11.02.2005 · IWW-Abrufnummer 050420
Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04
1. Die Vertragsklausel in einem Formulararbeitsvertrag, nach der dem Arbeitgeber das Recht zustehen soll, "übertarifliche Lohnbestandteile jederzeit unbeschränkt zu widerrufen", ist gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
2. Wurde der Formulararbeitsvertrag vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossen, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung der entstandenen Lücke in Betracht. Es gelten dann die Widerrufsgründe, die die Vertragsparteien zugrunde gelegt hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Widerrufsklausel bekannt gewesen wäre.
BUNDESARBEITSGERICHT
Im Namen des Volkes!
URTEIL
5 AZR 364/04
Verkündet am 12. Januar 2005
In Sachen
hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch und Dr. Linck sowie die ehrenamtliche Richterin Zorn und den ehrenamtlichen Richter Wolf
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Mai 2004 - 19 Sa 2132/03 - aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines formularvertraglich vorbehaltenen Widerrufs einer übertariflichen Zulage und von Fahrtkostenerstattung.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Elektroinstallateur beschäftigt. Seinem Arbeitsvertrag vom 9. Juli 1998 liegt ein von der Beklagten standardmäßig verwendetes Vertragsformular zugrunde. Danach richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den für die Arbeiter der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens geltenden tariflichen Bestimmungen und der Arbeitsordnung in den jeweils geltenden Fassungen, soweit nichts Abweichendes vereinbart ist. § 2 des Arbeitsvertrags lautet:
"Entsprechend seiner Tätigkeit wird der Arbeitnehmer in die Lohngruppe 7/NRW eingestuft. Als Arbeitsentgelt erhält er einen festen Monatslohn von DM 3.429,44 einschließlich außertariflicher Zulage von DM 367,44.
Aufgrund eines betriebsbezogenen Vergütungssystems kann der vereinbarte Monatslohn durch zusätzliche Leistung bereits im ersten Monat der Tätigkeit überschritten werden.
Für die Einarbeitungszeit von einem Monat wird zusätzlich eine Prämie von 15 % vom Prämienausgangslohn (Ecklohn) je Arbeitsstunde gezahlt. Danach wird eine Pauschalprämie gewährt, die sich nach dem Prämienaufkommen der jeweiligen Betriebsstätte als Einzel- oder Gruppenprämie bemißt und nach betriebsüblichen Maßstäben festgelegt wird.
Darüberhinaus erhält der Arbeitnehmer einen Fahrtkostenersatz in Höhe von DM 25,40 arbeitstägig (muß nachgewiesen werden).
Die Firma behält sich vor, alle übertariflichen Bestandteile in seinem Lohn - gleich, welcher Art - bei einem Aufrücken in eine höhere Altersstufe in der Lohngruppe oder in eine höhere Tarifgruppe teilweise oder ganz anzurechnen.
Abgesehen davon hat die Firma das Recht, diese übertariflichen Lohnbestandteile jederzeit unbeschränkt zu widerrufen und mit etwaigen Tariferhöhungen zu verrechnen.
Auch jede andere Leistung, die über die in den Tarifverträgen festgelegten Leistungen hinausgeht, ist jederzeit unbeschränkt widerruflich und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft."
Bis einschließlich April 2003 erhielt der Kläger einen Monatsgrundlohn von 1.751,69 Euro brutto, eine außertarifliche Zulage von 227,72 Euro brutto und ein Fahrtgeld von 12,99 Euro brutto für jeden Arbeitstag, den er in der Betriebsstätte arbeitete. Außerdem zahlte die Beklagte einen Prämienlohn in unterschiedlicher Höhe; Grundlage hierfür war eine vom Betriebsrat 1991 gekündigte Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1976.
Mit Schreiben vom 11. April 2003 widerrief die Beklagte unter Bezugnahme auf den arbeitsvertraglichen Widerrufsvorbehalt die übertarifliche Zulage zum Monatsentgelt sowie die arbeitstägliche Fahrtkostenerstattung mit Wirkung zum 1. Mai 2003. Sie begründete den Widerruf mit ihrer wirtschaftlichen Situation. Gleich lautende Schreiben erhielten alle Arbeitnehmer der Beklagten. Die Beklagte zahlte nunmehr statt des Prämienlohns eine tarifliche Leistungszulage gemäß § 9 Nr. 4 des Lohnrahmenabkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens in Höhe von 16 %. Ab Juni 2003 bezog der Kläger unter Berücksichtigung einer Tariflohnerhöhung eine monatliche Vergütung von insgesamt 2.084,79 Euro brutto. Auf Grund eines zwischen der Beklagten und der IG Metall geschlossenen Sanierungstarifvertrags zahlte die Beklagte vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2004 vorübergehend wieder die übertarifliche Zulage in Höhe von 227,72 Euro brutto monatlich.
