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  • · Fachbeitrag · Vergütung

    PhysioPraX-Gutachten 2016: durchwachsene Tendenz

    von Alexandra Buba M. A., Wirtschaftsjournalistin, Fuchsmühl

    | Oft entspringt ein Ergebnis erst dem Vergleich ‒ das gilt besonders für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Diese gibt es für die Physiotherapie als „PhysioPrax“-Gutachten, das gerade neu veröffentlicht wurde. Mit an Bord ist im aktuellen Gutachten neben PHYSIO-DEUTSCHLAND und dem Verband Physikalische Therapie (VPT) erstmals auch der IFK Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten e. V., der seine Wirtschaftlichkeitsumfrage integriert hat. Das verschafft „PhysioPrax 2.0“ zwar eine breitere Datenbasis, erschwert aber den Vergleich zu den Vorjahren. In Teilbereichen ist er dennoch statthaft ‒ und offenbart dort zumindest keine Verschlechterung. |

    Von Bayern auf Bundesebene

    Vergleiche hinken generell, doch besonders dann, wenn Antworten verschiedener Therapeuten miteinander verglichen werden. Das regelmäßig erstellte „PhysioPrax“-Gutachten der Verbände als Gradmesser für eine Veränderung der wirtschaftlichen Situation der Branche zu sehen, funktioniert nicht. Denn zum einen nehmen aus den durchführenden Verbänden nicht immer dieselben Praxen teil, zum anderen wurde die Datenbasis für die „PhysioPrax“-Umfrage zuletzt erneut erweitert, da nunmehr auch der IFK das Projekt unterstützt.

     

    MERKE | Dadurch, dass die Befragtenpopulationen von Erhebung zu Erhebung variieren, können die Ergebnisse von Analyse zu Analyse sehr unterschiedlich ausfallen. Dabei weisen die Ersteller selbst lediglich darauf hin, dass die Vergleichbarkeit in den Jahren 2009 bis 2013 problematisch sei. Denn zu diesem Zeitpunkt waren ausschließlich Praxen aus dem Gebiet des Landesverbands Bayern von PHYSIO-DEUTSCHLAND an der Umfrage beteiligt. Bundesweite Daten gibt es erst seit dem Analysejahr 2015, d. h. seit der Auswertung 2018 (PP 06/2018, Seite 3).

     

    4,9 Vollzeittherapeuten pro Praxis

    Der Teilnehmerkreis ist also ein unterschiedlicher. Bei den Abweichungen der Ergebnisse von tatsächlichen Entwicklungen auszugehen, ist demnach weiterhin verkehrt. Tendenzen abzulesen hingegen scheint statthaft, da eine Reihe von Parametern ‒ etwa die Umsatzgrößen oder Mitarbeiterausstattung ‒ vergleichsweise konstant vorkommt. Somit sind die teilnehmenden Praxen zwar nicht identisch, aber wohl vergleichbar.

     

    Das legt etwa der Blick auf die vergleichsweise identische Durchschnittsgröße nahe, die sich in der Anzahl der Beschäftigten der teilnehmenden Praxen ausdrückt: Das waren zuletzt 3,4 Therapeuten in Vollzeit ‒ gerechnet in Voll- und Teilzeit entspricht dies 4,9 Therapeuten. Sie erhielten im Jahr  2016 einen durchschnittlichen Bruttostundenlohn von 14 Euro ‒ und damit in etlichen Fällen mehr als die Inhaber.

    2.575 Euro Monats-„Netto“ für Chefs

    Denn schon für das Analysejahr 2015 verblieb jedem Praxisinhaber im Schnitt ein monatlich verfügbares Einkommen von 2.237 Euro. Das war damals deutlich weniger als das Nettoeinkommen eines angestellten Physiotherapeuten: Internetvergleichsportale gaben dieses im Durchschnitt mit 2.754 Euro an.

     

    MERKE | Das Gutachten legt hier ein Angestelltengehalt im öffentlichen Dienst zugrunde. Laut dem erhobenen Durchschnittsstundenlohn von 14 Euro liegt das Monatsgehalt eines angestellten Therapeuten bei rund 2.400 (brutto)!

