· Fachbeitrag · Erfahrungsbericht
Schlammschlacht mit Hindernissen auf 12 km ‒ das etwas andere Teambuilding
| Am 16.09.2023 fanden bei bestem Sommerwetter die Mud Masters 2023 in Weeze (bei Kevelaer, NRW) statt. Bei dem Extrem-Hindernislauf über Distanzen bis zu 42 km startete etwa eine Million Action-Verrückter, darunter auf 6, 12 und 16 km auch zwölf Beschäftigte des IWW Instituts. Ein Bericht von PP-Redakteur Stefan Lemberg (Fotogalerie online unter iww.de/s8864 ). |
START
Mit 400 anderen Verrückten stehe ich zusammengepfercht vor dem Starttor. „WER WILL HEUTE LEIDEN?“, plärrt der Einpeitscher ins Megafon. Ich muss ‘nen Vollknall haben, hier mitzumachen. Und dann auch noch gleich die 12 km. Übermorgen wird das Metall aus meinem verschraubten Oberschenkel entfernt. Fahrradunfall vor knapp anderthalb Jahren. Egal. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. „MACHT EURE SCHUHE FEST ZU!!!“, ruft der Einpeitscher. Worauf habe ich mich im Februar in bierseliger Laune beim Grünkohlessen bloß eingelassen? „UND DENKT DRAN: JEDER HILFT HIER JEDEM. IHR SEID HEUTE EIN TEAM. WAS SEID IHR? … EIN?“ ‒ „TEEEEAAAAM!!!“ Gänsehaut pur. Mallorca-Mucke für den Warm-up, dann der Countdown: „DREI … ZWEI … EINS … LOOOOS!“ Treppen rauf, Treppen wieder runter. Hügel rauf, Hügel runter. Das Ganze noch mal. Die Sonne knallt, als wäre es Mitte Juli. Warum zum Henker habe ich bloß lange Sachen angezogen? Immerhin war ich so schlau, mir ein Bandana umzubinden. Ich bin Anfang 50, und auch bei mir zeigen sich erste kahle Stellen auf dem Kopf. 1 km geschafft. Vorn ist ein Schild:
WALK THE PLANK
Aha. Die gute alte Schubkarre aus der Turnstunde in der Schule. Ich packe die Fußknöchel einer Kollegin und ab die Post. Wechsel. Zum Glück habe ich in den Armen keine Schrauben. Geschafft! Und weiter. Wieder ein Schild:
MUD CRAWL
Niedrige Kriechgänge, obendrüber Stacheldraht. Werfe mich zu Boden. Ziehe mich nur mit den Armen nach vorn. Jetzt wird mir klar, wie sinnvoll es war, lange Sachen anzuziehen. Mache mich ganz flach. Und doch bleibt mein Bandana zweimal im Stacheldraht hängen. Okay. Draußen. Und weiter…
MUD HILL
Da ist er endlich, der Schlamm! Den Abhang runter eher im Rutschen als im Gehen. Unten brusttiefe braune Brühe. Auf der anderen Seite wieder rauf. Erst mal können! Zum Glück ist da ein Seil. Und doch falle ich zweimal hin. Und spätestens jetzt habe ich von oben bis unten die Farbe von Milchkaffee. Geschafft! Wieder runter. Weiter vorn ist ein Teich. Der Schlamm geht auch im Wasser kaum ab. Wenigstens ist die Hitze nach dem Bad nun auszuhalten.
CAPSIZE
Eine drehbare Holzkiste in einem Wasserbecken. An der Oberkante festhalten, die anderen drehen. Dank fingerlosen Handschuhen habe ich genug Grip. SPLASH! Lande im Wasser und knicke fast um. Pass auf, Mann! Nicht dass noch was kaputtgeht. Und weiter. Klitschnass, aber wieder richtig sauber. In meinen Schuhen quatscht es nun unüberhörbar. Ziehe erst mal die Kordel meiner Leggings fester. Denn die hätte ich eben beinahe im Schlamm verloren. Vorn ist eine Snackstation. Geschnittene Bananen. Eine reicht. Und Wasser. Drei Pappbecher auf ex. Und weiter. Vorn stockt es plötzlich.