Der Kläger hat geltend gemacht, Gründe für einen Widerruf der außertariflichen Zulage und der Fahrtkostenerstattung lägen nicht vor. Eine Verrechnung der übertariflichen Bestandteile könne nur bei Tariferhöhungen vorgenommen werden, sei in den letzten fünf Jahren aber nicht erfolgt. Der Fahrtkostenersatz sei keine Sondervergütung, sondern ein Aufwendungsersatz, der einseitig nicht gestrichen werden könne.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass der Widerruf der freiwilligen außertariflichen Zulagen gemäß dem Schreiben der Beklagten vom 11. April 2003 zum 1. Mai 2003 rechtsunwirksam ist,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, bezüglich des Widerrufs der außertariflichen Zulage mit Wirkung zum 1. Mai 2003 für die Zeit von Mai 2003 bis einschließlich September 2003 an den Kläger 1.138,60 Euro brutto und an Fahrtkostenerstattung für die Zeit von Mai 2003 bis einschließlich September 2003 1.363,95 Euro brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Feststellungsklage sei unzulässig. Ohne den Widerruf sei der Bestand des Unternehmens gefährdet. Im Jahre 2002 habe sie einen Eigenverlust von 236.000,00 Euro sowie auf Grund der Insolvenz der Muttergesellschaft einen Gesamtverlust von 839.000,00 Euro erlitten.
Die Vorinstanzen haben dem Hauptantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Zwar hält der vereinbarte Widerrufsvorbehalt der Inhaltskontrolle gem. § 308 Nr. 4 BGB nicht stand und ist deshalb unwirksam (unten B I). Jedoch ist der Widerruf deshalb nicht zwangsläufig ebenfalls unwirksam. Vielmehr ist die Vertragslücke bei dem hier vorliegenden Altfall durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen (unten B II).
A. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Der Kläger hat gem. § 256 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Die Feststellungsklage kann auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis beschränkt werden. Streiten die Parteien darüber, ob der Arbeitgeber auf Grund eines vorbehaltenen Widerrufsrechts eine Änderung der Arbeitsbedingungen herbeiführen konnte, kann der Arbeitnehmer dies im Wege der Feststellungsklage klären lassen (BAG 15. August 2000 - 1 AZR 458/99 -; 11. Februar 1998 - 5 AZR 472/97 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 54 = EzA BGB § 315 Nr. 48; 23. Juni 1992 - 1 AZR 57/92 - AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 1 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 12). Demgegenüber würde der hilfsweise erhobene Leistungsantrag des Klägers nur für einen bestimmten Zeitabschnitt zu einer rechtskräftigen Klärung führen. Dem Feststellungsinteresse steht nicht entgegen, dass die Beklagte die übertarifliche Zulage auf Grund des Sanierungstarifvertrags gewährt hat; denn der Tarifvertrag berührt nicht die Wirksamkeit des Widerrufs, die Zahlung der Zulage soll nach Ablauf des Tarifvertrags wieder eingestellt werden.
B. Die Rechtswirksamkeit des Widerrufs vom 11. April 2003 kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Es bedarf hierfür weiterer tatsächlicher Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht.
I. Die arbeitsvertragliche Widerrufsregelung ist gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
1. Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 BGB). Nach § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist (§ 308 Nr. 4 BGB).
2. Bei dem umstrittenen Widerrufsvorbehalt handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Arbeitsvertrag im Betrieb der Beklagten standardmäßig Verwendung findet. Er besteht aus Vertragsbestimmungen, die die Beklagte dem Kläger bei Abschluss des Vertrags stellte und die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).
