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  • · Fachbeitrag · Personal

    Wie Führungskräfte das Stresserleben der Angestellten positiv beeinflussen können

    von Katja Löffler, M. Sc. Wirtschaftspsychologie, Dipl.-Kffr. (FH), Grasbrunn

    | Die angespannte Personalsituation sowie Preissteigerungen und andere wirtschaftliche Unwägbarkeiten gehen auch an Physiopraxen nicht spurlos vorbei. Dies führt zu einer Dauerbelastung für die Praxisteams ‒ und eine Besserung der Gesamtlage ist aktuell nicht in Sicht. So ist gerade jetzt ein gesundheitsförderlicher Führungsstil für eine Stressreduktion essenziell. Praxisinhaber beeinflussen nämlich entweder direkt durch ihr eigenes Verhalten oder indirekt durch die Arbeitsbedingungen in der Praxis die Gesundheit und das Stresserleben ihrer Mitarbeiter. |

    Was ist eigentlich Stress und wie entsteht er?

    Auch wenn in der Fachliteratur gelegentlich darauf verwiesen wird, dass Stress sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben kann, werden in erster Linie die negativen Folgen von Stress für die Gesundheit und das Wohlbefinden untersucht. Stress wird in diesem Fall als „unangenehmer Spannungszustand“ beschrieben, der dann entsteht, wenn die Betroffenen glauben, eine belastende Situation nicht vollständig bewältigen zu können.

     

    Ob bzw. wie intensiv eine Person Stress erlebt, ist individuell sehr unterschiedlich. So können exakt dieselben Faktoren bei der einen Person zu Stresserleben führen, die andere Person nimmt dagegen kaum oder gar keinen Stress wahr. Das liegt an den individuellen Bewältigungsstrategien und Widerstandsressourcen, die wir uns im Laufe unseres Lebens angeeignet haben. Allerdings gibt es auch solche Faktoren, die bei sehr vielen Menschen Stress auslösen, die sogenannten Stressoren.

     

    Übersicht / Häufige Stressoren

    • Zeitdruck durch hohe Arbeitsbelastung
    • Häufige Arbeitsunterbrechungen
    • Lärm, z. B. durch Telefone, Drucker, Trainingsgeräte, Patienten
    • Unklare Arbeitsanweisungen
    • Schlechtes Betriebsklima, Mobbing
    • Unzuverlässige Dienstpläne und Überstunden
    • Geringe Arbeitszufriedenheit
    • Schlechter Führungsstil, z. B. durch mangelnde Wertschätzung, Ungerechtigkeit, mangelndes Vertrauen, Manipulation, launisches Auftreten, Wutausbrüche
     

    Folgen von Dauerstress

    In belastenden Situationen werden vermehrt Stresshormone wie z. B. Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Dies führt zu einer höheren Herzfrequenz, steigendem Blutdruck, erhöhter Muskelspannung oder einem steigenden Blutzuckerspiegel. Durch die dabei freigesetzten Energiereserven sind wir in der Lage, in Gefahrensituationen schnell zu reagieren. Sobald die belastende Situation wieder vorüber ist, werden die Stresshormone abgebaut und der Körper kommt zur Ruhe.

     

    Halten stressige Phasen allerdings längere Zeit an oder wiederholen sie sich häufig, werden die Stresshormone nicht mehr abgebaut, sondern wirken weiterhin im Körper. Im Laufe der Zeit verliert der Körper die Fähigkeit, wieder in den Ruhezustand zurückzufinden. Dies führt zu chronischem Stress und langfristig zu zahlreichen psychosomatischen Störungen, z. B. Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Muskel- und Skeletterkrankungen, Nacken- und Rückenschmerzen oder Herzerkrankungen. Das Risiko für einen Burn-out, Schlaganfall und Herzinfarkt nimmt zu und damit auch für arbeitsbedingte Ausfallzeiten. Aufgrund steigender Fehlzeiten entstehen für Physiopraxen hohe Kosten. So leiden nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Unternehmen unter den Folgen von Dauerstress.

