31.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234487
Bundessozialgericht: Urteil vom 30.03.2023 – B 2 U 1/21 R
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bundessozialgericht
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte BG der klagenden Krankenkasse Behandlungskosten und Krankengeld erstatten muss, die sie für die Beigeladene aufgewendet hat.
Die bei der Klägerin krankenversicherte Beigeladene verletzte sich am 16.11.2013 auf dem Weg zum Postbriefkasten, als sie ihrem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 15.11.2013 postalisch übermitteln wollte. Für Krankenbehandlung und Krankengeld wandte die Klägerin insgesamt 10 263 Euro auf. Am 5.12.2013 meldete sie einen entsprechenden Erstattungsanspruch an, den die Beklagte mangels Versicherungsfalls zurückwies. Gegenüber der Beigeladenen lehnte die Beklagte Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestandskräftig ab, weil das Ereignis vom 16.11.2013 kein Arbeitsunfall sei (Bescheid vom 21.7.2015; Widerspruchsbescheid vom 7.10.2015).
Die Erstattungsklage ist vor dem SG (Urteil vom 28.9.2018) und dem LSG (Urteil vom 10.12.2020) ohne Erfolg geblieben: Die Beklagte habe einen Arbeitsunfall zutreffend abgelehnt, weil die Beigeladene keine versicherte Tätigkeit verrichtet und keinen Wegeunfall erlitten habe, als sie auf dem Weg zum Postbriefkasten gestürzt sei. Das Einwerfen des Briefes sei weder arbeitsvertraglich geschuldet gewesen noch von ihrem Arbeitgeber veranlasst worden. Bei der Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handele es sich auch nicht um eine aus dem Beschäftigungsverhältnis erwachsende Nebenpflicht. Die Beigeladene habe mit der Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihre gesetzlichen Anzeige- und Nachweispflichten erfüllen und ausschließlich eigene Rechte sichern wollen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stelle eine Nebenpflicht dar, die dem Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung ermögliche.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Dezember 2020 und des Sozialgerichts Potsdam vom 28. September 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 10 263 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin habe weder einen Wegeunfall erlitten noch sei sie auf einem Betriebsweg verunglückt. Denn die im Unfallzeitpunkt ausgeübte Verrichtung habe nicht im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Unrecht zurückgewiesen. Die echte Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) hat Erfolg, weil die Beklagte vollumfänglich zur Kostenerstattung verpflichtet ist. Auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung besteht kein Anspruch, weil Krankenbehandlung sowie Krankengeld hier als Folge eines Arbeitsunfalls zu erbringen sind. Die Leistungsablehnung der Beklagten gegenüber der Beigeladenen im Sozialleistungsverhältnis steht dem nicht entgegen.
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches ist § 105 Abs 1 SGB X. Danach ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger (unter bestimmten weiteren, hier nicht infrage stehenden Voraussetzungen) dem anfänglich unzuständigen Leistungsträger erstattungspflichtig, der Sozialleistungen erbracht hat. Die Beklagte ist der für die gegenständlichen Leistungen zuständige und die Klägerin der anfänglich unzuständige Leistungsträger in diesem Sinne (dazu A.). Eine Unzuständigkeit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus der gegenüber der Beigeladenen ergangenen Leistungsablehnung (dazu B.). Weitere Gründe stehen dem Erstattungsanspruch hier nicht entgegen (dazu C.).
A. Für die Leistung zuständig ist der Sozialleistungsträger, der im Hinblick auf den erhobenen Sozialleistungsanspruch nach materiellem Recht richtigerweise sachlich befugt (passiv legitimiert) ist (vgl BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 19/18 R - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 9; BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 11; BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 10; jeweils mwN).
Als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung hat die Klägerin der Beigeladenen Krankenbehandlung als Sachleistung (§ 27 SGB V) sowie Krankengeld (§ 44 SGB V) als Geldleistung (jeweils Sozialleistungen iS des § 11 Satz 1 SGB I) erbracht bzw durch Dritte erbringen lassen (Leistungserbringer). Damit erfüllte sie indes keine eigene Leistungspflicht, denn sie war von Anfang an unzuständiger Leistungsträger. Auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung besteht aufgrund von § 11 Abs 5 Satz 1 SGB V (in der im gegenständlichen Zeitraum vom 28.12.2012 bis 22.7.2015 geltenden Fassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind.
Damit definiert § 11 Abs 5 Satz 1 SGB V die sich gegenseitig ausschließenden Leistungs- und Zuständigkeitsbereiche der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung (vgl zuletzt BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 19/18 R - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 9 mwN). Die klagende Krankenkasse hat mit der Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) der Beigeladenen Unfallfolgen beseitigt, gebessert, gemildert oder deren Verschlimmerung verhütet, wofür allein die Beklagte zuständig gewesen wäre (§ 26 SGB VII). Ferner gilt der Leistungsausschluss nach § 11 Abs 5 Satz 1 SGB V auch für den Anspruch auf Krankengeld (§ 44 SGB V), wenn die Arbeitsunfähigkeit - wie hier - auf einem Arbeitsunfall beruht (BSG Urteil vom 23.9.1997 - 2 RU 37/96 - BSGE 81, 103 = SozR 3-1300 § 105 Nr 4 - juris RdNr 29).
Die Beigeladene hat einen die Leistungspflicht der Beklagten begründenden Arbeitsunfall erlitten, als sie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an ihren Arbeitgeber versenden wollte und auf dem Weg zum Postbriefkasten stürzte. Ihr stand daher kein Anspruch auf Gewährung von Krankenbehandlung und auf Krankengeld durch die Klägerin zu (§ 11 Abs 5 Satz 1 SGB V).
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlichen begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität). Unerheblich ist, ob die Verletzung den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität; stRspr; zB BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 14/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 10 mwN).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beigeladene hat einen Unfall sowie dadurch einen Gesundheitsschaden erlitten. Sie war als Beschäftigte (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (dazu 1.). Die konkrete unfallbringende Verrichtung der postalischen Versendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber ist dieser versicherten Tätigkeit zuzurechnen (dazu 2.). Die Beigeladene befand sich auf einem versicherten Betriebsweg (§ 8 Abs 1 SGB VII) und nicht auf einem Weg nach dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII; dazu 3.).
1. Die Beigeladene erlitt einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII, als sie auf dem Weg zum Postbriefkasten stürzte. Hierbei zog sie sich Verletzungen in Form einer Luxation des Handgelenkes sowie einer Rotatorenmanschettenläsion zu. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich auch noch hinreichend, dass die Beigeladene im Zeitpunkt des Unfalls Arbeitnehmerin und daher als Beschäftigte iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII grundsätzlich gesetzlich unfallversichert war. Die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit mit der Folge der Unterbrechung der Arbeitstätigkeit steht der Beschäftigteneigenschaft nicht entgegen. Für den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung ist nicht der Status als Beschäftigter entscheidend, sondern die im Zeitpunkt des Unfalls tatsächliche Verrichtung als Beschäftigter (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 25 f).
2. Die konkrete unfallbringende Verrichtung - das postalische Versenden der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an ihren Arbeitgeber - stand in einem inneren Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit der Beigeladenen als Beschäftigte (dazu a). Ihre objektivierte Handlungstendenz war auf die Erfüllung einer dem Arbeitsverhältnis zuzurechnenden Nachweispflicht gerichtet (dazu b).
a) Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII ist es erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit den Unfall herbeigeführt hat. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere bzw sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung müssen im Vollbeweis, dh mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (stRspr; zB BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 2 U 8/20 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 58 vorgesehen - juris RdNr 13 mwN). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (dazu b).
Bei einer grundsätzlich nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherten Tätigkeit als Beschäftigter ist ein innerer Zusammenhang gegeben, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines mit ihm begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse der Verrichtung dem Unternehmen und nicht dem Verletzten selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll.
Eine versicherte Tätigkeit im Rahmen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (zB BSG Urteil vom 6.5.2021 - B 2 U 15/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 77 RdNr 14 mwN; grundlegend BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff).
Handeln Beschäftigte zur Erfüllung einer sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Haupt- oder Nebenpflicht, ist der innere Zusammenhang nach diesen Grundsätzen unmittelbar zu bejahen. Als Nebenpflichten kommen vor allem Mitwirkungspflichten des Beschäftigten als Gläubiger von Leistungspflichten des Unternehmers (§§ 293 ff Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) und die Pflichten zur Rücksichtnahme auf dessen Rechte, Rechtsgüter und Interessen (§ 241 Abs 2 BGB) in Betracht (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 46).
Anders als das LSG hier meint, hat der Senat den Versicherungsschutz im Fall der Erfüllung von Nebenpflichten des Beschäftigten gegenüber dem Unternehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht generell weitergehend eingeschränkt. Das LSG nimmt unter Bezug auf das Senatsurteil vom 15.5.2012 an, maßgebend sei stets, dass "der Beschäftigte eigene Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Unternehmer erfüllt, die ihm zu dem Zweck obliegen, dass der Unternehmer seinerseits ihm aus dem Beschäftigtenverhältnis gegenüber den Beschäftigten treffenden Haupt- oder Nebenpflichten erfüllen" könne (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 49 ff). Weil es vorliegend an einer entsprechenden Pflicht fehle, hat das LSG einen Versicherungsschutz wegen der Erfüllung einer aus dem Beschäftigungsverhältnis erwachsenen Nebenpflicht abgelehnt.
