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  • 25.09.2024 · IWW-Abrufnummer 243941

    Arbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 05.06.2024 – 4 Ca 700/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Arbeitsgericht Gera

    4 Ca 700/23

    Verkündet am 05.06.2024

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Rechtsstreit
             - Kläger -
    Prozessbevollmächtigter:
              
    gegen
    - Beklagter -
    Prozessbevollmächtigte/r:
              
    hat das Arbeitsgericht Gera, 4. Kammer auf die mündliche Verhandlung vom 05.06.2024 durch xxx für Recht erkannt:

    1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien vom 01.07.2019 bis 31.12.2022 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
    2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
    3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.500,00 € festgesetzt.
     
    Tatbestand

    Die Parteien streiten über den Rechtscharakter ihres Vertragsverhältnisses.

    Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

    Der Beklagte vertritt die Auffassung, es habe sich um einen Dienstvertrag für eine selbstständige Tätigkeit gehandelt.

    Der Beklagte ist ein Fußballverein. Seine 1. Herrenmannschaft spielt in der Thüringenliga und hat Aufstiegsambitionen in die Oberliga Nord-Ost.

    Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist verheiratet und hat ein Kind.

    Er ist als selbstständiger Handwerker im Bereich Innenausbau tätig. 

    Er verfügt über eine Lizenz als Fußballtrainer.

    Am 15.05.2019 haben die Parteien einen Übungsleitervertrag (Bl. 8 ff. der Akte) geschlossen. Darin wurde der Beklagte als Auftraggeber und der Kläger als Auftragnehmer bezeichnet. Es wurde eine Tätigkeit als nebenberuflicher selbstständiger Übungsleiter mit der Aufgabenstellung „Trainer der 1. Männermannschaft“ vereinbart. Die Vertragsparteien gingen für die Tätigkeit von mindestens 8 Übungsstunden pro Woche aus. Die honorarpflichtige Übungsstunde sollte mindestens 60 Minuten betragen.

    Die Vergütung war in „§ 4 Honorarsätze“ perplex geregelt.

    Zunächst wurde auf den gemäß § 3 Nr. 26 EStG derzeit geltenden jährlichen Betrag in Höhe von 2.400,00 € als steuer- und sozialversicherungsfreie Einvernahme abgestellt, der der Höhe nach beliebig aufgeteilt werden kann.

    Im Weiteren wurde geregelt, dass ‒ gegebenenfalls ‒ Einnahmen in Höhe von 500,00 € monatlich erzielt werden. Diese sollten durch den Auftragnehmer dem Verein in Rechnung gestellt werden. Weiterhin sollte ein Fahrzeug kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

    Der Vertrag war befristet für die Zeit vom 01.07.2019 bis 30.06.2021. Diese 2 Jahre werden in § 6 als Mindestlaufzeit bezeichnet. Anschließend wurde der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen. Beide Vertragsparteien waren berechtigt, unter Einhaltung einer Frist von 6 Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres schriftlich zu kündigen.

    Am 04.05.2021 haben die Parteien veröffentlicht, dass sie sich auf eine Verlänge-rung des Vertrages um 2 Jahre geeinigt haben (Bl. 14 der Akte).

    Am 30.05.2022 wurde der Kläger als Trainer der 1. Herrenmannschaft freigestellt.

    Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Vergütung bis einschließlich Juni 2022 gezahlt worden ist.

    Ab dem Monat Juli 2022 hat der Beklagte keine Vergütung mehr gezahlt.

    Am 01.07.2022 hat der Kläger eine neue Tätigkeit als Co-Trainer beim SV Blau-Weiß-Z. e.V. aufgenommen. Dieser Verein spielt in der Verbandsliga Sachsen-Anhalt und möchte ebenfalls in die Oberliga Nord-Ost aufsteigen.

    Unter dem 31.07.2022 hat der Kläger dem Beklagten die Rechnung Nr. 22/2022 (Bl. 64 der Akte) für 20 Stunden Anlagenpflege und Instandhaltung zu je 25,00 €, mithin über 500,00 € netto gestellt. Zzgl. der Mehrwertsteuer von 95,00 € beläuft sich der Gesamtbetrag auf 595,00 €.

    Unter dem 26.09.2022 hat der Kläger eine analoge Rechnung Nr. 29/2022 (Bl. 13, 65 der Akte) gestellt.

    Mit Schreiben vom 26.09.2022 hat der Beklagte den Übungsleitervertrag ordentlich zum 31.12.2022, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, gekündigt (Bl. 15 der Akte, lesenswert). 

