedizin, Roland Liebscher-Bracht ist Wirtschaftsingenieur (Fachrichtung Maschinenbau).

    Für die Behauptungen fehlt Evidenz

    Ein kürzlich erschienener Artikel in der Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie listet die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Behauptungen von Liebscher und Bracht auf. [1] Darin kommen die Autoren zu dem Schluss, dass sowohl für die Aussagen zur Pathogenese der Beschwerden als auch zu deren Behandlung die wissenschaftliche Evidenz fehlt.

     

    • Umstrittene Behauptungen von Liebscher und Bracht
    • Die Autoren behaupten, dass bei der Entstehung von Arthrose Gene keine Rolle spielen. Die genetische Komponente der Arthrose ist jedoch in mehreren Studien, die seit 2007 erschienen sind, belegt.

     

    • Auch für die Behauptung, dass längeres Sitzen und Stehen sowie bestimmte Schlafpositionen zu einer Verkürzung der Muskulatur und einen erhöhten Druck in den Gelenken führe, fehlt der Nachweis. Bereits 2010 erschien eine Übersichtsarbeit, die keine einzige Studie identifizieren konnte, die einen Zusammenhang zwischen Rückenschmerzen, einer bestimmten Sitzposition und verkürzter Muskulatur belegt.

     

    • Dafür, dass Gelenkschmerzen durch Bewegungseinschränkungen und eine erhöhte Muskel- und Faszienspannung ausgelöst werden, lässt sich ebenfalls kein ursächlicher Zusammenhang finden. Stattdessen ist gut belegt, dass Deformität und Knorpelschaden Gelenkschmerzen auslösen und Bewegungseinschränkungen ein Symptom der Gelenkschädigungen sind.
     

    Was Patienten wissen sollten

    Das Autorenteam weist in seiner Analyse darauf hin, dass bei der Entstehung muskuloskelettaler Erkrankungen viele Faktoren zusammenwirken und einfache Erklärungsmodelle, wonach Muskelverkürzungen und Bewegungseinschränkungen allein für Beschwerden verantwortlich seien, in die Irre führen. Patienten mit schmerzhaften Krankheiten des Bewegungsapparats sollten daher von therapeutischer Seite darüber aufgeklärt werden, dass viele Faktoren zur Linderung der Beschwerden beitragen. So kann z. B. auch der natürliche Krankheitsverlauf neben und trotz konventionellen Therapiemethoden zum Nachlassen der Schmerzen führen. Außerdem gibt es weitere Kontextfaktoren, die in den Erklärungsmodellen von Liebscher und Bracht fehlen. Für einige ihrer Aussagen wurden die Autoren sogar inzwischen abgemahnt. [2]

     

    Quellen

    • [1] Suda et al. Keine Evidenz für die biomechanischen und pathophysiologischen Erklärungsmodelle muskuloskelettaler Erkrankungen nach Liebscher & Bracht. Z Orthop Unfall 2022; 160 (01): 13‒18. doi.org/10.1055/a-1716-2274
    Quelle: Ausgabe 07 / 2022 | Seite 19 | ID 48398395