3. Der Widerrufsvorbehalt soll das Recht der Beklagten begründen, versprochene Leistungen einseitig zu ändern. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sowohl hinsichtlich der Zulage als auch hinsichtlich der Fahrtkostenerstattung keine freiwilligen Leistungen (im Sinne einer Leistung ohne Rechtsanspruch, solange noch nicht gezahlt ist, und eines jederzeitigen Rechts, die Leistung einzustellen, ohne dass es einer besonderen Erklärung bedarf) vorliegen. Hierfür sprechen die Bezeichnung im Arbeitsvertrag, die Art der Leistung und die ausdrückliche Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts sowie einer Anrechnungs- und Verrechnungsmöglichkeit. Die Beklagte geht selbst von der Notwendigkeit eines Widerrufs zur Änderung der Vertragsbedingungen aus.
4. In materieller Hinsicht verbietet es das Gesetz nicht, die im Streit stehenden Vergütungsbestandteile als widerruflich auszugestalten, wenn wirtschaftliche Gründe für einen Widerruf vorliegen.
a) Der Widerrufsvorbehalt stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Grundsätzlich ist der Vertrag bindend. Der Satz "pacta sunt servanda" gehört zu den Grundelementen des Vertragsrechts (Palandt/Heinrichs vor § 145 BGB Rn. 4a).
b) Die Wirksamkeit des Widerrufsrechts richtet sich nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm. Da § 308 Nr. 4 BGB den § 307 BGB konkretisiert, sind freilich auch die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (vgl. hierzu BAG 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
c) Die Vereinbarung des Widerrufsrechts ist gem. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist (vgl. BGH 19. Oktober 1999 - XI ZR 8/99 - NJW 2000, 651).
aa) Auch im Arbeitsverhältnis muss in diesem Sinne ein Grund für den Widerruf bestehen. Unabhängig davon, ob der Grund als sachlich, hinreichend, triftig oder schwerwiegend bezeichnet wird, muss jedenfalls die gebotene Interessenabwägung zu einer Zumutbarkeit der Klausel für den Arbeitnehmer führen. Das richtet sich in Anlehnung an § 307 BGB insbesondere nach der Art und Höhe der Leistung, die widerrufen werden soll, nach der Höhe des verbleibenden Verdienstes und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen. Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte muss der Widerrufsgrund den Widerruf typischerweise rechtfertigen.
bb) Im Grundsatz hat der Arbeitgeber wegen der Ungewissheit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und der allgemeinen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ein anerkennenswertes Interesse daran, bestimmte Leistungen, insbesondere "Zusatzleistungen" flexibel auszugestalten. Dadurch darf aber das Wirtschaftsrisiko des Unternehmers nicht auf den Arbeitnehmer verlagert werden. Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrags sind nach der Wertung des § 307 Abs. 2 BGB nicht zulässig. Insofern ist die bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Widerrufs weiterhin heranzuziehen. Der Vertragsinhaltsschutz gem. § 2 KSchG kann dabei als Maßstab dienen (BAG 7. August 2002 - 10 AZR 282/01 - AP BGB § 315 Nr. 81 = EzA BGB § 315 Nr. 51, zu B II 3 der Gründe; 15. August 2000 - 1 AZR 458/99 -, zu A II 1 der Gründe; 28. Mai 1997 - 5 AZR 125/96 - BAGE 86, 61, 71; 13. Mai 1987 - 5 AZR 125/86 - BAGE 55, 275, 281). Allerdings kommt es nicht auf eine konkrete Umgehung des Schutzes vor Änderungskündigungen (Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes) an (ErfK/Preis §§ 305 bis 310 BGB Rn. 54). Danach ist die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts zulässig, soweit der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 bis 30 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird. Dem Arbeitnehmer wird hier zu seinem Vorteil eine Leistung zusätzlich zu dem üblichen Entgelt gewährt. Der Arbeitgeber ist dann bis zur Grenze der Willkür frei, die Voraussetzungen des Anspruchs festzulegen und dementsprechend auch den Widerruf zu erklären.
cc) An einer fehlenden Frist für die Wirkung des Widerrufs kann die Vereinbarung nicht scheitern. Hierfür gibt es keinen Ansatz im Gesetz. Allenfalls bei der Ausübungskontrolle kommt die Einräumung einer Auslauffrist in Betracht.
