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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Ab in den Urlaub … 12 Mythen zum Urlaubsrecht

    von Dr. Guido Mareck, stellv. Direktor Arbeitsgericht Dortmund

    | Wenn es um das Thema Urlaub geht, hört bei vielen Arbeitnehmern und auch Arbeitgebern der Spaß auf. Viele Irrtümer kursieren um das wichtige Thema. Ob es um die Probezeit, die Übertragbarkeit oder die Abgeltung des Urlaubs geht ‒ nicht alles, was man so hört, stimmt auch! |

    1. Kein Urlaub in der Probezeit?

    So nicht richtig! Zwar haben Arbeitnehmer erst nach sechs Monaten im neuen Job Anspruch auf den vollen Jahresurlaub. Der anteilige Urlaubsanspruch entsteht gemäß § 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) aber mit einem Zwölftel des Jahresurlaubs pro Monat.

     

    • Beispiel

    Bei beispielsweise 24 Tagen Jahresurlaub wären das zwei Tage pro Monat. Wird ein Arbeitnehmer nach drei Monaten gekündigt, hat er einen Teilurlaubsanspruch auf sechs Tage (drei Monate x zwei Urlaubstage). Ist die Gewährung in Natur nicht möglich, muss der Urlaub in Geld abgegolten werden.

     

    2. Die Abgeltung des Urlaubs ist immer möglich?

    Falsch! Urlaub soll der Erholung und dem Erhalt der Arbeitskraft dienen. Die Abgeltung erfüllt diesen Zweck nicht. Daher ist eine Auszahlung des Urlaubs im BUrlG nicht vorgesehen. Ausnahme: § 7 Abs. 4 BUrlG. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten. Dies gilt zum Beispiel, wenn die Arbeitstage bis zur Beendigung nicht ausreichen, um den verbleibenden Resturlaub zu nehmen oder dringende betriebliche Gründe dessen Inanspruchnahme verhindern. Bei der Abgeltung bestimmt § 11 BUrlG, dass das Durchschnittsgehalt, das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, maßgeblich ist. Der Bruttolohn für die letzten 13 Wochen wird mit der Zahl der Resturlaubstage multipliziert, das Ergebnis durch die Gesamtzahl der Arbeitstage in diesen 13 Wochen geteilt.

    3. Der Arbeitgeber legt die Dauer des Urlaubs fest?

    Nein! Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf mindestens zwei Wochen (12 Werktage) Urlaub am Stück (§ 7 Abs. 2 S. 2 BUrlG). Dort wird von einer 6-Tage-Woche ausgegangen. Bei einer 5-Tage-Woche müssen Arbeitgeber also mindestens 10 Urlaubstage hintereinander gewähren.

    4. Eltern haben Urlaubsanspruch, wenn Schule hitzefrei gibt?

    Kommt darauf an! Ob der Arbeitnehmer das Kind aus der Schule abholen und sich um weitere Betreuung kümmern darf, ohne den Lohnanspruch trotz der Arbeitsunterbrechung für diese Zeit zu verlieren, entscheidet sich danach, ob die Voraussetzungen des § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im Einzelfall vorliegen. Das hierbei erforderliche Näheverhältnis ist bei eigenen oder adoptierten Kindern des oder der Arbeitnehmer ohne Weiteres zu bejahen. Hitzefrei in der Schule führt aber nur zur darüber hinaus erforderlichen Unzumutbarkeit der Dienstleistung, wenn die gebotene Betreuung des betroffenen Kindes nicht anderweitig, etwa durch andere Familienangehörige, Ehe- oder Lebenspartner, sichergestellt werden kann. Darüber hinaus wird man bei der Frage, ob das Kind wegen seines Alters noch der Betreuung bedarf, die in § 45 Abs. 1 SGB V aufgestellte Grenze bis zum 12. Lebensjahr heranziehen müssen.

    5. Berufstätige haben Urlaubsanspruch in den Schulferien?

    So nicht richtig! Ob ein Arbeitnehmer schulpflichtige Kinder hat oder nicht, spielt für den Gesetzgeber durchaus in § 7 Abs. 1 BUrlG eine Rolle. Danach dürfen Arbeitgeber, sofern es die betriebliche Situation zulässt, die Urlaubswünsche von Eltern in den Schulferien bevorzugen. Schließlich können diese nur in diesen Zeiten mit ihren Kindern gemeinsam Urlaub machen. Das ist ein „sozialer Gesichtspunkt“, der zum Vorrang führen kann. Einen unmittelbaren Anspruch auf Urlaubsgewährung haben berufstätige Eltern allerdings nicht.