Hiermit hat es den rechtlichen Maßstab eines Versicherungsschutzes bei der Erfüllung von Nebenpflichten indes zu eng gefasst. Wie dem vom LSG zitierten Senatsurteil zu entnehmen ist, betrifft die zitierte Passage nur einen Unterfall der versicherten Tätigkeiten. So hat der Senat im Anschluss an die gegliederte Darlegung des Versicherungsschutzes bei Erfüllung von Haupt- oder Nebenpflichten (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 44 und 45 f) ausgeführt, dass Beschäftigte "auch" dann eigene Nebenpflichten erfüllen, wenn sie Mitwirkungshandlungen vornehmen, die ihnen zu dem Zweck obliegen, dass der Unternehmer seine ihm aus dem Beschäftigtenverhältnis gegenüber den Beschäftigten treffenden Haupt- oder Nebenpflichten erfüllen kann. Eine generelle Einschränkung des Versicherungsschutzes hat der Senat damit erkennbar nicht verbunden.
Mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über das Bestehen und insbesondere die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit gegenüber ihrem Arbeitgeber erfüllen Beschäftigte eine ihnen obliegende eigene Nebenpflicht aus dem Schuldverhältnis (§ 241 Abs 2 BGB) im Sinne der vom Senat aufgestellten Maßstäbe (dazu aa). Unabhängig davon, dass der Versicherungsschutz bei der Erfüllung von Nebenpflichten - wie dargestellt - nicht darauf beschränkt ist, handelt es sich hier um eine solche Mitwirkungshandlung, die Beschäftigten zu dem Zweck obliegt, dass der Unternehmer eine ihm aus dem Beschäftigtenverhältnis gegenüber den Beschäftigten treffende Haupt- oder Nebenpflicht erfüllen kann (dazu bb). Die Sicherung der Entgeltfortzahlung durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung steht einem sachlichen Zusammenhang nicht generell entgegen (dazu cc). Die Art und Weise der Übermittlung der Bescheinigung war Beschäftigten im gegenständlichen Zeitraum freigestellt (dazu dd).
aa) Können Beschäftigte krankheitsbedingt die von ihnen geschuldete Hauptleistung nicht erbringen, gehört es zu den Nebenpflichten, den Unternehmer hierüber unverzüglich zu informieren. Die Informationspflicht entspringt dem unternehmerischen Interesse, den Einsatz der Arbeitskräfte planen und bei Verhinderung Ersatz beschaffen oder ggf Terminänderungen rechtzeitig vornehmen zu können. Die Informationspflicht ist Teil der nach § 241 Abs 2 BGB bestehenden Nebenpflichten zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils eines Schuldverhältnisses. Diese seit dem 1.1.2002 ausdrücklich normierte Pflicht wurde zuvor aus § 242 BGB abgeleitet. Arbeitsrechtlich muss jeder Vertragspartner seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so erfüllen, seine Rechte so ausüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Gleiches gilt für Beschäftigte und Unternehmer, die nicht durch ein Arbeitsverhältnis, sondern durch ein anderes Schuldverhältnis miteinander verbunden sind. Auch für den Beschäftigten zählt dazu die sog Treuepflicht, sich im Rahmen des Vertragsverhältnisses so zu verhalten, dass Leben, Körper, Eigentum und sonstige absolute Rechtsgüter des Unternehmers nicht verletzt werden (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 46 ff mwN). Davon erfasst wird auch die Rücksicht auf das unternehmerische Organisationsinteresse, Arbeitsabläufe effizient und reibungslos zu gestalten.
Zu den Nebenpflichten aus einem Arbeitsverhältnis zählt es deshalb auch, dass Beschäftigte das Bestehen und auch die Dauer einer krankheitsbedingten Abwesenheit dem Unternehmer unverzüglich mitteilen (s auch Fischinger in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2022, § 611a RdNr 1299; Reinhard in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 23. Aufl 2023, EFZG § 5 RdNr 2). Merkmal einer Beschäftigung ist, insbesondere aber nicht ausschließlich in einem Arbeitsverhältnis nach § 611a BGB, die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens (§ 7 Abs 1 SGB IV; vgl zB BAG Urteil vom 1.12.2020 - 9 AZR 102/20 - BAGE 173, 111 - juris RdNr 31 mwN). Diese ggf zu einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" reduzierte Eingliederung (stRspr; zB BSG Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - BSGE 133, 245 = SozR 4-2400 § 7 Nr 61, RdNr 12 mwN; s auch BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 33) erfordert es, dass der Unternehmer über die Einsetzbarkeit der Beschäftigten informiert ist und auf Verhinderungssituationen reagieren kann.
Diese Nebenpflichten sind für das Arbeitsverhältnis (§ 611a BGB) gesetzlich konkretisiert. Arbeitnehmer, die Versicherte einer gesetzlichen Krankenversicherung sind, waren zum Zeitpunkt des Unfalls der Beigeladenen am 16.11.2013 verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauerte die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hatte der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber war berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauerte die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, waren Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen (§ 5 Abs 1 Sätze 1 bis 4 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall - Entgeltfortzahlungsgesetz <EntgFG> in der vom 1.6.1994 bis 31.12.2021 geltenden Fassung, vgl Art 53, 68 Abs 4 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit - Pflege-Versicherungsgesetz <PflegeVG>, BGBl I 1014, 1065; zu der ab 1.1.2023 geltenden Rechtslage vgl § 5 Abs 1a EntgFG, eingefügt durch Art 9 des Dritten Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie <Drittes Bürokratieentlastungsgesetz> vom 22.11.2019, BGBl I 1746; in Kraft ab 1.1.2023, vgl Art 16 Abs 4 Drittes Bürokratieentlastungsgesetz, Art 12b des Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation sowie zur Modernisierung der Sozialversicherungswahlen und zur Änderung anderer Gesetze <Gesetz Digitale Rentenübersicht> vom 11.2.2021, BGBl I 154, und Art 4b des Gesetzes zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen vom 23.3.2022, BGBl I 482; s auch Janko/Krüger, NZA 2023, 282).
Die Mitteilungspflicht aus § 5 Abs 1 Satz 1 EntgFG begründet eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Sie trägt dem Dispositionsgrundsatz des Arbeitgebers im oben genannten Sinn Rechnung, sich auf das Fehlen des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers möglichst frühzeitig einstellen zu können, um Arbeitseinsätze seiner Arbeitnehmer zuverlässig planen zu können (so bereits zur Vorgängervorschrift in § 3 Lohnfortzahlungsgesetz <LFZG> BAG Urteil vom 31.8.1989 - 2 AZR 13/89 - NZA 1990, 433 - juris RdNr 19). Die Mitteilungspflicht besteht auch im Fall der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit (BAG Urteil vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19 - NJW 2020, 2428 - juris RdNr 30 f; vgl noch zu § 3 LFZG BAG Urteil vom 16.8.1991 - 2 AZR 604/90 - NZA 1993, 17 - juris RdNr 23) und unabhängig davon, ob im Einzelfall ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht (BAG Urteil vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19 - NJW 2020, 2428 - juris RdNr 17; angedeutet bereits in BAG Urteil vom 11.7.2013 - 2 AZR 241/12 - NZA 2013, 1259 - juris RdNr 29). Unerheblich für das Bestehen der Mitteilungspflicht ist schließlich, ob ihre Verletzung zu betrieblichen Ablaufstörungen führt oder nicht (BAG Urteil vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19 - NJW 2020, 2428 - juris RdNr 41; BAG Urteil vom 16.8.1991 - 2 AZR 604/90 - NZA 1993, 17 - juris RdNr 35). Das hat der Senat bereits entschieden, dass Verrichtungen zur Erfüllung der Mitteilungspflicht über das Bestehen und die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich im inneren Zusammenhang mit der Beschäftigtentätigkeit stehen und daher versichert sind. Hierfür ist es entgegen der Ansicht der Beklagten unbeachtlich, ob sich der Arbeitgeber bereits auf eine längere Abwesenheit des Arbeitnehmers eingestellt hat (BSG Urteil vom 23.10.1970 - 2 RU 162/68 - SozR Nr 11 zu § 550 RVO - juris RdNr 5, 17).