    Unter dem 07.11.2022 hat der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gestellt (Bl. 100 ff. der Akte) zu dem die Anlage zur Beschreibung des Auftragsverhältnisses (Bl. 107 f. der Akte) gehört.

    Der Antrag ist am 15.11.2022 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eingegangen (Bl. 21 der Akte).

    Unter dem 08.02.2023 hat die Deutsche Rentenversicherung Bund festgestellt, dass der Kläger als Trainer eine abhängige Beschäftigung ausgeübt hat (Bl. 18 ff. der Akte).

    Gegen den Bescheid hat der Beklagte mit Eingang 17.03.2023 fristgerecht (Bl. 55 der Akte) Widerspruch erhoben. Der Widerspruch ist mit Schreiben vom 24.04.2023 (Bl. 57 ff. der Akte) begründet worden. Zwischenzeitlich hat die Deutsche Rentenversicherung Bund den Widerspruch zurückgewiesen. Gegen den Widerspruchsbescheid läuft das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Altenburg.

    Der Kläger trägt vor, er sei für den Beklagten als Arbeitnehmer tätig gewesen, weil er zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet gewesen sei.

    Der Kläger beantragt,

    festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis vom 01.07.2019 bis 31.12.2022 bestand.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor, es habe sich um einen freien Dienstvertrag eines selbstständig Tätigen gehandelt.

    Die Tätigkeit eines Übungsleiters mit der Aufgabe „Trainer der 1. Herrenmannschaft“ erfülle die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses nicht. Der Trainer sei selbstständig, nicht weisungsgebunden und ebenso wenig in die Arbeitsorganisation des Beklagten eingebunden.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst allen dazugehörenden Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 19.07.2023 und 05.06.2024 Bezug genommen. 

    Entscheidungsgründe

    Die Klage hat Erfolg.

    Der Kläger war als Arbeitnehmer tätig.

    Das Arbeitsverhältnis hat vom 01.07.2019 bis zum 31.12.2022 bestanden.

    Die Klage ist zulässig.

    Die Voraussetzungen der Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Streitgegenstand ist die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, dass das Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis gewesen ist. Das besondere Feststellungsin-teresse folgt zum einen daraus, dass der Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses bestreitet. Darüber hinaus ergeben sich aus der Qualifizierung des Rechtsverhältnisses sozialversicherungsrechtliche Folgen. Außerdem streitet der Kläger mit dem Beklagten über Vergütungsansprüche. Er begehrt noch Annahmeverzug für den Zeitraum Juli bis Dezember 2022 und möglicherweise die Vergütung in der Vergangenheit geleisteter Überstunden.

    Die Klage ist auch begründet.

    Der Kläger war als Übungsleiter mit der Aufgabe „Trainer der 1. Herrenmannschaft“ im Fußball mit Lizenz als Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für den Beklagten tätig.

    Der Arbeitsvertrag ist ein Sonderfall des Dienstvertrages. Seine Voraussetzungen hat der Gesetzgeber mittlerweile in § 611a BGB geregelt. Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. In diesen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen hat der Gesetzgeber die ständige Rechtsprechung des BAG übernommen. Nach ihr sind für den Begriff des Arbeitnehmers vor allem 3 Voraussetzungen zu erfüllen:

    1. das leisten von Arbeit
    2. aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages
    3. das Bestehen einer persönlichen Abhängigkeit.

    Die beiden ersten Voraussetzungen sind zwischen den Parteien nicht streitig. Der Kläger hat als Fußballtrainer im Dienste des Beklagten Arbeit aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages geleistet.

    Das Bestehen einer persönlichen Abhängigkeit steht zur Überzeugung des Gerichts fest.

    Auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit kommt es dabei nicht an. Arbeitnehmer kann auch sein, wer aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse auf den Arbeitsverdienst nicht angewiesen ist. Es kann daher dahinstehen, in welchem Umfang der Kläger als selbstständiger Handwerker im Bereich Innenausbau tätig ist und ob er dort ausreichend Geld verdient, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

    Das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit dient der Abgrenzung vom freien Dienstvertrag. Das BAG formuliert dabei wie folgt: „Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben, oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles an. Arbeitnehmer ist insbesondere der Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. § 84 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 HGB enthält insoweit eine über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende gesetzliche Wertung.“

    Wesentlicher Indikator der persönlichen Abhängigkeit ist damit das Weisungsrecht (§ 106 GewO) hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung.

    Bei Anwendung dieses Maßstabes war der Kläger als Arbeitnehmer tätig. 