    6. Der Arbeitnehmer hat stets Anspruch auf Urlaubsgeld?

    Falsch! Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsgeld. Allerdings können vertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einem Anspruch auf Urlaubsgeld führen. So kann sich ein Anspruch auf Urlaubsgeld aus dem Arbeits-, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben. In wenigen Ausnahmen kann ein Anspruch auch aus betrieblicher Übung entstehen.

    7. Minijobber haben keinen Anspruch auf Urlaubsgeld?

    Kommt darauf an! Ebenso wie bei den „normalen“ Arbeitnehmern hat auch der Minijobber keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsgeld. Auch hier können sich Ausnahmen aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag sowie einer Betriebsvereinbarung ergeben. Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes gilt bei den Sonderzahlungen: Zahlt der Arbeitgeber in seinem Betrieb allen „vollzeitbeschäftigten“ Arbeitnehmern ein Urlaubsgeld, muss er dieses auch für seine Minijobber tun. Das Urlaubsgeld wird dann anteilig nach der jeweiligen Arbeitszeit des Minijobbers berechnet.

     

    PRAXISTIPP | Das Urlaubsgeld im Minijob wird im Sozialversicherungsrecht als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt berücksichtigt. Die Zahlung von Urlaubsgeld kann aus einem Minijob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung machen.

     

    8. Arbeitgeber kann Urlaubsgeld bei Kündigung zurückverlangen?

    Kommt darauf an! Ob der Arbeitgeber das Urlaubsgeld bei einer Kündigung zurückverlangen kann, hängt davon ab, aufgrund welcher Vereinbarungen das Urlaubsgeld gezahlt wurde. In vielen Verträgen befinden sich individual- oder kollektivrechtliche Rückforderungsklauseln. Auch der Zeitpunkt der Zahlung kann ein Hinweis darauf sein, ob es sich bei der Zahlung um eine einmalige Sonderzahlung des Arbeitgeber handelt ‒ quasi unabhängig vom Urlaub ‒ oder um Urlaubsgeld, das abhängig zu den Urlaubstagen gezahlt wird.

     

    Hat der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch und erfüllt er die Anspruchsvoraussetzungen für das Urlaubsgeld, scheidet eine Rückzahlung aus. So zum Beispiel bei tariflichem Urlaubsgeld, wenn der Arbeitnehmer die sechsmonatige Wartezeit für den Urlaubsanspruch erfüllt hat. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber das Urlaubsgeld als freiwillige Leistung ohne einen Entgeltcharakter zahlt. Dann gelten die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Rückzahlung einer Gratifikation:

     

    • Es liegt eine wirksame vertragliche Vereinbarung vor.
    • Bei dem Urlaubsgeld handelt es sich um eine einmalige Sonderzahlung.
    • Die Sonderzahlung wird zu einem bestimmten Stichtag ausgezahlt.
    • Es handelt sich um eine freiwillige Gratifikation für Betriebstreue.

    9. Urlaub verfällt spätestens am 31. März des Folgejahres?

    Bedingt falsch! Urlaub ist nach § 7 Abs. 3 BUrlG im laufenden Kalenderjahr zu gewähren und zu nehmen. Erfolgt dies nicht, verfällt der Urlaub mit Ablauf des 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres und nicht erst im Folgejahr.

     

    Nach dem BUrlG ist eine Übertragung des Urlaubs ins Folgejahr nur möglich, wenn Gründe in der Person des Arbeitnehmers (z. B. Arbeitsunfähigkeit oder die Erkrankung eines nahen Angehörigen) oder dringende betriebliche Gründe (z. B. termin- oder saisongebundene Aufträge) dies rechtfertigen. Dann muss der Urlaub bis zum 31. März, also innerhalb der ersten drei Monate des folgenden Jahres, genommen werden. Ansonsten verfällt er ersatzlos.

     

    Aber: Nach der BAG-Rechtsprechung gilt für durchgehend arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer anderes; ihr Urlaubsanspruch verfällt 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres.