     

    Für 2016 gibt das Gutachten durchschnittlich 73.596 Euro je Praxisinhaber als Reinertrag an. Davon sind neben der Einkommensteuer noch die persönlichen Aufwendungen des Praxisinhabers für die Alters-, Invaliditäts-, Hinterbliebenen- und Krankenversicherung sowie seiner Familienangehörigen abzuziehen, um zu einem dem Nettogehalt des angestellten Therapeuten vergleichbaren Einkommen zu kommen. Dieser Wert liegt dann laut Gutachten im Jahr 2016 bei 2.575 Euro ‒ und damit zwar rund 300 Euro über dem Wert von 2015 ‒, aber erneut deutlich unter dem Wert eines angestellten Therapeuten, den das Gutachten unverändert mit 2.754 Euro angibt. Das stimmt leicht optimistisch, ist allerdings eben nur bedingt aussagekräftig ‒ einmal wegen des unterschiedlichen Befragtenpools, zum andern wegen des o. g. Unterschieds zwischen erhobenem und zugrunde gelegten Angestelltengehalt.

    Fast 30 Stunden am Patienten

    Für ihr Salär von 2.575 Euro jedenfalls arbeiteten Praxisinhaber, die an der aktuellen Studie teilgenommen haben, durchschnittlich 45 Stunden. 66 Prozent der Arbeitszeit (29,7 Stunden) entfielen im Jahr 2016 auf die Behandlung am Patienten. 10 Stunden pro Woche widmete sich der Inhaber selbst Verwaltungstätigkeiten, der Rest der Zeit wurde für Organisatorisches benötigt. Hätte der Praxisinhaber in der Zeit, die er für Bürokratie aufbringen musste, Patienten behandelt, so hätte er einen zusätzlichen Ertrag von rund 16.000 Euro jährlich ‒ das sind 315 Euro pro Woche ‒ erwirtschaften können.

    Noch mal mehr Verwaltungsaufwand

    Zu den 10 Chef-Verwaltungsstunden kamen weitere 30 Stunden pro Woche, die die Mitarbeiter mit Bürokratie zubrachten ‒ 40 Wochenstunden musste jede Praxis im Jahr 2016 durchschnittlich für die Verwaltung ihrer GKV-Patienten aufwenden (im Vorjahr waren es 30 Stunden und 42 Minuten). Auch im Hinblick auf die nur bedingte Vergleichbarkeit dieser Werte muss man unbedingt von einem Anstieg des Verwaltungsaufwands ausgehen. Denn die Praxen wurden auch gefragt, ob und wie sie auf etwaigen zusätzlichen Verwaltungsaufwand reagieren: 11 Prozent stellten dazu neues Personal ein, 1 Prozent der Praxen reduzierte gar die Anzahl der Patienten. Die meisten Praxisinhaber aber, 47 Prozent, gaben an, den zusätzlichen Verwaltungsaufwand durch eigene Mehrarbeit zu kompensieren. Vier Prozent aller Praxen hatten überdies keinen erhöhten Verwaltungsaufwand im Jahr 2016 verzeichnet.

    Effizienter arbeiten gegen den Fachkräftemangel

    Ein weiteres, bereits länger bestehendes Problem war der Fachkräftemangel. So gaben 58 Prozent der Praxen an, weiteren Personalbedarf für rund 26 Wochenstunden zu haben, der nicht gedeckt werden konnte. Das kompensieren die Praxen offenbar ‒ so man trotz der methodischen Problematik einen Vergleich ziehen will ‒ mittels steigender Effizienz.

     

    So gibt das aktuelle Gutachten 23 Minuten als Durchschnittswert für die Krankengymnastik-Einzelbehandlung an ‒ in der Vorgängererhebung hatte der Wert noch bei 24,3 Minuten gelegen. Auch der Weg zu Hausbesuchen wird schneller zurückgelegt: Die durchschnittlich dafür angegebene Zeitspanne sank von 20 auf 18 Minuten.

    Weniger Personalkosten, mehr Gesamtausgaben

    Eine generell effizientere Arbeitsweise allerdings legt der Blick auf die Ausgabenseite der Praxen nicht nahe: So hatte der durchschnittliche Aufwand pro Praxis im Jahr 2015 bei 197.292 Euro gelegen, ein Jahr später waren es dann 217.542 Euro. Vergleicht man dies mit der Einnahmenseite, so zeigt sich, dass die Ausgaben der zuletzt teilnehmenden Praxen relativ betrachtet stärker gestiegen sind als die Umsätze; die Umsatzrendite liegt daher ‒ gerechnet für die diesjährig teilnehmenden Praxen ‒ etwas niedriger.

     

    Der Durchschnittsumsatz lag im Jahr 2016 bei 306.356 Euro pro Praxis, umgerechnet auf Köpfe respektive Praxisinhaber ergeben sich 253.865 Euro. Demgegenüber stehen Ausgaben in Höhe von 217.542 Euro je Praxis und 180.269 Euro je Inhaber. Im Vergleich zu 2015 zeigt sich, dass die teilnehmenden Praxen offenbar größer geworden sind ‒ 281.634 hatte die durchschnittliche Praxis damals eingenommen, 247.524 jeder Inhaber oder jede Inhaberin im Schnitt. Damit sind die Einnahmen pro Praxis deutlich stärker gestiegen als die pro Inhaber.

