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  • 07.05.2004 · IWW-Abrufnummer 041183

    Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 11.12.2002 – 18 Sa 1475/02

    Der einseitige Widerrruf des erteilten Urlaubs durch den Arbeitgeber ist nicht möglich (§ 13 Abs. 1 BUrlG). Der durch die Urlaubserteilung nach § 7 Abs. 1 BUrlG festgelegte Urlaubstermin kann aber einvernehmlich abgeändert werden.


    Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil
    Geschäfts-Nr.: 18 Sa 1475/02

    Verkündet am 11.12.2002

    In dem Rechtsstreit

    hat die 18. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 11.12.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Knipp sowie die ehrenamtlichen Richter Rosenberger und Bögershausen

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 01.08.2002 - 2 Ca 330/02 - wird zurückgewiesen.

    Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand:

    Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers für die Urlaubsjahre 2000 und 2001.

    Der am 13.01.14xx geborene, ledige Kläger war für das beklagte L1xx als Arbeiter im Heizkraftwerk der W4xxxxxxxxxxx W3xxxxxx-U1xxxxxxxxx M1xxxxx tätig. Eingesetzt wurde er im Schichtdienst im Rahmen eines rollierenden Systems.

    Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) in der jeweils für die Länder gültigen Fassung Anwendung.

    Infolge eines Krebsleidens erkrankte der Kläger im März 2001. Seit dem 25.03.2001 ist der Kläger dauerhaft arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete gemäß § 62 MTArb mit Ablauf des 31.10.2001, nachdem dem Kläger mit Bescheid vom 02.10.2001 rückwirkend zum 01.04.2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer gewährt wurde. In einem internen Schreiben des Dezernats 4.53 (Herr K4xxxxxx) an das Dezernat 3.2 (Herr E2xxxxxxxxx) heißt es zum Resturlaub des Klägers:

    "Herr Z1xxxxx war bis zum Zeitpunkt der Frühverrentung im Schichtdienst des Heizkraftwerks der U1xxxxxxxxx beschäftigt.

    Hinsichtlich des Urlaubs gelten für die Mitarbeiter des Schichtdienstes folgende Regelungen:

    - Der Schichtdienst besteht aus 5 Schichten a. 4 Personen, wobei max. 1 Mitarbeiter pro Schicht Anspruch auf Urlaub hat.

    - Mitarbeiter mit schulpflichtigen Kindern haben in gegenseitiger Abstimmung ein primäres Recht auf Urlaub während der Schulferien.

    - Während des Zeitraums der Tagesschichten muss für erkrankte bzw. sich im Urlaub befindende Kollegen eingesprungen werden. In diesen Fällen kann dann der unter Vorbehalt genehmigte Urlaub nicht gewährt werden.

    Da Herr Z1xxxxx keine schulpflichtigen Kinder hat, waren seine Möglichkeiten, zusammenhängenden Urlaub zu einem Wunschtermin zu erhalten, stark eingeschränkt.

    Seit dem 01.01.2001 entfiel durch Einspringen an 7 Tagen bereits genehmigter Urlaub. Durch Krankheit entfiel in diesem Zeitraum an insgesamt 16 Werktagen bereits genehmigter Urlaub."

    Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 18.12.2001 (Bl. 7 f.d.A.) forderte der Kläger die Beklagte auf, für abzugeltende 22 Urlaubstage einen Betrag in Höhe von 5.115,44 DM brutto zu zahlen. Die Beklagte lehnte die begehrte Abgeltung mit Schreiben vom 20.12.2001 (Bl. 9 f d.A.) ab. Nach einer weiteren erfolglosen Geltendmachung vom 08.01.2002 (Bl. 11 d.A.) hat der Kläger den Anspruch auf Abgeltung der 22 Resturlaubstage gerichtlich geltend gemacht.

    Zur Stützung der Klage hat er vorgetragen:

    Ihm stünde die begehrte Urlaubsabgeltung zu. Im Jahre 2000 seien 11 und im Jahre 2001 sieben bewilligte Urlaubstage von der Beklagten abgeändert worden. 16 bewilligte Urlaubstage hätten wegen der Erkrankung nicht genommen werden können.