    Der Beklagte hat den Kläger als Übungsleiter mit der Aufgabenstellung „Trainer der 1. Männermannschaft“ eingestellt. Damit war der Inhalt der Arbeitsleistung konkret bestimmt. Ort und Zeit der Arbeitsleistung ergeben sich aus der Aufgabenstellung. Für das Training der 1. Männermannschaft musste der Kläger das von dem Beklagten zur Verfügung gestellte Trainingsgelände benutzen. Auch die Trainingszeiten sind vorgegeben durch die Organisation des Vereines. Es ist lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger selbst bestimmen durfte, wann Training durchzuführen ist. Darüber hinaus ist der Trainer bei den Spielen der Mannschaft anwesend. Auch hier kann er nicht über die Zeit der Arbeitsleistung selbst verfügen. 

    Lediglich bei der Art und Weise des Trainings und den angewendeten Trainingsmethoden kann der Trainer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten. Dass er dabei unter einem erheblichen Erfolgsdruck steht, ergibt sich aus der Natur seiner Aufgabe. Die Auffassung des Beklagten, dass dieser Erfolgsdruck einem wirtschaftlichen Risiko vergleichbar ist mit der Folge der Verneinung einer abhängigen Beschäftigung, folgt das Gericht ausdrücklich nicht. Die Argumentation ist nicht überzeugend und erscheint abwegig. Für das Gericht steht fest, das ein Trainer mit Lizenz, der die 1. Männermannschaft eines Fußballvereins zum Aufstieg führen soll, in die Arbeitsorganisation des Vereins eingegliedert ist und zur persönlichen Dienstleistung verpflichtet ist. Ein solcher Trainer kann seine Tätigkeit nicht im Wesentlichen frei gestalten oder seine Arbeitszeit frei bestimmen. Daher ist er kein Selbstständiger. Der Grad seiner persönlichen Abhängigkeit ist hoch. Als Trainer muss er mit den vom Verein zur Verfügung gestellten Trainingsmitteln und insbesondere dem Spielerkader arbeiten. Aus einer Gesamtbetrachtung aller Umstände (§ 611a Abs. 1 S. 5 BGB) ist daher festzustellen, dass ein Arbeitsvertrag vorgelegen hat.

    Das Arbeitsverhältnis hat in der Zeit vom 01.07.2019 bis 31.12.2022 bestanden.

    Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der ursprünglich für die Dauer von 2 Jahren befristete Arbeitsvertrag verlängert worden ist. Die Verlängerung sollte nach dem veröffentlichten Willen der Parteien für weitere 2 Jahre erfolgen. Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages war der Vertrag nach der Mindestlaufzeit von 2 Jahren auf unbestimmte Zeit geschlossen. Dieser Widerspruch muss nicht aufgelöst werden. Nach § 14 Abs. 4 TzBfG hätte eine erneute Befristung des Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedurft. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der ersten Befristung hat daher aufgrund der gesetzlichen Fiktion in § 15 Abs. 6 TzBfG zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis geführt.

    Das Arbeitsverhältnis hat durch die Freistellung des Klägers am 30.05.2022 nicht geendet. Ebenso wenig durch die Einstellung der Vergütungszahlung mit Ablauf des Monats Juni 2022.

    Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist auch nicht durch einen vom Beklagten behaupteten Aufhebungsvertrag zustande gekommen. Eine solche Aufhebungsvereinbarung ist nicht schriftlich getroffen worden. Der Verstoß gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis nach § 623 BGB führt nach § 125 BGB zur Nichtigkeit wegen Formmangels.

    Das Arbeitsverhältnis hat erst aufgrund der vom Beklagten ausgesprochenen Kündigung vom 26.09.2022 mit Ablauf des 31.12.2022 geendet.

    Die formelle und materielle Rechtswirksamkeit dieser Kündigung steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Der Kläger geht selbst von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2022 aus.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

    Der Beklagte hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Der nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Wert des Streitgegenstandes über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 42 Abs. 2 S. 1 GKG auf den Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts begrenzt. Das Gericht hat 3 Verdienste in Höhe von 500,00 € brutto monatlich zugrunde gelegt. Dieser Betrag war wohl der Kern der Vereinbarung zwischen den Parteien. Soweit der Kläger dem Beklagten Rechnungen über eine anders bezeichnete Tätigkeit gestellt hat, beliefen sich diese auf 500,00 € netto. Die gezogene Mehrwertsteuer steht nicht dem Kläger zu, sondern dem Finanzamt. Entgegen der Auffassung des Klägers sind daher nicht 595,00 € als Verdienst zugrunde zu legen.

    Rechtsmittelbelehrung

    xxx