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  • · Fachbeitrag · Unternehmertum

    „Das Gesundhaus ist ein lebendiger Raum für zukunftsfähige Medizin und Gesundheit!“

    | Christine Bergmair vereint in sich die Leidenschaften für Management und Medizin. Aufgewachsen in einer Landwirt- und Unternehmerfamilie absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin, danach einen Studiengang in Corporate Management & Economics und anschließend ein Studium der Osteopathie. Inzwischen hat sie die Leitung des elterlichen Landhandelsbetriebs übernommen und plant im schwäbischen Ort Steindorf, im Dreieck München ‒ Augsburg ‒ Ammersee gelegen, ein neues Projekt: Auf 12.000 qm entsteht unter dem Label „i-Tüpferl“ (i-tuepferl.de) ein Gesundhaus, ein Ort der Behandlung, der Begegnung und des Austauschs. PP-Redakteur Stefan Lemberg sprach mit Frau Bergmair über das Projekt. |

     

    Frage: Frau Bergmair, warum haben Sie sich für ein Studium der medizinischen Osteopathie entschieden?

     

    Antwort: Medizin hat mich immer schon fasziniert, ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, in einer Klinik zu arbeiten. So studierte ich Wirtschaftswissenschaften und interessierte mich für unterschiedliche Bereiche im Gesundheitswesen: ob Klinikmanagement, Gesundheitsministerium oder AIDS-Hospiz in Südafrika ‒ ich wollte verstehen, wie das System funktioniert. Um direkt mit Menschen zu arbeiten, entschied ich mich für ein weiteres Studium: der Osteopathie. Ich war fasziniert davon, den Körper als vernetzte Einheit mit Geist und Seele zu sehen und Menschen auf natürliche Weise zu begleiten.

     

    Frage: Wie würden Sie Ihre unternehmerische Philosophie beschreiben?

     

    Antwort: Leben ist für mich Bewegung! An den unterschiedlichen Positionen, die ich kennenlernte, fehlte mir eine Dynamik im Gesundheitswesen, die darauf ausgelegt ist, dass der Mensch im Mittelpunkt steht sowie zukunftsfähige und innovative Ideen agil weiterentwickelt und angepackt werden. Der Gedanke der Vernetzung, den ich in beiden Studiengängen kennenlernte, ist dabei für mich zentral: Alles hängt zusammen, kann sich gegenseitig bedingen, und gleichzeitig ist für mich aktive Zusammenarbeit, Austausch und Interdisziplinarität der Schlüssel für Weiterentwicklung. Im Miteinander zu arbeiten und Kompetenzen zu vernetzen mit der Vision, dadurch auf einer tiefen Ebene Prozesse zu entfalten, bereitet mir große Freude. Als Unternehmerin meiner Generation ist für mich zudem die Umsetzung mit nachhaltigen Lösungen, also Wirtschaften in und mit der Natur, unumgänglich und gleichzeitig eine Herzensangelegenheit.

     

    Frage: Sie planen in Steindorf ein Gesundhaus. Was ist darunter zu verstehen?

     

    Antwort: Meine Vision ist es, mit unterschiedlichen Ärzten, Therapeuten, Naturheilkundlern, Gesundheits- und Sozialberufen unter einem Dach interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Dafür habe ich ein modernes Praxishaus aus eigener Initiative heraus gebaut: ein ökologischer Holzneubau, technisch auf höchstem Stand, Praxisräume mit geteilten Gemeinschaftsflächen und der Option zu Praxis-Sharing, ein Seminarraum für Veranstaltungen rund um Gesundheit & Prävention und zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von Fachpersonal sowie eine große Außenanlage für Kurse und Erleben in der Natur. In gemeinsamen Fallbesprechungen sollen Diagnosen und Therapien weiterentwickelt sowie Menschen umfassend und ganzheitlich begleitet werden. Ich wünsche mir, dass die Menschen, die zu uns kommen, moderne Medizin sowie ganzheitliche Gesundheit erfahren und spüren können.

     

    Frage: Warum braucht es in Steindorf überhaupt ein Gesundhaus?

     

    Antwort: Steindorf ist eine schwäbische Gemeinde mit knapp 1.000 Einwohnern. Wir liegen ländlich, sind aber gleichzeitig im Einzugsgebiet der Metropole München sowie der Großstadt Augsburg. Im Dreieck zwischen Augsburg, Landsberg und Fürstenfeldbruck stoßen wir an zwei andere Landkreise, außerdem befinden wir uns direkt an der Grenze zu Oberbayern. Für medizinische Angebote müssen aktuell meist längere Wege in Kauf genommen werden. Starker Zuzug durch vor allem auch junge Familien aus München führt dazu, dass die knappen Gesundheitsangebote in der Region für eine noch größere Personenanzahl ausreichen müssen. Der demografische Wandel bei Hausärzten, Fachkräftemangel bei Therapeuten und in der Pflege verschärfen dieses Problem zunehmend. Aktuell sind beispielsweise 4,5 Kassensitze für Allgemeinmedizin frei. Der medizinische Bedarf sowie die wohnortnahe Versorgung sind hoch, gleichzeitig ist ein großer Wunsch nach dynamischer Weiterentwicklung der Gesundheit da. In Steindorf und der Umgebung wird ein Angebot geschaffen, das es noch nie gegeben hat.