Die Mitteilungspflicht aus § 5 Abs 1 Satz 1 EntgFG wird durch die Nachweispflicht nach § 5 Abs 1 Sätze 2 und 4 EntgFG ergänzt, auch wenn diese regelmäßig hinter der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung zurücktritt. Auch sie dient in Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dem Dispositionsinteresse des Arbeitsgebers, der erst durch die ärztliche Bestätigung zuverlässige Kenntnis über das Bestehen und insbesondere die Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erlangt (zB noch zu § 3 LFZG BAG Urteil vom 15.1.1986 - 7 AZR 128/83 - NZA 1987, 93 - juris RdNr 17; BAG Urteil vom 27.8.1971 - 1 AZR 107/71 - BAGE 23, 411 - juris RdNr 10; zB Oetker in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2022, § 616 RdNr 351, 353; Knorr/Krasney in Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, § 5 EFZG RdNr 24, 36, Stand 2022; Ricken in Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK ArbR, 67. Ed 1.3.2023, § 5 EFZG RdNr 11; Vogelsang in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Aufl 2022, § 5 EFZG, RdNr 4). Daher können Arbeitgeber in Erweiterung der vertraglichen Nebenpflichten der Arbeitnehmer bereits für den ersten Tag die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen (§ 5 Abs 1 Satz 3 EntgFG, dazu zB BAG Urteil vom 26.2.2003 - 5 AZR 112/02 - BAGE 105, 171; Oetker in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2022, § 616 RdNr 360). Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs 1 Sätze 2 und 4 EntgFG dient darüber hinaus dem Zweck, einem Missbrauch im Entgeltfortzahlungsrecht entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 12/5263 S 14; BT-Drucks 12/5798 S 26; s hierzu auch BAG Urteil vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19 - NJW 2020, 2428 - juris RdNr 28 ff; BAG Urteil vom 21.11.2018 - 7 AZR 394/17 - NZA 2019, 309 - juris RdNr 43).
Verrichtungen zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stehen daher - wie Verrichtungen zur Erfüllung der Mitteilungspflicht - im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Auch dies hat der Senat bereits vor Einführung der gesetzlichen Bestimmungen zur Lohnfortzahlung (§ 3 LFZG, § 5 EntgFG) entschieden (BSG Urteil vom 23.10.1970 - 2 RU 162/68 - SozR Nr 11 zu § 550 RVO - juris RdNr 17).
Von dieser arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zu trennen ist die Obliegenheit eines Arbeitnehmers seiner Krankenkasse gegenüber, die für sie vorgesehene Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu übermitteln. Der Versicherte bewahrt sich damit einen Anspruch auf Krankengeld (§ 46 Satz 1 Nr 2, § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V in der bis 31.12.2020 geltenden Fassung; vgl BSG Urteil vom 26.9.2019 - B 3 KR 1/19 R - NZS 2020, 419 - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - BSGE 127, 53 = SozR 4-2500 § 49 Nr 8, RdNr 17 ff; zur Rechtslage ab 1.1.2021 vgl LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 16.11.2022 - L 10 KR 245/22 - KrV 2023, 38 - anhängig BSG - B 3 KR 23/22 R). Die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse erfolgt maßgeblich zu dem Zweck, ihr die Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu ermöglichen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (zB BSG Urteil vom 5.12.2019 - B 3 KR 5/19 R - juris RdNr 17 mwN; BSG Urteil vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R - BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 17). Insoweit knüpfen die gesetzlichen Vorschriften zur Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die Krankenkasse maßgeblich an das Sozialrechtsverhältnis mit dieser an, welches keinen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu begründen vermag. Einen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit hat der Senat daher konsequent auch im Fall der persönlichen Abgabe einer vom Arbeitgeber auszufüllenden, aber für die Rentenversicherung bestimmten Bescheinigung abgelehnt (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20).
bb) Mit Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs 1 Sätze 2 und 4 EntgFG erfüllen versicherte Beschäftigte die gesetzlich konkretisierte Nebenpflicht, die den Arbeitgeber in die Lage versetzt, im Einzelfall seinerseits der fortbestehenden Pflicht zur Entgeltzahlung nach § 3 EntgFG nachzukommen. Denn die Arbeitsunfähigkeit lässt den Anspruch auf Entgeltzahlung nicht entfallen (vgl dazu zB BAG Urteil vom 19.2.1997 - 5 AZR 83/96 - BAGE 85, 167 - juris RdNr 36; Knorr/Krasney in Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, § 5 EFZG RdNr 12, Stand 2022; Reinhard in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 23. Aufl 2023, EFZG § 5 RdNr 2;). Durch § 7 Abs 1 Nr 1 EntgFG wird dem Arbeitgeber nur ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt.
cc) Zwar haben auch Arbeitnehmer im Einzelfall ein privatwirtschaftliches Interesse an der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, um eine Entgeltfortzahlung zu sichern (vgl § 7 Abs 1 Nr 1 EntgFG) oder vor unberechtigter Kündigung geschützt zu sein (vgl BAG Urteil vom 21.11.2018 - 7 AZR 394/17 - NZA 2019, 309 - juris RdNr 43). Dieses tritt jedoch hinter den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten aus § 5 Abs 1 Sätze 2 und 4 EntgFG jedenfalls dann zurück, wenn die objektivierte Handlungstendenz im Einzelfall nicht überwiegend auf die Erfüllung dieser privatwirtschaftlichen Interessen gerichtet ist (dazu b).
dd) Das Gesetz enthielt zu der im Zeitpunkt des Unfalls der Beigeladenen geltenden Fassung des PflegeVG (aaO) keine Vorgaben, in welcher Art und Weise die in Papier ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber zu übermitteln war. Den Regelweg stellte jedoch wie vorliegend beabsichtigt die postalische Übersendung des Originals an den Arbeitgeber dar. Soweit die Beklagte vorbringt, Arbeitnehmer seien zu einer postalischen Versendung des Nachweises nicht gezwungen gewesen, führt dies nicht zum Entfallen eines sachlichen Zusammenhanges. Denn einem Beschäftigten steht es jenseits konkreter Weisungen des Arbeitgebers (§ 315 BGB) grundsätzlich frei, wie er seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erfüllt.
b) Als die Beigeladene auf dem Weg zum Postbriefkasten stürzte, war sie auf Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 163 SGG) mit der objektivierten Handlungstendenz unterwegs, eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zu erfüllen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthielt nach den Feststellungen des LSG Informationen über das Bestehen und das (baldige) Ende der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Das Verhalten der Beigeladenen war in Erfüllung der Nachweispflichten aus § 5 Abs 1 Sätze 2 und 4 EntgFG darauf gerichtet, einer eigenen objektiv bestehenden Pflicht aus ihrem Beschäftigungsverhältnis nachzukommen. Primär steht für den Beschäftigten grundsätzlich das Interesse im Vordergrund, die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen - seien es auch "nur" Nebenpflichten. So verhält es sich auch bezüglich der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Für die Annahme einer anderen Handlungstendenz der Beigeladenen bieten die Feststellungen des LSG keinen Anhalt.
3. Die Beigeladene hat zum Unfallzeitpunkt einen versicherten Betriebsweg zurückgelegt (§ 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII). Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen. Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen und unterscheiden sich von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen. Sie sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb der Betriebsstätte anfallen. Ein Betriebsweg kann auch von zu Hause angetreten werden, wenn er unmittelbar der Erfüllung einer Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis dient. Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob er also eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (stRspr; zuletzt BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 14/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 39 mwN).
Hingegen zählt zu den in der sog Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dabei ist nicht der Weg als solcher, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf einer Strecke, die durch einen Start- und einen Zielpunkt begrenzt ist. Bei allen (Hin-)Wegen setzt § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII den Ort der versicherten Tätigkeit als Zielpunkt fest ("nach"), lässt aber zugleich den Startpunkt offen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 2 U 16/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE 134, 203 und SozR 4-2700 § 8 Nr 82 vorgesehen - juris RdNr 12 mwN).
Um einen Arbeitsweg nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII handelte es sich hier indes nicht. Die Beigeladene erfüllte bereits mit dem Gang zum Postbriefkasten, den sie mit der objektivierten Handlungstendenz zurücklegte, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an ihren Arbeitgeber zu übermitteln, eine arbeitsvertragliche (Neben-)Pflicht und befand sich nicht erst in deren Vorbereitung.
Für die Einordnung als Betriebsweg ist dagegen nicht maßgeblich, dass andere Entscheidungen des BSG einen Weg zum Betrieb, um persönlich ein Fehlen zu entschuldigen und eine Kündigung abzuwenden (BSG Urteil vom 23.10.1970 - 2 RU 162/68 - SozR Nr 11 zu § 550 RVO - juris RdNr 17) oder um Unterlagen abzugeben (im Einzelnen indes offengelassen in BSG Urteil vom 25.2.1976 - 8 RU 58/75 - BSGE 41, 207 = SozR 2200 § 548 Nr 16 - juris RdNr 17) je nach den Umständen des Einzelfalls als versicherten Wegeunfall qualifiziert haben.
B. Die Unzuständigkeit der Beklagten folgt auch nicht aus einer Bindungswirkung des Bescheids vom 21.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015, mit dem sie gegenüber der Beigeladenen Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestandskräftig abgelehnt hat. Hierauf hat das LSG zutreffend hingewiesen.