     

    • Wirtschaftliche Situation der Physiotherapiepraxen in den Jahren 2015 und 2016
    Kennzahl
    2015
    2016
    Differenz (%)

    Betriebseinnahmen (je Praxis)

    281.634 Euro

    306.356 Euro

    + 8,8

    Betriebseinnahmen (je Praxisinhaber)

    247.524 Euro

    253.865 Euro

    + 2,6

    Betriebsausgaben (je Praxis)

    197.292 Euro

    217.542 Euro

    + 10,1

    Betriebsausgaben (je Praxisinhaber)

    173.789 Euro

    180.269 Euro

    + 3,7

    Reinertrag in Euro (je Praxis)

    84.342 Euro

    88.814 Euro

    + 5,3

    Reinertrag in Euro (je Praxisinhaber)

    73.735 Euro

    73.596 Euro

    - 0,2

    Anzahl Praxen

    477

    532

    Anzahl Praxisinhaber

    543

    642

     

    In der detaillierteren betriebswirtschaftlichen Analyse ergibt sich, dass die Praxen, die im Erhebungsjahr 2016 ausgewertet wurden, Personalausgaben zu tragen hatten, die durchschnittlich 58 Prozent des Gesamtaufwands ausmachten. Die zweithöchste Ausgabenposition stellen die „Sonstigen Kosten“ mit 26 Prozent dar. Die Raumkosten machen im Durchschnitt zwölf Prozent der Gesamtkosten aus. Für das Jahr 2015 lagen die Personalkosten bei 67 Prozent der Gesamtkosten, die Raumkosten bei 13 Prozent.

    Individuelle Preisbildung für Privatpatienten

    Abgefragt wurde für das Gutachten auch, wie die Praxen Preise für Privatpatienten kalkulieren, und wie diese im Einzelnen gestaltet sind. Dabei zeigte sich, dass die Preise geringer ausfallen, wenn sie nach der Beihilfesatz-Methode berechnet werden. Im Gesamtdurchschnitt gaben jeweils 29 Prozent der Teilnehmenden an, die Preise nach vdek multipliziert mit einem Faktor X bzw. nach Beihilfesatz plus Y Prozent zu kalkulieren. 27 Prozent der Praxen gaben an, beide Methoden für die Kalkulation der Preise zu verwenden.

     

    • Preise (in Euro) für Privatpatienten
    Leistung
    vdek
    Beihilfesatz

     KG

    25

    22

    KG-ZNS Erwachsene

    33

    27

    KG-ZNS Kinder

    42

    36

    Massage

    20

    18

    Lymphdrainage 20

    27

    24

    KG Gerät

    41

    37

    MT

    28

    25

     

    Wichtig | Mit Blick auf die Gesamterlöse spielt dieser Bereich jedoch eine untergeordnete Rolle, da der Großteil der Einnahmen auf GKV-Leistungen basiert, die im Durchschnitt 70 Prozent zum Ergebnis betrugen, wohingegen der Anteil der Erlöse durch PKV-Leistungen bei 21 Prozent lag.

    Drei Viertel für den Direktzugang

    Eine Zahl ist dann noch ‒ neben aller aktuellen Wirtschaftlichkeit ‒ von strategischem Belang: Drei Viertel ‒ oder exakt 74 Prozent aller teilnehmenden Praxen ‒ befürworten einen Direktzugang. Dieser ist aktuell aber nicht in Sicht. Daher gehen viele Praxen den Umweg über die sektorale Heilpraktikererlaubnis (HP-Erlaubnis).

     

    • Kennzahlen aus den Praxen
    Kennzahl
    2016

    Anteil Praxen, die Direktzugang anstreben

    74 %

    Anteil Praxen mit sektoraler HP-Erlaubnis

    46 %

    Anteil Praxen, die sektorale HP-Erlaubnis anstreben

    15 %

     

    Weiterführender Hinweis

    • Neubauer, G und Niedermeyer C: Analyse der betriebswirtschaftlichen Situation von Physiotherapie-Praxen im Jahr 2016. PhysioPraX. Institut für Gesundheitsökonomik, München 2019, für Teilnehmer kostenfrei unter bwa-physioprax.de/
    Quelle: Ausgabe 09 / 2019 | Seite 3 | ID 46083830