     

    Und in der Praxis kommt ein Verfall tatsächlich nur eingeschränkt infrage. Nach dem EuGH verfallen Urlaubsansprüche nur, wenn der Arbeitgeber zuvor „konkret und in völliger Transparenz“ dafür gesorgt hat, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Das gilt auch für alle Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss daher den Arbeitnehmer förmlich auffordern, den Urlaub zu nehmen und ihm „klar und rechtzeitig“ mitteilen, dass und wie viele Urlaubstage für ein konkretes Kalenderjahr (noch) zur Verfügung stehen und der Urlaub ansonsten grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt.

     

    10. Erkrankt ein Arbeitnehmer im Urlaub, hat dies keinen Einfluss?

    Falsch! Nach § 9 BUrlG werden die Tage, an denen ein Arbeitnehmer im Urlaub arbeitsunfähig erkrankt, nicht als Urlaubstage gezählt und nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Die Arbeitsunfähigkeit muss aber durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen werden. Nach Ende der Arbeitsunfähigkeit können diese Urlaubstage zu einem späteren Zeitpunkt nachgewährt werden. Die Nachgewährung erfolgt nach denselben Grundsätzen wie die Erstgewährung, insbesondere ist § 7 BUrlG zu berücksichtigen. Eine eigenmächtige Verlängerung des Urlaubs durch den Arbeitnehmer ist auch in diesem Fall unzulässig. Sie kann arbeitsvertragliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung haben.

    11. Arbeitgeber kann gewährten Urlaub stets einseitig widerrufen?

    Falsch! Gemäß § 7 BUrlG haben Arbeitnehmer Anspruch auf den bereits bewilligten Urlaub. Eine einmal erteilte Urlaubsgenehmigung kann daher in der Regel nicht einseitig vom Arbeitgeber widerrufen werden.

     

    Ausnahmen bestehen, wenn dringende betriebliche Gründe vorliegen, die eine Änderung des Urlaubsplans erforderlich machen und einen anderen Ausweg nicht zulassen (Landesarbeitsgericht [LAG] Köln, 27.09.2012, Az. 6 Sa 449/12). Dies ist z. B. gegeben, wenn es in dem bereits gewährten Urlaubszeitraum auf die Arbeitskraft gerade dieses Arbeitnehmers ankommt, weil andernfalls der Zusammenbruch beim Arbeitgeber droht und es dem Arbeitgeber unzumutbar wäre, an der Urlaubsgewährung festzuhalten. Es müssen ernsthafte Gefahren bzw. erhebliche Schäden drohen, die nur durch die Mitwirkung des sich im Urlaub befindlichen Arbeitnehmer abgewendet werden können.

     

    Im Normalfall kommt daher ein Rückruf des Arbeitnehmers nicht infrage. Auch eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die die Möglichkeit einer nachträglichen einseitigen Änderung des Urlaubs bzw. einen Rückruf des Arbeitnehmer aus dem Urlaub vorsieht, ist wegen Verstoß gegen die zwingenden Vorgaben nach § 13 BUrlG unwirksam (BAG, 20.06.2000, Az. 9 AZR 405/99). Eine freiwillige einvernehmliche nachträgliche Änderung des einmal festgelegten Urlaubs ist allerdings möglich (LAG Hamm, 11.12.2002, Az. 18 Sa 1475/02).

    12. Urlaub muss nur auf Antrag gewährt werden?

    Richtig! Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer seinen Urlaubswunsch eindeutig, unbedingt und hinreichend bestimmt geltend machen. Eine Pflicht des Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer ohne Antrag oder Wunsch Urlaub zu gewähren, besteht nicht (BAG, 19.02.19, 9 AZR 541/15).

     

    Der Arbeitgeber kann einem Arbeitnehmer einseitig Urlaub erteilen. Dann aber hat der Arbeitnehmer ein Annahmeverweigerungsrecht. Wird vom Arbeitgeber der Urlaub einseitig, ohne Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmer festgelegt, muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, wenn er abweichende Urlaubswünsche hat. Andernfalls darf der Arbeitgeber vom Einverständnis mit der zeitlichen Festlegung ausgehen. Dies gilt ohnehin, wenn der vom Arbeitgeber festgelegte Urlaub angetreten wird. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber für bestimmte Zeiträume (etwa zwischen Weihnachten und Neujahr) wirksam einseitig Betriebsferien festlegt.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2024 | Seite 4 | ID 50044966