d) Die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines Widerrufsrechts aus wirtschaftlichen Gründen sind erfüllt. Dem Kläger verbleibt auch nach Ausübung aller Widerrufsrechte mindestens die tarifliche Vergütung. Ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsvertrags ist nicht ersichtlich. Der Schutz gegenüber Änderungskündigungen wird nicht umgangen, denn der vorbehaltene Widerruf erfasst insgesamt weniger als 25 % der Gesamtvergütung. Darüber hinaus können für die Gewährung von Fahrtkostenersatz unternehmenspolitische und arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte maßgebend sein, die einem Wandel unterliegen. Es handelt sich hier nicht um eine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeit, sondern um einen Ersatz von Aufwendungen, die der Arbeitnehmer nach allgemeinen Regeln selbst tragen muss. Der Vertrauensschutz ist gering. So werden derartige Zuschüsse vielfach befristet oder nur in Zeiten eines Arbeitskräftemangels gewährt, um Arbeitnehmer zu gewinnen. Dem Arbeitgeber kann berechtigterweise daran gelegen sein, insoweit einheitliche Arbeitsbedingungen im Betrieb herzustellen. Der Widerruf greift trotz der Höhe der Leistung nur gering in das Vertragsgefüge ein.
5. Die Vertragsregelung der Parteien wird den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4, § 307 BGB nicht gerecht.
a) Was die Vertragsregelung enthalten muss, richtet sich nicht allein nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Bestimmung muss nicht nur klar und verständlich sein. Sie darf auch als solche nicht unangemessen benachteiligen; die Vereinbarung des konkreten Widerrufsrechts muss zumutbar sein. Das bedeutet: Die Bestimmung muss die Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen. Der Maßstab von § 307 Abs. 1, Abs. 2, § 308 Nr. 4 BGB muss nach dem Text der Klausel zum Ausdruck kommen. Es muss sich aus der Regelung selbst ergeben, dass der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen darf (BGH 3. Juni 1998 - VIII ZR 317/97 - NJW 1998, 3114, zu III 3 der Gründe; 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03 - BGHZ 158, 149, zu II 2 b bb der Gründe).
b) Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderungen müssen möglichst konkretisiert werden. Die widerrufliche Leistung muss nach Art und Höhe eindeutig sein, damit der Arbeitnehmer erkennen kann, was ggf. "auf ihn zukommt". Diese Anforderung lässt sich auch angesichts der Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) im Regelfall erfüllen. Bei den Voraussetzungen der Änderung, also den Widerrufsgründen, lässt sich zumindest die Richtung angeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers). Welches die Gründe sind, ist keineswegs selbstverständlich und für den Arbeitnehmer durchaus von Bedeutung. Der Grad der Störung (wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang der bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen des Arbeitnehmers, schwerwiegende Pflichtverletzungen) muss konkretisiert werden, wenn der Verwender hierauf abstellen will und nicht schon allgemein auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers gestützte Gründe nach dem Umfang des Änderungsvorbehalts ausreichen und nach der Vertragsregelung auch ausreichen sollen.
c) Der Arbeitsvertrag der Parteien nennt keine Widerrufsgründe. Vielmehr soll die Beklagte das Recht haben, die genannten Leistungen "jederzeit unbeschränkt" zu widerrufen. Dieser Änderungsvorbehalt ist nicht zumutbar.
6. Die §§ 305 ff. BGB finden seit dem 1. Januar 2003 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Vereinbarung des Widerrufsrechts ist deshalb gem. § 308 Nr. 4 BGB seit dem 1. Januar 2003 unwirksam.
a) Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB anzuwenden. Der Arbeitsvertrag wurde im Jahre 1998 geschlossen. Gemäß Art. 229 § 5 EGBGB findet auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 begründet worden sind, vom 1. Januar 2003 an das Bürgerliche Gesetzbuch in der dann geltenden Fassung Anwendung. Hierzu gehören auch die §§ 305 bis 310 BGB. Vertrauensschutz hat das Gesetz nur bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt.
b) Da die §§ 307, 308 Nr. 4 BGB einheitlich inhaltliche und formelle Anforderungen aufstellen, kommt eine auf das materielle Schutzniveau beschränkte Geltung nicht in Betracht. Die Anwendung des Gesetzes lässt sich nicht aufteilen. Jedoch sind für vor und ab dem 1. Januar 2002 abgeschlossene Verträge unterschiedliche Konsequenzen aus der Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung zu ziehen.