GREAT WALLS
Glatte Holzwände, die erste drei Meter hoch. Helfende Hände machen die Leiter, andere ziehen von oben. Auf der anderen Seite runter. Knifflig, aber geschafft. Zweite Wand: vier Meter. Gleiches Spiel. „Komm, Schnucki!“, ruft mir ein bulliger Typ freundlich zu. Ich geb‘ dir gleich Schnucki!, denke ich, während der Typ mich hochwuchtet. Knalle mit dem Brustkorb oben voll auf die Kante. Das gibt morgen ‘nen schönen blauen Fleck. Runter geht’s diesmal einfacher. Lande sicher auf beiden Beinen. Und auch die anderen sind drüben. Wir laufen weiter bis zum nächsten Hindernis:
THE FLYER
„Oh nein! Die Rutsche!“, ruft jemand. Die Stahlrohrtreppe Schritt für Schritt rauf. Bloß nicht nach unten sehen. Ich habe Höhenangst. „Mann, die Treppe wackelt!“ Halt die Klappe, denke ich, dann wackelt sie auch nicht! Endlich oben. Anstellen. Dann hinsetzen. Alter Schwede, ist das hoch! „Arme und Beine überkreuzen!“, sagt der Einweiser. Und LOS! Runter komme ich nur mit Schreien: „YYYEEEEOOOWW!!!“ Und PLATSCH! Die braune Brühe schlägt über meinem Kopf zusammen. Mindestens einen tiefen Schluck habe ich genommen. Und raus … Weiter vorn gleich die
MONKEY BARS
Hangeln über ‘nem Wasserbecken. Zwei Stangen schaffe ich. Nächstes Mal im Fitnessstudio unbedingt Klimmzüge üben! Und beim Latzug mehr Gewicht draufpacken, denke ich, während ich wieder mal ins Wasser falle. Die erneute Erfrischung ist mir sehr recht!
LOAD CARRY
Mit einem 10-Kilo-Sandsack auf den Schultern geht es einen Hügel runter ‒ und wieder rauf. So langsam melden sich die Schrauben in meinem linken Bein …
CLAUSTROPHOBIA
Wassergräben, eine Handbreit über dem Wasser vergittert. Ziehe mich rücklings durch das Wasser, Gesicht nach oben, Ohren unter Wasser. Creepy.
UPS AND UNDERS
Schenke ich mir, mit Rücksicht auf mein verschraubtes Bein. Wer bitte ist so bekloppt und überklettert einen hohen Holzbalken, wenn er auch gebückt darunter durchgehen kann? Und wer krabbelt unter einem Balken durch, wenn ein großer Schritt genügt?
SUBMARINE
Auf Händen und Knien durch Stahlröhren, die halbvoll mit Wasser sind. Längst ist mir klar, warum lange Klamotten bei den MUD MASTERS mehr als sinnvoll sind. Sonst wären meine Knie und Ellenbogen längst Hackfleisch.
HANG OUT
Wir tragen die leichteste von uns auf einer Kunststoffplane etwa 200 Meter weit. Wäre besser, Ihr würdet MICH tragen, denke ich. Denn mein linkes Bein hat jetzt langsam genug. Sage aber nichts, dafür bin ich zu stolz. Hätte ich jetzt mein Cross-Bike hier, dann würde ich euch allen was vorstrampeln!
BUDDY CARRY
Huckepack lasse ich aus. Denn kein erwachsener Mensch wiegt nur 15 Kilo. Und mehr zu tragen, hat mir der Arzt verboten. Verdammte Hitze! Langsam könnte mal wieder ein Hindernis mit Wasser kommen. Da!
EXECUTION
Kleiner als die Rutsche, aber fieser: Treppen rauf. Oben ein Klappbrett. Der Kollege und ich stehen nebeneinander. KLACK! macht die Falltür und ‒ PLATSCH! Wieder schlägt die braune Brühe über mir zusammen. Prustend wieder raus. Jetzt habe ich das Zeug auch noch in der Nase …
PIPE RUN
Nehme die kleine Ausführung. Sprinte los. Hechte bis zum Holzbalken und ziehe mich gerade so hoch. Und weiter…
THE SIZZLER
ist eine Holzplattform, unter der man durchkriechen soll und die mit herabhängenden Stromkabeln versehen ist. Das Teil ist entweder kaputt oder ich bin zu schlau. Elektroschocks sind Fehlanzeige. Alle da? Ja! Da vorn ist das
FINISH
Unter Jubel laufen wir ein: Ziellinienfoto, greife mir ein Finish-Shirt, bekomme ein alkoholfreies Radler in die Hand gedrückt. „Irgendwie kommt man sich hier total wichtig vor!“, ruft jemand. Mehr noch: Wir sind ab sofort LEGENDEN! Steht zumindest in dunkelgelben Lettern auf dem auberginefarbenen T-Shirt.