    Der Kläger hat beantragt,

    das beklagte L1xx zu verurteilen, an ihn 2.615,49 ? brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.2002 zu zahlen.

    Das beklagte L1xx hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das beklagte L1xx hat vorgetragen:

    Dem Kläger stehe der begehrte Abgeltungsanspruch nicht zu. Der Kläger sei seit März 2001 ununterbrochen arbeitsunfähig krank gewesen. Gemäß § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 und 3 MTArbG sei Urlaub nur dann abzugelten, soweit er nicht mehr gewährt und genommen werden könne. Da der Kläger unstreitig bis zum Zeitpunkt der Entscheidung arbeitsunfähig erkrankt sei, sei der Urlaub für das Jahr 2000 und 2001 entsprechend den tariflichen Regelungen gemäß § 53 Abs. 1 MTArb verfallen. Der Kläger sei von dem beklagten L1xx nicht gehindert worden, seinen Urlaub zu beantragen und zu nehmen.

    Das Arbeitsgericht ist der Auffassung des beklagten Landes gefolgt und hat durch Urteil vom 01.08.2002 die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreit hat es dem Kläger auferlegt. Der Wert des Streitgegenstands ist auf 2.615,49 ? festgesetzt worden.

    Gegen dieses ihm am 13.08.2002 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 11.09.2002 Berufung eingelegt und diese am 02.10.2002 begründet.

    Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Der Kläger weist darauf hin, dass ihm der Abgeltungsanspruch als Schadensersatzanspruch zustehe, da das beklagte L1xx gewährten Urlaub widerrechtlich widerrufen habe.

    Der Kläger beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 01.08.2002 - 2 Ca 330/02 - abzuändern und das beklagte L1xx zu verurteilen, an ihn 2.615,49 ? brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.2002 zu zahlen.

    Das beklagte L1xx beantragt,

    die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 01.08.2002 - 2 Ca 330/02 - zurückzuweisen.

    Das beklagte L1xx verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das beklagte L1xx ist weiter der Auffassung, dem Kläger stehe der begehrte Anspruch auch nicht als Schadensersatzanspruch zu. Im Übrigen sei die Verweigerung der Urlaubsabgeltung auch nicht rechtsmissbräuchlich.

    Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

    Entscheidungsgründe:

    A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

    Dem Kläger steht die begehrte Abgeltung von 17 Urlaubstagen aus dem Urlaubsjahr 2000 und von fünf Urlaubstagen aus dem Urlaubsjahr 2001 nicht zu, wie das Arbeitsgericht richtig erkannt hat.

    I. Der Urlaubsanspruch aus dem Urlaubsjahr 2000 ist gemäß § 53 Abs. 1 MTArb in Verbindung mit dem Erl. des Finanzministers vom 03.04.1998 spätestens am 30.09.2001 verfallen, der Urlaubsabgeltungsanspruch für den Resturlaub aus dem Urlaubsjahr 2001 am 30.09.2002.

    1. Nach § 53 Abs. 1 Satz 6 MTArb verfällt der Urlaub, wenn er nicht innerhalb der in § 53 Abs. 1 Satz 1 bis 4 MTArb genannten Fristen angetreten worden ist.

    2. Der Kläger hat den Resturlaub aus dem Jahr 2000 nicht bis zur letzt möglichen Frist, dem 30.09.2001, angetreten. Mit Ablauf des 30.09.2001 ist dieser Urlaubsanspruch verfallen.

    3. Der Urlaubsabgeltungsanspruch für den Resturlaub aus dem Jahr 2001 ist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2001 gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG, § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 MTArb zunächst entstanden.

    Der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs entsteht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG unabhängig von einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit des Arbeitnehmers (vgl. grundlegend BAG, Urteil vom 14.05.1986 - 8 AZR 604/94 - NZA 1986, 834). Dies gilt auch für den Bereich des § 54 Abs. 1 Satz 2 MTArb.