     

    MERKE | Führung sollte nicht nur Ziele wie z. B. Wachstum, Umsatz oder Rendite im Blick haben, sondern auch den Mitarbeitern nutzen. Untersuchungen zeigen, dass gute Führung nicht nur das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit der Angestellten verbessert, sondern auch deren Leistungsfähigkeit steigert.

     

    Stressreduzierende Arbeitsbedingungen

    Da neben den individuellen Ressourcen auch die Arbeitsbedingungen Einfluss auf das Stresserleben der Angestellten haben, obliegt es den Praxisinhabern, für ein gesundheitsförderliches Arbeitsumfeld zu sorgen. Sie haben es in der Hand, die Arbeitsumgebung so zu gestalten, dass

     

    • unterbrechungsfreies Arbeiten ohne unnötige Lärmbelästigung möglich ist,
    • ergonomische Arbeitsgeräte vorhanden sind und
    • Aufgaben eindeutig verteilt, Verantwortlichkeiten definiert und Arbeitsaufträge klar kommuniziert werden.

     

    Außerdem sind Angestellte, die soziale Unterstützung durch ihre Vorgesetzten und Kollegen erhalten, eigene Handlungsspielräume bekommen sowie Anerkennung und Wertschätzung erfahren, besser gegen Stress gewappnet. Im Praxisalltag entstehen Widerstandsressourcen gegen Stress z. B. auch dann, wenn Abläufe transparent und die benötigten Arbeitsmittel sowie das notwendige Wissen vorhanden sind, um die Arbeit gut bewältigen zu können.

    Die Führungskraft als gesundheitsbewusstes Vorbild

    Mitarbeiter nehmen ihre Führungskräfte als Vorbilder wahr und orientieren sich an deren Verhaltensweisen im Positiven wie im Negativen. Vielen Führungskräften ist allerdings nicht bewusst, wie stark ihr eigenes Verhalten das Stresserleben der Mitarbeiter beeinflusst. Neue Studien liefern eindeutige Hinweise darauf, dass Führungskräfte, die auf ihre eigene Gesundheit achten und sich selbst gesundheitsbewusst verhalten, die also einen hohen Grad an Selbstfürsorge zeigen, auch positiv auf die Gesundheit der Geführten wirken.

     

    Übersicht / Bestandteile der Selbstfürsorge

    Hohe Selbstfürsorge besteht, wenn die Führungskraft

    • bei Krankheit zu Hause bleibt,
    • regelmäßige Pausen einlegt,
    • nicht zu viele Überstunden macht,
    • einen Ausgleich durch Familie, Freunde oder Sport wahrnimmt,
    • sich gesund ernährt,
    • ausreichend schläft,
    • gesundheitliche Warnsignale wie Schlafstörungen, Muskelverspannungen, Konzentrationsstörungen etc. rechtzeitig erkennt,
    • Entspannungstechniken ‒ z. B. Yoga oder Meditation ‒ nutzt,
    • durch Mentaltraining die Gedanken auf etwas Positives lenkt,
    • sich mit vertrauensvollen Kollegen oder einem Mentor austauscht.
     

    Die Führungskraft als ethisch-moralisches Vorbild

    Indem Führungskräfte nach ethisch-moralischen Prinzipien handeln und eine Vorbildfunktion einnehmen, steigen Glaubwürdigkeit, Respekt und das Vertrauen der Mitarbeiter in die Führungskraft. Die Mitarbeiter machen sich die Werte, Normen und langfristigen Ziele des Unternehmens zu eigen. In der Folge steigen auch die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden. Die psychische Gesundheit der Angestellten verbessert sich.

     

    Übersicht / Eigenschaften einer vorbildlichen Führungskraft

    Die Führungskraft ist ein Vorbild, wenn sie

    • ihre eigenen Interessen zum Wohle des Teams zurückstellt,
    • über ihre wichtigsten Überzeugungen und Werte spricht,
    • nach ihren Werten und Überzeugungen handelt,
    • achtsam mit der eigenen Gesundheit umgeht,
    • erkennt, wenn es einem Mitarbeiter nicht gut geht.
     