II. Die unwirksame Vertragsklausel fällt bei dem hier vorliegenden Altfall nicht ersatzlos weg.
1. Auch wenn der Verwender des Formulararbeitsvertrags angesichts des Gesetzeszwecks die Voraussetzungen für einen Widerruf in der bezeichneten Weise - im Rahmen der Möglichkeiten - konkretisieren muss, ergibt sich daraus bei vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Verträgen nicht zwingend die Unwirksamkeit des erfolgten Widerrufs, wenn die Konkretisierung unterblieben ist. Es geht dabei nicht um die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, da langfristig angelegte Formularverträge ohne die Möglichkeit der einseitigen Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im gesamten Vertragsrecht regelmäßig vorkommen. Vielmehr resultieren die Bedenken aus der rückwirkenden Anwendung von förmlichen Anforderungen (hinreichend deutliche Formulierung der Rechtslage) auf einen abgeschlossenen Sachverhalt (Abschluss des Arbeitsvertrags). Da das Gesetz auch für Altverträge gilt und dies hinsichtlich der Anforderungen an die Vertragsformulierung auf eine echte Rückwirkung hinausläuft, bedarf es der verfassungskonformen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrenden Auslegung und Anwendung. Das führt dazu, dass die unwirksame Klausel nicht gemäß § 306 Abs. 2 BGB ersatzlos wegfällt. Eine Bindung des Arbeitgebers an die vereinbarte Leistung ohne Widerrufsmöglichkeit würde unverhältnismäßig in die Privatautonomie eingreifen. Mit einer solchen Rechtsfolge konnte, musste und durfte niemand rechnen. Sie würde keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragspartner Rechnung tragende Lösung bieten (vgl. BGH 3. November 1999 - VIII ZR 269/98 - BGHZ 143, 104, zu II 4 der Gründe mwN; Willemsen/Grau RdA 2003, 321, 325). Da der Verwender bei Abschluss des Arbeitsvertrags die §§ 307 f. BGB nicht berücksichtigen konnte und die Klausel nur deswegen unwirksam ist, weil sie in formeller Hinsicht den neuen Anforderungen nicht genügt, bedarf es zur Schließung der entstandenen Lücke der ergänzenden Vertragsauslegung. Es ist zu fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Widerrufsklausel bekannt gewesen wäre. Nur so wird die unverhältnismäßige Rückwirkung des § 306 Abs. 2 BGB verfassungskonform abgemildert und dem Willen und den Interessen der Vertragsparteien angemessen Rechnung getragen.
2. Es liegt nahe, dass die Parteien bei Kenntnis der neuen gesetzlichen Anforderungen die Widerrufsmöglichkeit zumindest bei wirtschaftlichen Verlusten, wie sie im Rechtsstreit von der Beklagten vorgetragen worden sind, vorgesehen hätten. Der Kläger hätte dem redlicherweise nicht widersprochen. Eine solche Bestimmung wäre für den Kläger zumutbar gewesen und hätte ihn nicht benachteiligt. Ggf. wird das Landesarbeitsgericht eine weitergehende ergänzende Vertragsauslegung vornehmen müssen, welche sonstigen wirtschaftlichen Gründe für einen Widerruf ausreichen sollten.
3. Danach ist der Vortrag der Beklagten erheblich. Die durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermittelnden Widerrufsvoraussetzungen liegen nach der Behauptung der Beklagten vor. Das Landesarbeitsgericht wird auf eine nähere Erläuterung des Bestreitens des Klägers hinwirken müssen, zumal sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten zeitnah in einem Sanierungstarifvertrag mit der IG Metall niedergeschlagen haben.
III. Neben der Inhaltskontrolle steht weiterhin die Ausübungskontrolle im Einzelfall gem. § 315 BGB. Die Erklärung des Widerrufs stellt eine Bestimmung der Leistung durch den Arbeitgeber nach § 315 Abs. 1 BGB dar. Der Widerruf muss im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen. Daran hat die generelle Regelung der §§ 305 ff. BGB nichts geändert. Der Umfang des Widerrufsrechts wird hier nicht durch objektive Beurteilungsmaßstäbe abschließend festgelegt (vgl. Palandt/Heinrichs § 315 BGB Rn. 6; ErfK/Preis §§ 305 bis 310 BGB Rn. 8, 51, 52, 61 mwN). Ein Verstoß gegen den Grundsatz des billigen Ermessens ist zwar bisher nicht ersichtlich. Die Parteien können aber im neuen Berufungsverfahren ergänzend hierzu vortragen. Die Einräumung einer Ankündigungs- oder Auslauffrist wäre allenfalls dann geboten, wenn der Widerruf auf eine noch nicht eingetretene, aber schon absehbare Entwicklung abstellen würde. Das ist hier nicht der Fall.