Für Erstattungsverfahren insbesondere nach § 105 SGB X wird zwar im Ausgangspunkt angenommen, dass der in Anspruch genommene Träger gegenüber dem die Erstattung begehrenden Träger die Einwendungen geltend machen kann, die ihm hinsichtlich des Leistungsanspruches auch gegenüber dem Versicherten zustehen. Als Einwendung in diesem Sinne wird grundsätzlich nach verbreiteter, aber umstrittener Auffassung auch ein im Verhältnis zum Versicherten ergangener bindender Ablehnungsbescheid gewertet (vgl allg hierzu nur BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 14 f mwN; BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 13 mwN; Kater in BeckOGK, SGB X, § 105 RdNr 52 ff, Stand 1.5.2022; Roos in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, Vorbemerkungen zu §§ 102 - 114 RdNr 6 mwN; Felix, SGb 2021, 325 ff; Krasney, KrV 2014, 1 ff).
Indes stehen hier der Beklagten gegenüber der Beigeladenen bereits keine Einwendungen aus dem Bescheid vom 21.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015 zu. Der Bescheid enthält keinen Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) über die Ablehnung konkreter Leistungsansprüche gegenüber der Beigeladenen und keine Anerkennung oder Ablehnung des Ereignisses vom 16.11.2013 als Versicherungsfall (dazu 1.). Für den Fall einer ablehnenden Regelung zum Arbeitsunfall kann die Beklagte hieraus jedenfalls wegen offensichtlicher Fehlerhaftigkeit des Bescheids keine Einwendungen herleiten (dazu 2.).
1. Den Inhalt eines Verwaltungsakts hat das Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit festzustellen. Dabei ist Maßstab der Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB der "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat. Ausschlaggebend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung nach dem objektivierten Empfängerverständnis. Zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehalts eines Verwaltungsakts kommt es darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu und Glauben verstehen mussten oder durften. Hierbei ist der der Bestandskraft zugängliche Verfügungssatz des Bescheids zugrunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheids zu berücksichtigen. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde (stRspr; vgl zuletzt BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 2 U 9/20 R - juris RdNr 15 mwN).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze beinhaltet der Bescheid vom 21.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015 in seinem Verfügungssatz eine pauschale und umfassende Ablehnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch aus der Begründung des Bescheids folgt, dass die Beklagte nicht über konkrete Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung entscheiden wollte. Insbesondere hat die Beigeladene nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) keine Anträge auf konkrete Leistungen mit der Folge gestellt, dass der Bescheid ggf dahingehend ausgelegt werden könnte. Können pauschale Leistungsablehnungen in einem Verfügungssatz auch unter Heranziehung der Begründung in dem Bescheid nicht konkretisiert werden, sind sie ohne Regelungsgehalt (vgl BSG Urteil vom 16.3.2021 - B 2 U 17/19 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 28 RdNr 21; BSG Urteil vom 16.3.2021 - B 2 U 7/19 R - BSGE 131, 297 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 11 ff mwN; s auch BSG Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R - juris RdNr 17).
Eine eigenständige Regelung über die Ablehnung eines Versicherungsfalls (§ 7 Abs 1 SGB VII), der Grundlage eines jeden Leistungsanspruches der Beigeladenen gegenüber der Beklagten wäre, ist dem Bescheid ebenfalls nicht zu entnehmen. Einen hierauf gerichteten Verfügungssatz enthält der Bescheid nicht. Die Ausführungen zum Versicherungsfall dienen im konkreten Bescheid nur als Begründungselement, das für sich isoliert keine Regelungswirkung entfaltet.
Zwar folgt aus diesen fehlenden Regelungsinhalten nicht bereits in jedem Fall eine und auch vorliegend keine Nichtigkeit des Bescheids (§ 40 SGB X), sondern eine materielle Rechtswidrigkeit wegen Unbestimmtheit (vgl § 33 Abs 1 SGB X; Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 33 RdNr 31). Jedoch kann einem solchen Bescheid weder gegenüber dem Versicherten noch im Weiteren im Erstattungsverfahren (§ 105 SGB X) irgendeine Wirkung zukommen.
2. Aber auch bei einer ablehnenden Regelung zum Arbeitsunfall im Bescheid vom 21.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015 kann diese jedenfalls wegen offensichtlicher Fehlerhaftigkeit keine der Erstattungsforderung der Klägerin entgegenstehende Bindungswirkung entfalten.
Bestandskräftige Bescheide, die im Sozialleistungsverhältnis zum Versicherten erlassen wurden, können nicht als Einwendung im Erstattungsverfahren nach § 105 SGB X geltend gemacht werden. Weder folgt dies unmittelbar aus einer Bindungswirkung, die bereits mangels Beteiligung des Erstattungsgläubigers am Verwaltungsverfahren (§ 12 SGB X) abzulehnen ist. Auch ist eine Drittbindung aus anderen Gründen, zB einer Tatbestandswirkung oder einer Feststellungswirkung, abzulehnen. Hieran hält der Senat fest (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.8.2021 - B 2 U 1/20 R - juris RdNr 13; BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 19/18 R - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 10; BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 12 mwN; so auch unter Einschränkung auf den Erstattungsgläubiger BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 11 mwN; zustimmend zB auch Kater in BeckOGK, SGB X, § 105 RdNr 71, Stand 1.5.2022; Felix, SGb 2021, 325 ff; Krasney, KrV 2014, 1, 9).
Zwar haben andere Senate des BSG dies - zum Teil unter Einschränkungen - anders entschieden (vgl BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 13; BSG Urteil vom 26.6.2008 - B 13 R 37/07 R - BSGE 101, 86 = SozR 4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 14; BSG Urteil vom 12.5.1999 - B 7 AL 74/98 R - BSGE 84, 80 = SozR 3-1300 § 104 Nr 15 - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 8.7.1998 - B 13 RJ 49/96 R - BSGE 82, 226 = SozR 3-2600 § 99 Nr 2 - juris RdNr 18 f; jeweils mwN). Einer Anfrage an diese Senate (§ 41 Abs 3 SGG) oder einer Vorlage an den Großen Senat des BSG zur Klärung einer Grundsatzfrage (§ 41 Abs 4 SGG) bedurfte es indes hier nicht. Auch nach Auffassung dieser Senate kann eine Bindungswirkung dann nicht geltend gemacht werden, wenn die Entscheidung des zuständigen Leistungsträgers gegenüber dem Leistungsberechtigten "offensichtlich fehlerhaft" ist und sich dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirkt (vgl hierzu BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 14 mwN). Hier ist der Bescheid der Beklagten gegenüber der Beigeladenen im Sinne dieser Rechtsprechung offensichtlich fehlerhaft. Um aufwendige Ermittlungen im Erstattungsstreit und damit Doppelprüfungen zu vermeiden (vgl BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 13), wird zur Bestimmung der offensichtlichen Unrichtigkeit nur ein eingeschränkter Kontrollmaßstab angenommen. Dabei ist die Prüfung aber weder auf die Nichtigkeit (§ 40 SGB X) noch auf offenbare Unrichtigkeiten (§ 38 SGB X) begrenzt, sondern zu untersuchen, ob die getroffene Entscheidung objektiv unter Berücksichtigung der verfügbaren Entscheidungsgrundlagen dem materiellen Recht deutlich widerspricht. Der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger ist lediglich gehalten, aufgrund der vorhandenen tatsächlichen Feststellungen zu überprüfen, ob eine Änderung seines Standpunktes notwendig ist, ohne dass ein neues Verwaltungsverfahren mit erneuter Sachaufklärung durchzuführen wäre (vgl BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 26.6.2008 - B 13 R 37/07 R - BSGE 101, 86 = SozR 4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom 1.4.1993 - 1 RK 10/92 - BSGE 72, 163 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 - juris RdNr 27). Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten als Einwendung in Betracht kommenden Verwaltungsentscheidung (hier der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015).
Nach diesen Grundsätzen ist die in dem Bescheid gegenüber der Beigeladenen vertretene Auffassung der Beklagten, dass kein Arbeitsunfall vorliege, unter Zugrundelegung der langjährig gefestigten Rechtsprechung des Senats zum Versicherungsschutz bei Erfüllung vertraglicher Nebenpflichten (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20) nach objektiven Kriterien offenkundig rechtlich fehlerhaft, ohne dass es dafür weiterer Ermittlungen bedarf. Konkret zur Anzeige- und Nachweispflicht eines Arbeitnehmers im Fall einer Arbeitsunfähigkeit hat der Senat schon unter Geltung der RVO entschieden, dass es sich hierbei um vertragliche Nebenpflichten im sachlichen Zusammenhang zur Beschäftigung handelt (BSG Urteil vom 23.10.1970 - 2 RU 162/68 - SozR Nr 11 zu § 550 RVO - juris RdNr 17).
Ausschlussfristen und Verjährung stehen dem Erstattungsanspruch nicht entgegen (§§ 111, 113 SGB X). Auf der Grundlage der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist die Beklagte zur Erstattung der von der Klägerin aufgewendeten Kosten für Krankenbehandlung (§ 27 SGB V, § 26 SGB VII) und Krankengeld (§ 47 SGB V, § 47 SGB VII) in Höhe von insgesamt 10 263 Euro verpflichtet (§ 105 Abs 2 SGB X).