     

    Frage: Was ist Ihre Vorstellung von Gesundheit?

     

    Antwort: Gesundheit ist für mich ein Prozess und Weg hin, sein eigenes Potenzial auf der körperlichen, geistigen und seelischen Ebene zu erfahren und zu leben.

     

    Frage: Welche Klientel möchten Sie mit dem Gesundhaus ansprechen?

     

    Antwort: Das Gesundhaus ist ein Ort, wo Menschen jeden Alters und mit unterschiedlichen Beschwerden Raum für Begleitung finden. Durch die Vernetzung wollen wir alle Ebenen ‒ Körper, Geist und Seele ‒ ansprechen. Wir sehen uns als zentrale Anlaufstelle im ambulanten Bereich, wenn unsere Angebote nicht ausreichen, vermitteln wir gerne an unsere Netzwerkpartner weiter. Ziel ist es, Kassen- und Privatleistungen zu verbinden und durch wissenschaftliche Begleitung und Kontakt mit den Krankenkassen auch neue Wege der Versorgung zu entwickeln und in die Leistungskataloge zu integrieren.

     

    Frage: Rezession, Inflation, Kriege und Klimawandel dominieren zurzeit jede Diskussion rund um Wirtschaftsthemen. Was motiviert Sie, trotz dieser widrigen Rahmenbedingungen Ihr Projekt in die Tat umzusetzen?

     

    Antwort: Über fünf Jahre dauerte der ganze Prozess von der ersten Idee über Gemeinderatssitzungen, Gutachten, Bebauungspläne usw. bis zum fertigen Gebäude, das nun mit Leben gefüllt werden kann. Die Baugenehmigung erhielt ich ca. drei Wochen, nachdem der Ukraine-Krieg begann. Es war keine leichte Entscheidung, zu dieser Zeit mit dem Bau zu beginnen: schlechte Warenverfügbarkeiten, steigende Zinsen, unsichere Zeiten. Trotzdem entschied ich mich dazu. Ich hatte bereits davor beschlossen, ausschließlich mit regionalen Baufirmen zusammenzuarbeiten, die in der Krise alle zusammenhielten und mir Preise in einer Zeit zusicherten, in der alles unsicher wurde. Für mich ist das Projekt eine große Herzensangelegenheit, die Vision kommt tief aus meinem Inneren und ich freue mich, in der Berührung mit anderen Medizinern das Konzept weiterzuentwickeln und Menschen auf umfassende Weise zu begleiten. Schlaflose Nächte gehören natürlich dazu, denn so ein Projekt ins Laufen zu kriegen und Veranstaltungsformate zu etablieren, geht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein fortwährender Prozess.

     

    Frage: Was verstehen Sie unter Erfolg?

     

    Antwort: Erfolg ist für mich nicht das Streben nach Leistung und Profit. Im Vordergrund steht für mich die Freude am Miteinander und der Entwicklung und den eigenen Herzenswünschen und Visionen treu zu bleiben, dann darf sich in der Folge Erfolg einstellen, in dem Sinne, dass die eigene Leidenschaft für Menschen spürbar und inspirierend ist und deshalb Angebote gerne angenommen werden.

     

    Frage: Nicht immer führt eine Unternehmung zum gewünschten Ergebnis. Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?

     

    Antwort: Ja, es gibt immer beide Seiten einer Medaille. Es gab immer wieder Rückschläge, mit denen ich mich auseinandersetzen musste: Ob negative Stimmen gegen mein Konzept, ein Wasserschaden drei Wochen vor geplanter Eröffnung, es ist letztlich die Frage, wie man mit Verlust umgeht! Ich selbst hatte das große Glück, vor zehn Jahren zwei Therapeuten kennenzulernen, die mit initiatischer Therapie und systemischer Selbstintegration Menschen begleiten. Für mich ein großes Geschenk: Die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des Lebens hat mich stets dazu gebracht, auf der emotionalen Ebene und in meinem Kern einen gesunden Umgang zu finden. So haben diese Herausforderungen immer wieder dazu geführt, dass ich mich selbst weiterentwickeln konnte und ein Stück weit erfahrener, mit mir selbst verbundener, entschiedener und erwachsener wurde.

     

    Frage: Wo wollen Sie mit dem Gesundhaus in den nächsten fünf Jahren stehen?

     

    Antwort: In fünf Jahren ist es mir gelungen, Ärzte für mein Haus zu finden, die Freude an der interdisziplinären Zusammenarbeit haben. Die therapeutischen und medizinischen Angebote haben sich gefestigt und etabliert, es ist ein Team zusammengewachsen, das Freude am Miteinander hat. Der Seminarraum bietet Raum für Begegnung, Austausch und Veranstaltungen, die gut besucht werden. Das Gesundhaus ist ein lebendiger Raum für zukunftsfähige Medizin und Gesundheit!

     

    Frau Bergmair, vielen Dank für das Gespräch!

    Quelle: Ausgabe 04 / 2024 | Seite 18 | ID 49950243