    4. Der Abgeltungsanspruch des Klägers ist jedoch mit Ablauf des Übertragungszeitraums nach § 53 Abs. 1 MTArb spätestens mit Ablauf des 30.09.2002 erloschen, weil er wegen der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllbar war.

    Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG kann nur erfüllt werden, wenn der Arbeitnehmer bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer seines Urlaubs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können.

    Die Erfüllbarkeit des den Urlaubsanspruch ersetzenden Urlaubsabgeltungsanspruchs setzt die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers voraus. Wer arbeitsunfähig krank ist, kann durch Urlaubserteilung von seiner Arbeitspflicht nicht mehr befreit werden (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 26.05.1992 - 9 AZR 172/91 - NZA 1993, 29; BAG, Urteil vom 08.02.1994 - 9 AZR 332/92 - NZA 1994, 853; BAG, Urteil vom 05.09.1995 - 9 AZR 455/94 - ZTR 1996, 28; BAG, Urteil vom 09.11.1999 - 9 AZR 797/98 - NZA 2000, 603).

    II. Entgegen der Auffassung des Klägers steht ihm kein Anspruch auf Schadensersatz für den mit Ablauf der Verfallfrist untergegangenen Abgeltungsanspruch für 22 Urlaubstage zu.

    1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 05.09.1985 - 6 AZR 86/82 - NZA 1986, 394; BAG, Urteil vom 26.06.1986 - 8 AZR 266/84 - NZA 1986, 833; BAG, Urteil vom 17.01.1995 - 9 AZR 664/93 - a.a.O.; BAG, Urteil vom 21.09.1999 - 9 AZR 705/98 - NZA 2000, 590; BAG, Urteil vom 18.09.2001 - 9 AZR 570/00 - ZTR 2002, 139) kann ein Arbeitnehmer einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag als Schadensersatz für den zwischenzeitlich infolge Fristablaufs erloschenen Anspruch fordern, soweit er seinen Arbeitgeber zuvor in Verzug gesetzt hatte (§§ 284 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 287 Satz 2 BGB a.F.).

    2. Auch wenn die Beklagte dem Kläger im Jahr 2000 für 12 Tage beantragten und erteilten Urlaub und im Januar 2001 für sieben Tage beantragten und erteilten Urlaub nicht gewährt hat, so ist sie hierdurch nicht in Verzug geraten.

    a) Zwar ist grundsätzlich der einseitige Widerruf des erteilten Urlaubs nicht möglich (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 20.06.2000 - 9 AZR 405/99 - NZA 2001, 100; Leinemann/Linck, 2. Aufl., § 7 Rz. 55).

    b) Im vorliegenden Fall der Nichtgewährung hat der Kläger aber konkludent sein Einverständnis zu der von der Beklagten veranlassten Verlegung des Urlaubs erklärt.

    aa) Er hat die vertraglich geschuldete Tätigkeit nach Weisung der Beklagten an diesen Tagen erbracht, ohne Einwendungen zu erheben. Auch in der Folgezeit hat er sich gegen die Verlegung des Urlaubs nicht gewehrt. Einwände hat er erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in diesem Rechtsstreit erhoben. Unter diesen Umständen durfte die Beklagte das Verhalten des Klägers als Einverständnis auslegen.

    bb) Die durch die Urlaubserteilung festgelegten Urlaubstermine können stets einvernehmlich geändert werden. Dies kann auch durch konkludente Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geschehen (vgl. z.B. Leinemann/Linck, 2. Aufl., § 7 BUrlG Rz. 60; Lepke, DB 90, 1131).

    Auch die Tarifvertragsparteien gehen von der Wirksamkeit der Verlegung des festgelegten Urlaubs auf Veranlassung des Arbeitgebers aus und haben für diesen Fall in § 53 Abs. 1 Satz 4 MTArb die Verfallfrist bis zum 30.09. des Folgejahres verlängert.

    B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

    RechtsgebieteBUrlG, MTArbVorschriftenBUrlG § 7 Abs. 4 MTArb § 53 Abs. 1 MTArb § 54 Abs. 1