07.01.2020 · IWW-Abrufnummer 213388
Amtsgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 25.09.2019 – 31 C 2619/19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
AG Frankfurt
Abteilung 31
Aktenzeichen: 31 C 2619/19 (12)
Versäumnisurteil
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 800,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.10.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 11 Prozent und die Beklagte 89 Prozent zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt das beklagte Luftfahrtunternehmen aus eigenem und abgetretenem Recht auf Ausgleichszahlungen nach der VO (EG) Nr. 261/2004 in Anspruch.
Der Kläger und die Zedentin, die Ehefrau des Klägers, verfügten jeweils über eine bestätigte Buchung für die Flüge vom 04.09.2018 von Porto nach Lissabon und von Lissabon nach Frankfurt am Main. Die Flugentfernung betrug ca. 1.890 Kilometer. Der Flug XXX sollte planmäßig am 04.09.2018 um 16.30 Uhr Ortszeit in Porto starten und um 17.30 Uhr Ortszeit in Lissabon landen. Planmäßiger Abflug des Anschlussfluges XXX in Lissabon war 18.20 Uhr Ortszeit mit planmäßiger Landung in Frankfurt am Main um 22.20 Uhr Ortszeit. Der Flug XXX wurde verspätet durchgeführt, so dass der Kläger und die Zedentin den Anschlussflug nicht mehr erreichten und in Lissabon erst am 05.09.2018 um 8.30 Uhr abflogen. Die Zedentin trat ihre Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.09.2018 wurde die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 12.10.2018 zu der Zahlung der Ausgleichsleistungen in Höhe von insgesamt 800,00 EUR aufgefordert. Die Beklagte leistete keine Zahlung.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 800,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.10.2018 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,82 EUR freizustellen.
Die Beklagte hat auf die ihr am 15.06.2019 zugestellte gerichtliche Aufforderung vom 13.06.2019 keine Verteidigungsbereitschaft angezeigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Klageschrift vom 24.05.2019 nebst Anlagen sowie die sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu Ziff. 1 schlüssig. Hinsichtlich des eine Nebenforderung beinhaltenden Klageantrags zu Ziff. 2 ist die Klage unschlüssig und daher nach erteiltem Hinweis gemäß § 331 Abs. 3 Satz 3 ZPO mittels eines kontradiktorischen Teil-Endurteils abzuweisen.
I.
Dem Kläger stehen aus eigenem und abgetretenem Recht gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche in Höhe von insgesamt 800,00 EUR gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c), 7 Abs. 1 Buchst. b) VO (EG) Nr. 261/2004 i.V.m. § 398 BGB zu.
Der Anwendungsbereich der Verordnung ist nach deren Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 eröffnet. Art. 5, 6 und 7 VO (EG) Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d.h. wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen (EuGH, Urteil vom 23.10.2012 ‒ C-581/2010, juris; Urteil vom 19.11.2009 ‒ C 402-07, EuZW 2009, 890; BGH, Urteil vom 18.02.2010 ‒ Xa ZR 95/06, juris). Vorliegend erreichten der Kläger und die Zedentin das Endziel mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden und damit erheblich verspätet. Der dem Kläger und der Zedentin jeweils zustehende Ausgleichsanspruch beläuft sich auf 400,00 EUR. Die Beklagte hat dem Vortrag des Klägers nichts entgegen gesetzt, so dass dessen Vortrag als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO.
II.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Der Klageantrag zu Ziff. 2 ist unschlüssig. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 286 Abs. 1, 249 BGB zu.
Eine Beauftragung der anwaltlichen Bevollmächtigten mit der außergerichtlichen Vertretung durch den Kläger und die Zedentin nach Verzugseintritt oder eine Verletzung der Verpflichtung gemäß Art. 14 Abs. 2 VO (EG) Nr. 261/2004 durch die Beklagte ist auch auf entsprechenden Hinweis des Gerichts weder dargetan noch ersichtlich. Die Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Beförderung durch ein Luftverkehrsunternehmen begründet keinen Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten, die durch die außergerichtliche Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs nach der Fluggastrechte-VO entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2019 ‒ X ZR 88/18, NJW 2019, 1461).
Da an die Klägerseite ein Hinweis gemäß § 331 Abs. 3 Satz 3 ZPO erteilt worden ist, ist eine Entscheidung mittels kontradiktorischen Endurteils, mithin eines sogenannten „unechten Versäumnisurteils“, hinsichtlich des eine Nebenforderung beinhaltenden Klageantrags zu Ziff. 2 zulässig. Insofern ist die Klage daher abzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Obwohl die Teilklageabweisung sich ausschließlich auf Nebenforderungen bezieht, sind diese im Rahmen der Kostenentscheidung unter Zugrundelegung eines fiktiven Streitwerts, der aus Haupt- und Nebenforderungen besteht, zu berücksichtigen, da deren Wert 10 Prozent dieses fiktiven Streitwerts übersteigt und diese damit nicht mehr als „verhältnismäßig geringfügig“ i.S.d. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO angesehen werden können (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 32. Auflage, 2018, § 92 Rn. 11 m.w.N.). In der Folge war eine Quotelung entsprechend der vorgenommenen Tenorierung vorzunehmen.
V.
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 2, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.