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 und Abs 3 Halbsatz 1, § 162 Abs 3 VwGO.
Urteil vom 30.03.2023
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Dezember 2020 und des Sozialgerichts Potsdam vom 28. September 2018 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 10 263 Euro zu erstatten.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Die bei der Klägerin krankenversicherte Beigeladene verletzte sich am 16.11.2013 auf dem Weg zum Postbriefkasten, als sie ihrem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 15.11.2013 postalisch übermitteln wollte. Für Krankenbehandlung und Krankengeld wandte die Klägerin insgesamt 10 263 Euro auf. Am 5.12.2013 meldete sie einen entsprechenden Erstattungsanspruch an, den die Beklagte mangels Versicherungsfalls zurückwies. Gegenüber der Beigeladenen lehnte die Beklagte Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestandskräftig ab, weil das Ereignis vom 16.11.2013 kein Arbeitsunfall sei (Bescheid vom 21.7.2015; Widerspruchsbescheid vom 7.10.2015).
Die Erstattungsklage ist vor dem SG (Urteil vom 28.9.2018) und dem LSG (Urteil vom 10.12.2020) ohne Erfolg geblieben: Die Beklagte habe einen Arbeitsunfall zutreffend abgelehnt, weil die Beigeladene keine versicherte Tätigkeit verrichtet und keinen Wegeunfall erlitten habe, als sie auf dem Weg zum Postbriefkasten gestürzt sei. Das Einwerfen des Briefes sei weder arbeitsvertraglich geschuldet gewesen noch von ihrem Arbeitgeber veranlasst worden. Bei der Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handele es sich auch nicht um eine aus dem Beschäftigungsverhältnis erwachsende Nebenpflicht. Die Beigeladene habe mit der Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihre gesetzlichen Anzeige- und Nachweispflichten erfüllen und ausschließlich eigene Rechte sichern wollen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stelle eine Nebenpflicht dar, die dem Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung ermögliche.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Dezember 2020 und des Sozialgerichts Potsdam vom 28. September 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 10 263 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin habe weder einen Wegeunfall erlitten noch sei sie auf einem Betriebsweg verunglückt. Denn die im Unfallzeitpunkt ausgeübte Verrichtung habe nicht im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches ist § 105 Abs 1 SGB X. Danach ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger (unter bestimmten weiteren, hier nicht infrage stehenden Voraussetzungen) dem anfänglich unzuständigen Leistungsträger erstattungspflichtig, der Sozialleistungen erbracht hat. Die Beklagte ist der für die gegenständlichen Leistungen zuständige und die Klägerin der anfänglich unzuständige Leistungsträger in diesem Sinne (dazu A.). Eine Unzuständigkeit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus der gegenüber der Beigeladenen ergangenen Leistungsablehnung (dazu B.). Weitere Gründe stehen dem Erstattungsanspruch hier nicht entgegen (dazu C.).
A. Für die Leistung zuständig ist der Sozialleistungsträger, der im Hinblick auf den erhobenen Sozialleistungsanspruch nach materiellem Recht richtigerweise sachlich befugt (passiv legitimiert) ist (vgl BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 19/18 R - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 9; BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 11; BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 10; jeweils mwN).
Als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung hat die Klägerin der Beigeladenen Krankenbehandlung als Sachleistung (§ 27 SGB V) sowie Krankengeld (§ 44 SGB V) als Geldleistung (jeweils Sozialleistungen iS des § 11 Satz 1 SGB I) erbracht bzw durch Dritte erbringen lassen (Leistungserbringer). Damit erfüllte sie indes keine eigene Leistungspflicht, denn sie war von Anfang an unzuständiger Leistungsträger. Auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung besteht aufgrund von § 11 Abs 5 Satz 1 SGB V (in der im gegenständlichen Zeitraum vom 28.12.2012 bis 22.7.2015 geltenden Fassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789) kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind.
Damit definiert § 11 Abs 5 Satz 1 SGB V die sich gegenseitig ausschließenden Leistungs- und Zuständigkeitsbereiche der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung (vgl zuletzt BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 19/18 R - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 9 mwN). Die klagende Krankenkasse hat mit der Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) der Beigeladenen Unfallfolgen beseitigt, gebessert, gemildert oder deren Verschlimmerung verhütet, wofür allein die Beklagte zuständig gewesen wäre (§ 26 SGB VII). Ferner gilt der Leistungsausschluss nach § 11 Abs 5 Satz 1 SGB V auch für den Anspruch auf Krankengeld (§ 44 SGB V), wenn die Arbeitsunfähigkeit - wie hier - auf einem Arbeitsunfall beruht (BSG Urteil vom 23.9.1997 - 2 RU 37/96 - BSGE 81, 103 = SozR 3-1300 § 105 Nr 4 - juris RdNr 29).
Die Beigeladene hat einen die Leistungspflicht der Beklagten begründenden Arbeitsunfall erlitten, als sie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an ihren Arbeitgeber versenden wollte und auf dem Weg zum Postbriefkasten stürzte. Ihr stand daher kein Anspruch auf Gewährung von Krankenbehandlung und auf Krankengeld durch die Klägerin zu (§ 11 Abs 5 Satz 1 SGB V).
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlichen begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität). Unerheblich ist, ob die Verletzung den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität; stRspr; zB BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 14/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 10 mwN).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beigeladene hat einen Unfall sowie dadurch einen Gesundheitsschaden erlitten. Sie war als Beschäftigte (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (dazu 1.). Die konkrete unfallbringende Verrichtung der postalischen Versendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber ist dieser versicherten Tätigkeit zuzurechnen (dazu 2.). Die Beigeladene befand sich auf einem versicherten Betriebsweg (§ 8 Abs 1 SGB VII) und nicht auf einem Weg nach dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII; dazu 3.).
1. Die Beigeladene erlitt einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII, als sie auf dem Weg zum Postbriefkasten stürzte. Hierbei zog sie sich Verletzungen in Form einer Luxation des Handgelenkes sowie einer Rotatorenmanschettenläsion zu. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich auch noch hinreichend, dass die Beigeladene im Zeitpunkt des Unfalls Arbeitnehmerin und daher als Beschäftigte iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII grundsätzlich gesetzlich unfallversichert war. Die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit mit der Folge der Unterbrechung der Arbeitstätigkeit steht der Beschäftigteneigenschaft nicht entgegen. Für den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung ist nicht der Status als Beschäftigter entscheidend, sondern die im Zeitpunkt des Unfalls tatsächliche Verrichtung als Beschäftigter (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 25 f).
2. Die konkrete unfallbringende Verrichtung - das postalische Versenden der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an ihren Arbeitgeber - stand in einem inneren Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit der Beigeladenen als Beschäftigte (dazu a). Ihre objektivierte Handlungstendenz war auf die Erfüllung einer dem Arbeitsverhältnis zuzurechnenden Nachweispflicht gerichtet (dazu b).
a) Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls iS des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII ist es erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit den Unfall herbeigeführt hat. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere bzw sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung müssen im Vollbeweis, dh mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (stRspr; zB BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 2 U 8/20 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 58 vorgesehen - juris RdNr 13 mwN). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (dazu b).
Bei einer grundsätzlich nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherten Tätigkeit als Beschäftigter ist ein innerer Zusammenhang gegeben, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines mit ihm begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse der Verrichtung dem Unternehmen und nicht dem Verletzten selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll.
Eine versicherte Tätigkeit im Rahmen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (zB BSG Urteil vom 6.5.2021 - B 2 U 15/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 77 RdNr 14 mwN; grundlegend BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff).
Handeln Beschäftigte zur Erfüllung einer sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Haupt- oder Nebenpflicht, ist der innere Zusammenhang nach diesen Grundsätzen unmittelbar zu bejahen. Als Nebenpflichten kommen vor allem Mitwirkungspflichten des Beschäftigten als Gläubiger von Leistungspflichten des Unternehmers (§§ 293 ff Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) und die Pflichten zur Rücksichtnahme auf dessen Rechte, Rechtsgüter und Interessen (§ 241 Abs 2 BGB) in Betracht (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 46).
Anders als das LSG hier meint, hat der Senat den Versicherungsschutz im Fall der Erfüllung von Nebenpflichten des Beschäftigten gegenüber dem Unternehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht generell weitergehend eingeschränkt. Das LSG nimmt unter Bezug auf das Senatsurteil vom 15.5.2012 an, maßgebend sei stets, dass "der Beschäftigte eigene Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Unternehmer erfüllt, die ihm zu dem Zweck obliegen, dass der Unternehmer seinerseits ihm aus dem Beschäftigtenverhältnis gegenüber den Beschäftigten treffenden Haupt- oder Nebenpflichten erfüllen" könne (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 49 ff). Weil es vorliegend an einer entsprechenden Pflicht fehle, hat das LSG einen Versicherungsschutz wegen der Erfüllung einer aus dem Beschäftigungsverhältnis erwachsenen Nebenpflicht abgelehnt.