    Individuelle Unterstützung durch die Führungskraft

    Führungskräfte, die auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter eingehen, können einen positiven Beitrag zur Vorbeugung von Arbeitsstress leisten. Untersuchungen belegen, dass gerade die individuelle Unterstützung durch die Vorgesetzten eine wichtige Widerstandsressource gegen Stress darstellt.

     

    Übersicht / Maßnahmen individueller Unterstützung

    Vorgesetzte sollten deshalb

    • den Mitarbeitern aktive Hilfestellung anbieten,
    • die Anregungen der Mitarbeiter aufmerksam annehmen,
    • deren Wünsche und Bedürfnisse kennen,
    • sie individuell nach ihren Fähigkeiten fördern,
    • ihnen helfen, ihre Stärken auszubauen,
    • sich Zeit für die Mitarbeiter nehmen,
    • als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
     

    MERKE | Werden Arbeitsaufgaben und -abläufe besser erklärt, werden sie auch besser verstanden. Werden Entscheidungen transparent gemacht und nachvollziehbar kommuniziert, erscheinen den Mitarbeitern auch Probleme lösbarer oder Neuerungen sinnhafter.

     

    Weitere Gesundheitsressourcen

    Studien belegen außerdem die positiven Effekte, die selbstbestimmtes Handeln, wahrgenommene Gerechtigkeit, Wertschätzung, Anerkennung, die Möglichkeit der Mitbestimmung sowie eigene Entscheidungsspielräume auf die Gesundheit der Angestellten haben. Somit können Führungskräfte durch ihr Verhalten dazu beitragen, dass belastende Situationen entweder gar nicht entstehen oder die Mitarbeiter diese nicht als Stress empfinden. Zu den positiven Nebeneffekten gehört: Führungskräfte, die ein Vorbild sind und Vertrauen aufbauen, eine attraktive Zukunftsvision vermitteln, die Kreativität und Teamgeist fördern und die Geführten individuell unterstützen, haben bessere Beziehungen zu den Mitarbeitern und schaffen es, diese zu Höchstleistungen anzuspornen.

    Selbsttest für Führungskräfte

    Mit der folgenden Checkliste nehmen Führungskräfte dem Stress den Schrecken:

     

    Checkliste / für Führungskräfte

    • Interessiere ich mich für meine Mitarbeiter?
    • Wie wichtig ist mir deren Arbeitszufriedenheit?
    • Kenne ich die Stärken und Schwächen meiner Mitarbeiter?
    • Berücksichtige ich ihre individuellen Bedürfnisse, Fähigkeiten und Wünsche bei der Aufgabenverteilung?
    • Fördere ich sie und biete ihnen Weiterbildungen an?
    • Unterstütze ich sie bei der Lösungsfindung?
    • Vertraue ich ihnen, dass sie die Arbeit bestmöglich machen?
    • Bin ich für sie da, wenn sie Hilfe brauchen?
    • Gebe ich ihnen regelmäßig Rückmeldung?
    • Lobe ich sie bei Erfolgen?
    • Kommuniziere ich offen, ehrlich und für jeden transparent?
    • Wie wichtig ist mir die Gesundheit meiner Mitarbeiter?
    • Erkenne ich, wenn es Mitarbeitern nicht gut geht?
    • Über- oder unterfordere ich sie?
    • Haben wir eine tolerante Fehlerkultur?
    • Behandele ich meine Mitarbeiter so, wie ich selbst gerne behandelt werden möchte?
     

    Quellen

    • Eppinger, U. (2022). Harte Zeiten? So schützen Sie Mitarbeiter vor Überlastung ‒ ein ausgezeichnetes Antistress-Programm (nicht nur) für Chefs. In: Medscape, abgerufen unter: iww.de/s6131
    • Nerdinger, F., Blickle, G. & Schaper, N. (2014). Arbeits- und Organisationspsychologie. Springer: Berlin
    • Struhs-Wehr, K. (2017). Betriebliches Gesundheitsmanagement und Führung. Springer Fachmedien: Wiesbaden
    Quelle: Ausgabe 01 / 2025 | Seite 17 | ID 50263618