Hiermit hat es den rechtlichen Maßstab eines Versicherungsschutzes bei der Erfüllung von Nebenpflichten indes zu eng gefasst. Wie dem vom LSG zitierten Senatsurteil zu entnehmen ist, betrifft die zitierte Passage nur einen Unterfall der versicherten Tätigkeiten. So hat der Senat im Anschluss an die gegliederte Darlegung des Versicherungsschutzes bei Erfüllung von Haupt- oder Nebenpflichten (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 44 und 45 f) ausgeführt, dass Beschäftigte "auch" dann eigene Nebenpflichten erfüllen, wenn sie Mitwirkungshandlungen vornehmen, die ihnen zu dem Zweck obliegen, dass der Unternehmer seine ihm aus dem Beschäftigtenverhältnis gegenüber den Beschäftigten treffenden Haupt- oder Nebenpflichten erfüllen kann. Eine generelle Einschränkung des Versicherungsschutzes hat der Senat damit erkennbar nicht verbunden.
Mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über das Bestehen und insbesondere die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit gegenüber ihrem Arbeitgeber erfüllen Beschäftigte eine ihnen obliegende eigene Nebenpflicht aus dem Schuldverhältnis (§ 241 Abs 2 BGB) im Sinne der vom Senat aufgestellten Maßstäbe (dazu aa). Unabhängig davon, dass der Versicherungsschutz bei der Erfüllung von Nebenpflichten - wie dargestellt - nicht darauf beschränkt ist, handelt es sich hier um eine solche Mitwirkungshandlung, die Beschäftigten zu dem Zweck obliegt, dass der Unternehmer eine ihm aus dem Beschäftigtenverhältnis gegenüber den Beschäftigten treffende Haupt- oder Nebenpflicht erfüllen kann (dazu bb). Die Sicherung der Entgeltfortzahlung durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung steht einem sachlichen Zusammenhang nicht generell entgegen (dazu cc). Die Art und Weise der Übermittlung der Bescheinigung war Beschäftigten im gegenständlichen Zeitraum freigestellt (dazu dd).
aa) Können Beschäftigte krankheitsbedingt die von ihnen geschuldete Hauptleistung nicht erbringen, gehört es zu den Nebenpflichten, den Unternehmer hierüber unverzüglich zu informieren. Die Informationspflicht entspringt dem unternehmerischen Interesse, den Einsatz der Arbeitskräfte planen und bei Verhinderung Ersatz beschaffen oder ggf Terminänderungen rechtzeitig vornehmen zu können. Die Informationspflicht ist Teil der nach § 241 Abs 2 BGB bestehenden Nebenpflichten zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils eines Schuldverhältnisses. Diese seit dem 1.1.2002 ausdrücklich normierte Pflicht wurde zuvor aus § 242 BGB abgeleitet. Arbeitsrechtlich muss jeder Vertragspartner seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so erfüllen, seine Rechte so ausüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Gleiches gilt für Beschäftigte und Unternehmer, die nicht durch ein Arbeitsverhältnis, sondern durch ein anderes Schuldverhältnis miteinander verbunden sind. Auch für den Beschäftigten zählt dazu die sog Treuepflicht, sich im Rahmen des Vertragsverhältnisses so zu verhalten, dass Leben, Körper, Eigentum und sonstige absolute Rechtsgüter des Unternehmers nicht verletzt werden (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 46 ff mwN). Davon erfasst wird auch die Rücksicht auf das unternehmerische Organisationsinteresse, Arbeitsabläufe effizient und reibungslos zu gestalten.
Zu den Nebenpflichten aus einem Arbeitsverhältnis zählt es deshalb auch, dass Beschäftigte das Bestehen und auch die Dauer einer krankheitsbedingten Abwesenheit dem Unternehmer unverzüglich mitteilen (s auch Fischinger in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2022, § 611a RdNr 1299; Reinhard in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 23. Aufl 2023, EFZG § 5 RdNr 2). Merkmal einer Beschäftigung ist, insbesondere aber nicht ausschließlich in einem Arbeitsverhältnis nach § 611a BGB, die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens (§ 7 Abs 1 SGB IV; vgl zB BAG Urteil vom 1.12.2020 - 9 AZR 102/20 - BAGE 173, 111 - juris RdNr 31 mwN). Diese ggf zu einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" reduzierte Eingliederung (stRspr; zB BSG Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - BSGE 133, 245 = SozR 4-2400 § 7 Nr 61, RdNr 12 mwN; s auch BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 33) erfordert es, dass der Unternehmer über die Einsetzbarkeit der Beschäftigten informiert ist und auf Verhinderungssituationen reagieren kann.
Diese Nebenpflichten sind für das Arbeitsverhältnis (§ 611a BGB) gesetzlich konkretisiert. Arbeitnehmer, die Versicherte einer gesetzlichen Krankenversicherung sind, waren zum Zeitpunkt des Unfalls der Beigeladenen am 16.11.2013 verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauerte die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hatte der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber war berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauerte die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, waren Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen (§ 5 Abs 1 Sätze 1 bis 4 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall - Entgeltfortzahlungsgesetz <EntgFG> in der vom 1.6.1994 bis 31.12.2021 geltenden Fassung, vgl Art 53, 68 Abs 4 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit - Pflege-Versicherungsgesetz <PflegeVG>, BGBl I 1014, 1065; zu der ab 1.1.2023 geltenden Rechtslage vgl § 5 Abs 1a EntgFG, eingefügt durch Art 9 des Dritten Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie <Drittes Bürokratieentlastungsgesetz> vom 22.11.2019, BGBl I 1746; in Kraft ab 1.1.2023, vgl Art 16 Abs 4 Drittes Bürokratieentlastungsgesetz, Art 12b des Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation sowie zur Modernisierung der Sozialversicherungswahlen und zur Änderung anderer Gesetze <Gesetz Digitale Rentenübersicht> vom 11.2.2021, BGBl I 154, und Art 4b des Gesetzes zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen vom 23.3.2022, BGBl I 482; s auch Janko/Krüger, NZA 2023, 282).
Die Mitteilungspflicht aus § 5 Abs 1 Satz 1 EntgFG begründet eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Sie trägt dem Dispositionsgrundsatz des Arbeitgebers im oben genannten Sinn Rechnung, sich auf das Fehlen des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers möglichst frühzeitig einstellen zu können, um Arbeitseinsätze seiner Arbeitnehmer zuverlässig planen zu können (so bereits zur Vorgängervorschrift in § 3 Lohnfortzahlungsgesetz <LFZG> BAG Urteil vom 31.8.1989 - 2 AZR 13/89 - NZA 1990, 433 - juris RdNr 19). Die Mitteilungspflicht besteht auch im Fall der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit (BAG Urteil vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19 - NJW 2020, 2428 - juris RdNr 30 f; vgl noch zu § 3 LFZG BAG Urteil vom 16.8.1991 - 2 AZR 604/90 - NZA 1993, 17 - juris RdNr 23) und unabhängig davon, ob im Einzelfall ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht (BAG Urteil vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19 - NJW 2020, 2428 - juris RdNr 17; angedeutet bereits in BAG Urteil vom 11.7.2013 - 2 AZR 241/12 - NZA 2013, 1259 - juris RdNr 29). Unerheblich für das Bestehen der Mitteilungspflicht ist schließlich, ob ihre Verletzung zu betrieblichen Ablaufstörungen führt oder nicht (BAG Urteil vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19 - NJW 2020, 2428 - juris RdNr 41; BAG Urteil vom 16.8.1991 - 2 AZR 604/90 - NZA 1993, 17 - juris RdNr 35). Das hat der Senat bereits entschieden, dass Verrichtungen zur Erfüllung der Mitteilungspflicht über das Bestehen und die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich im inneren Zusammenhang mit der Beschäftigtentätigkeit stehen und daher versichert sind. Hierfür ist es entgegen der Ansicht der Beklagten unbeachtlich, ob sich der Arbeitgeber bereits auf eine längere Abwesenheit des Arbeitnehmers eingestellt hat (BSG Urteil vom 23.10.1970 - 2 RU 162/68 - SozR Nr 11 zu § 550 RVO - juris RdNr 5, 17).
Die Mitteilungspflicht aus § 5 Abs 1 Satz 1 EntgFG wird durch die Nachweispflicht nach § 5 Abs 1 Sätze 2 und 4 EntgFG ergänzt, auch wenn diese regelmäßig hinter der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung zurücktritt. Auch sie dient in Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dem Dispositionsinteresse des Arbeitsgebers, der erst durch die ärztliche Bestätigung zuverlässige Kenntnis über das Bestehen und insbesondere die Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erlangt (zB noch zu § 3 LFZG BAG Urteil vom 15.1.1986 - 7 AZR 128/83 - NZA 1987, 93 - juris RdNr 17; BAG Urteil vom 27.8.1971 - 1 AZR 107/71 - BAGE 23, 411 - juris RdNr 10; zB Oetker in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2022, § 616 RdNr 351, 353; Knorr/Krasney in Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, § 5 EFZG RdNr 24, 36, Stand 2022; Ricken in Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK ArbR, 67. Ed 1.3.2023, § 5 EFZG RdNr 11; Vogelsang in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Aufl 2022, § 5 EFZG, RdNr 4). Daher können Arbeitgeber in Erweiterung der vertraglichen Nebenpflichten der Arbeitnehmer bereits für den ersten Tag die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen (§ 5 Abs 1 Satz 3 EntgFG, dazu zB BAG Urteil vom 26.2.2003 - 5 AZR 112/02 - BAGE 105, 171; Oetker in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2022, § 616 RdNr 360). Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs 1 Sätze 2 und 4 EntgFG dient darüber hinaus dem Zweck, einem Missbrauch im Entgeltfortzahlungsrecht entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 12/5263 S 14; BT-Drucks 12/5798 S 26; s hierzu auch BAG Urteil vom 7.5.2020 - 2 AZR 619/19 - NJW 2020, 2428 - juris RdNr 28 ff; BAG Urteil vom 21.11.2018 - 7 AZR 394/17 - NZA 2019, 309 - juris RdNr 43).
Verrichtungen zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stehen daher - wie Verrichtungen zur Erfüllung der Mitteilungspflicht - im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Auch dies hat der Senat bereits vor Einführung der gesetzlichen Bestimmungen zur Lohnfortzahlung (§ 3 LFZG, § 5 EntgFG) entschieden (BSG Urteil vom 23.10.1970 - 2 RU 162/68 - SozR Nr 11 zu § 550 RVO - juris RdNr 17).
Von dieser arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zu trennen ist die Obliegenheit eines Arbeitnehmers seiner Krankenkasse gegenüber, die für sie vorgesehene Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu übermitteln. Der Versicherte bewahrt sich damit einen Anspruch auf Krankengeld (§ 46 Satz 1 Nr 2, § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V in der bis 31.12.2020 geltenden Fassung; vgl BSG Urteil vom 26.9.2019 - B 3 KR 1/19 R - NZS 2020, 419 - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - BSGE 127, 53 = SozR 4-2500 § 49 Nr 8, RdNr 17 ff; zur Rechtslage ab 1.1.2021 vgl LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 16.11.2022 - L 10 KR 245/22 - KrV 2023, 38 - anhängig BSG - B 3 KR 23/22 R). Die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse erfolgt maßgeblich zu dem Zweck, ihr die Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu ermöglichen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (zB BSG Urteil vom 5.12.2019 - B 3 KR 5/19 R - juris RdNr 17 mwN; BSG Urteil vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R - BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 17). Insoweit knüpfen die gesetzlichen Vorschriften zur Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die Krankenkasse maßgeblich an das Sozialrechtsverhältnis mit dieser an, welches keinen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu begründen vermag. Einen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit hat der Senat daher konsequent auch im Fall der persönlichen Abgabe einer vom Arbeitgeber auszufüllenden, aber für die Rentenversicherung bestimmten Bescheinigung abgelehnt (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20).
bb) Mit Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs 1 Sätze 2 und 4 EntgFG erfüllen versicherte Beschäftigte die gesetzlich konkretisierte Nebenpflicht, die den Arbeitgeber in die Lage versetzt, im Einzelfall seinerseits der fortbestehenden Pflicht zur Entgeltzahlung nach § 3 EntgFG nachzukommen. Denn die Arbeitsunfähigkeit lässt den Anspruch auf Entgeltzahlung nicht entfallen (vgl dazu zB BAG Urteil vom 19.2.1997 - 5 AZR 83/96 - BAGE 85, 167 - juris RdNr 36; Knorr/Krasney in Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, § 5 EFZG RdNr 12, Stand 2022; Reinhard in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 23. Aufl 2023, EFZG § 5 RdNr 2;). Durch § 7 Abs 1 Nr 1 EntgFG wird dem Arbeitgeber nur ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt.
cc) Zwar haben auch Arbeitnehmer im Einzelfall ein privatwirtschaftliches Interesse an der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, um eine Entgeltfortzahlung zu sichern (vgl § 7 Abs 1 Nr 1 EntgFG) oder vor unberechtigter Kündigung geschützt zu sein (vgl BAG Urteil vom 21.11.2018 - 7 AZR 394/17 - NZA 2019, 309 - juris RdNr 43). Dieses tritt jedoch hinter den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten aus § 5 Abs 1 Sätze 2 und 4 EntgFG jedenfalls dann zurück, wenn die objektivierte Handlungstendenz im Einzelfall nicht überwiegend auf die Erfüllung dieser privatwirtschaftlichen Interessen gerichtet ist (dazu b).
dd) Das Gesetz enthielt zu der im Zeitpunkt des Unfalls der Beigeladenen geltenden Fassung des PflegeVG (aaO) keine Vorgaben, in welcher Art und Weise die in Papier ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber zu übermitteln war. Den Regelweg stellte jedoch wie vorliegend beabsichtigt die postalische Übersendung des Originals an den Arbeitgeber dar. Soweit die Beklagte vorbringt, Arbeitnehmer seien zu einer postalischen Versendung des Nachweises nicht gezwungen gewesen, führt dies nicht zum Entfallen eines sachlichen Zusammenhanges. Denn einem Beschäftigten steht es jenseits konkreter Weisungen des Arbeitgebers (§ 315 BGB) grundsätzlich frei, wie er seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erfüllt.
b) Als die Beigeladene auf dem Weg zum Postbriefkasten stürzte, war sie auf Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 163 SGG) mit der objektivierten Handlungstendenz unterwegs, eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zu erfüllen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthielt nach den Feststellungen des LSG Informationen über das Bestehen und das (baldige) Ende der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Das Verhalten der Beigeladenen war in Erfüllung der Nachweispflichten aus § 5 Abs 1 Sätze 2 und 4 EntgFG darauf gerichtet, einer eigenen objektiv bestehenden Pflicht aus ihrem Beschäftigungsverhältnis nachzukommen. Primär steht für den Beschäftigten grundsätzlich das Interesse im Vordergrund, die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen - seien es auch "nur" Nebenpflichten. So verhält es sich auch bezüglich der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Für die Annahme einer anderen Handlungstendenz der Beigeladenen bieten die Feststellungen des LSG keinen Anhalt.
3. Die Beigeladene hat zum Unfallzeitpunkt einen versicherten Betriebsweg zurückgelegt (§ 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII). Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen. Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen und unterscheiden sich von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen. Sie sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb der Betriebsstätte anfallen. Ein Betriebsweg kann auch von zu Hause angetreten werden, wenn er unmittelbar der Erfüllung einer Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis dient. Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob er also eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (stRspr; zuletzt BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 14/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 39 mwN).
Hingegen zählt zu den in der sog Wegeunfallversicherung nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dabei ist nicht der Weg als solcher, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf einer Strecke, die durch einen Start- und einen Zielpunkt begrenzt ist. Bei allen (Hin-)Wegen setzt § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII den Ort der versicherten Tätigkeit als Zielpunkt fest ("nach"), lässt aber zugleich den Startpunkt offen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 2 U 16/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE 134, 203 und SozR 4-2700 § 8 Nr 82 vorgesehen - juris RdNr 12 mwN).
Um einen Arbeitsweg nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII handelte es sich hier indes nicht. Die Beigeladene erfüllte bereits mit dem Gang zum Postbriefkasten, den sie mit der objektivierten Handlungstendenz zurücklegte, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an ihren Arbeitgeber zu übermitteln, eine arbeitsvertragliche (Neben-)Pflicht und befand sich nicht erst in deren Vorbereitung.
Für die Einordnung als Betriebsweg ist dagegen nicht maßgeblich, dass andere Entscheidungen des BSG einen Weg zum Betrieb, um persönlich ein Fehlen zu entschuldigen und eine Kündigung abzuwenden (BSG Urteil vom 23.10.1970 - 2 RU 162/68 - SozR Nr 11 zu § 550 RVO - juris RdNr 17) oder um Unterlagen abzugeben (im Einzelnen indes offengelassen in BSG Urteil vom 25.2.1976 - 8 RU 58/75 - BSGE 41, 207 = SozR 2200 § 548 Nr 16 - juris RdNr 17) je nach den Umständen des Einzelfalls als versicherten Wegeunfall qualifiziert haben.
B. Die Unzuständigkeit der Beklagten folgt auch nicht aus einer Bindungswirkung des Bescheids vom 21.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015, mit dem sie gegenüber der Beigeladenen Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestandskräftig abgelehnt hat. Hierauf hat das LSG zutreffend hingewiesen.
Für Erstattungsverfahren insbesondere nach § 105 SGB X wird zwar im Ausgangspunkt angenommen, dass der in Anspruch genommene Träger gegenüber dem die Erstattung begehrenden Träger die Einwendungen geltend machen kann, die ihm hinsichtlich des Leistungsanspruches auch gegenüber dem Versicherten zustehen. Als Einwendung in diesem Sinne wird grundsätzlich nach verbreiteter, aber umstrittener Auffassung auch ein im Verhältnis zum Versicherten ergangener bindender Ablehnungsbescheid gewertet (vgl allg hierzu nur BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 14 f mwN; BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 13 mwN; Kater in BeckOGK, SGB X, § 105 RdNr 52 ff, Stand 1.5.2022; Roos in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, Vorbemerkungen zu §§ 102 - 114 RdNr 6 mwN; Felix, SGb 2021, 325 ff; Krasney, KrV 2014, 1 ff).
Indes stehen hier der Beklagten gegenüber der Beigeladenen bereits keine Einwendungen aus dem Bescheid vom 21.7.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015 zu. Der Bescheid enthält keinen Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) über die Ablehnung konkreter Leistungsansprüche gegenüber der Beigeladenen und keine Anerkennung oder Ablehnung des Ereignisses vom 16.11.2013 als Versicherungsfall (dazu 1.). Für den Fall einer ablehnenden Regelung zum Arbeitsunfall kann die Beklagte hieraus jedenfalls wegen offensichtlicher Fehlerhaftigkeit des Bescheids keine Einwendungen herleiten (dazu 2.).
1. Den Inhalt eines Verwaltungsakts hat das Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit festzustellen. Dabei ist Maßstab der Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB der "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat. Ausschlaggebend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung nach dem objektivierten Empfängerverständnis. Zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehalts eines Verwaltungsakts kommt es darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu und Glauben verstehen mussten oder durften. Hierbei ist der der Bestandskraft zugängliche Verfügungssatz des Bescheids zugrunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheids zu berücksichtigen. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde (stRspr; vgl zuletzt BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 2 U 9/20 R - juris RdNr 15 mwN).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze beinhaltet der Bescheid vom 21.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015 in seinem Verfügungssatz eine pauschale und umfassende Ablehnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch aus der Begründung des Bescheids folgt, dass die Beklagte nicht über konkrete Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung entscheiden wollte. Insbesondere hat die Beigeladene nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) keine Anträge auf konkrete Leistungen mit der Folge gestellt, dass der Bescheid ggf dahingehend ausgelegt werden könnte. Können pauschale Leistungsablehnungen in einem Verfügungssatz auch unter Heranziehung der Begründung in dem Bescheid nicht konkretisiert werden, sind sie ohne Regelungsgehalt (vgl BSG Urteil vom 16.3.2021 - B 2 U 17/19 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 28 RdNr 21; BSG Urteil vom 16.3.2021 - B 2 U 7/19 R - BSGE 131, 297 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 11 ff mwN; s auch BSG Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R - juris RdNr 17).
Eine eigenständige Regelung über die Ablehnung eines Versicherungsfalls (§ 7 Abs 1 SGB VII), der Grundlage eines jeden Leistungsanspruches der Beigeladenen gegenüber der Beklagten wäre, ist dem Bescheid ebenfalls nicht zu entnehmen. Einen hierauf gerichteten Verfügungssatz enthält der Bescheid nicht. Die Ausführungen zum Versicherungsfall dienen im konkreten Bescheid nur als Begründungselement, das für sich isoliert keine Regelungswirkung entfaltet.
Zwar folgt aus diesen fehlenden Regelungsinhalten nicht bereits in jedem Fall eine und auch vorliegend keine Nichtigkeit des Bescheids (§ 40 SGB X), sondern eine materielle Rechtswidrigkeit wegen Unbestimmtheit (vgl § 33 Abs 1 SGB X; Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 33 RdNr 31). Jedoch kann einem solchen Bescheid weder gegenüber dem Versicherten noch im Weiteren im Erstattungsverfahren (§ 105 SGB X) irgendeine Wirkung zukommen.
2. Aber auch bei einer ablehnenden Regelung zum Arbeitsunfall im Bescheid vom 21.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015 kann diese jedenfalls wegen offensichtlicher Fehlerhaftigkeit keine der Erstattungsforderung der Klägerin entgegenstehende Bindungswirkung entfalten.
Bestandskräftige Bescheide, die im Sozialleistungsverhältnis zum Versicherten erlassen wurden, können nicht als Einwendung im Erstattungsverfahren nach § 105 SGB X geltend gemacht werden. Weder folgt dies unmittelbar aus einer Bindungswirkung, die bereits mangels Beteiligung des Erstattungsgläubigers am Verwaltungsverfahren (§ 12 SGB X) abzulehnen ist. Auch ist eine Drittbindung aus anderen Gründen, zB einer Tatbestandswirkung oder einer Feststellungswirkung, abzulehnen. Hieran hält der Senat fest (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.8.2021 - B 2 U 1/20 R - juris RdNr 13; BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 19/18 R - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 10; BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 12 mwN; so auch unter Einschränkung auf den Erstattungsgläubiger BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 11 mwN; zustimmend zB auch Kater in BeckOGK, SGB X, § 105 RdNr 71, Stand 1.5.2022; Felix, SGb 2021, 325 ff; Krasney, KrV 2014, 1, 9).
Zwar haben andere Senate des BSG dies - zum Teil unter Einschränkungen - anders entschieden (vgl BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 13; BSG Urteil vom 26.6.2008 - B 13 R 37/07 R - BSGE 101, 86 = SozR 4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 14; BSG Urteil vom 12.5.1999 - B 7 AL 74/98 R - BSGE 84, 80 = SozR 3-1300 § 104 Nr 15 - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 8.7.1998 - B 13 RJ 49/96 R - BSGE 82, 226 = SozR 3-2600 § 99 Nr 2 - juris RdNr 18 f; jeweils mwN). Einer Anfrage an diese Senate (§ 41 Abs 3 SGG) oder einer Vorlage an den Großen Senat des BSG zur Klärung einer Grundsatzfrage (§ 41 Abs 4 SGG) bedurfte es indes hier nicht. Auch nach Auffassung dieser Senate kann eine Bindungswirkung dann nicht geltend gemacht werden, wenn die Entscheidung des zuständigen Leistungsträgers gegenüber dem Leistungsberechtigten "offensichtlich fehlerhaft" ist und sich dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirkt (vgl hierzu BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 2 U 16/16 R - SozR 4-1300 § 105 Nr 6 RdNr 14 mwN). Hier ist der Bescheid der Beklagten gegenüber der Beigeladenen im Sinne dieser Rechtsprechung offensichtlich fehlerhaft. Um aufwendige Ermittlungen im Erstattungsstreit und damit Doppelprüfungen zu vermeiden (vgl BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 13), wird zur Bestimmung der offensichtlichen Unrichtigkeit nur ein eingeschränkter Kontrollmaßstab angenommen. Dabei ist die Prüfung aber weder auf die Nichtigkeit (§ 40 SGB X) noch auf offenbare Unrichtigkeiten (§ 38 SGB X) begrenzt, sondern zu untersuchen, ob die getroffene Entscheidung objektiv unter Berücksichtigung der verfügbaren Entscheidungsgrundlagen dem materiellen Recht deutlich widerspricht. Der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger ist lediglich gehalten, aufgrund der vorhandenen tatsächlichen Feststellungen zu überprüfen, ob eine Änderung seines Standpunktes notwendig ist, ohne dass ein neues Verwaltungsverfahren mit erneuter Sachaufklärung durchzuführen wäre (vgl BSG Urteil vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-1300 § 105 Nr 5, RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 26.6.2008 - B 13 R 37/07 R - BSGE 101, 86 = SozR 4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom 1.4.1993 - 1 RK 10/92 - BSGE 72, 163 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 - juris RdNr 27). Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten als Einwendung in Betracht kommenden Verwaltungsentscheidung (hier der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2015).
Nach diesen Grundsätzen ist die in dem Bescheid gegenüber der Beigeladenen vertretene Auffassung der Beklagten, dass kein Arbeitsunfall vorliege, unter Zugrundelegung der langjährig gefestigten Rechtsprechung des Senats zum Versicherungsschutz bei Erfüllung vertraglicher Nebenpflichten (BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20) nach objektiven Kriterien offenkundig rechtlich fehlerhaft, ohne dass es dafür weiterer Ermittlungen bedarf. Konkret zur Anzeige- und Nachweispflicht eines Arbeitnehmers im Fall einer Arbeitsunfähigkeit hat der Senat schon unter Geltung der RVO entschieden, dass es sich hierbei um vertragliche Nebenpflichten im sachlichen Zusammenhang zur Beschäftigung handelt (BSG Urteil vom 23.10.1970 - 2 RU 162/68 - SozR Nr 11 zu § 550 RVO - juris RdNr 17).
Ausschlussfristen und Verjährung stehen dem Erstattungsanspruch nicht entgegen (§§ 111, 113 SGB X). Auf der Grundlage der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist die Beklagte zur Erstattung der von der Klägerin aufgewendeten Kosten für Krankenbehandlung (§ 27 SGB V, § 26 SGB VII) und Krankengeld (§ 47 SGB V, § 47 SGB VII) in Höhe von insgesamt 10 263 Euro verpflichtet (§ 105 Abs 2 SGB X).
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 und Abs 3 Halbsatz 1, § 162 Abs 3 VwGO.