· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Kann eine zehnstündige Bahnfahrt die AU eines Mitarbeiters fragwürdig erscheinen lassen?
von RA Michael Lennartz, lennmed.de Rechtsanwälte, Bonn, Berlin, Baden-Baden, lennmed.de
| Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) eines gekündigten Mitarbeiters ist nicht allein deshalb anzuzweifeln, weil die darin attestierte Arbeitsunfähigkeit (AU) bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses währt. Wenn ein Mitarbeiter in einem gekündigten Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig erkrankt und eine zehnstündige Bahnfahrt nach Hause antritt, um dort seine Hausärztin aufzusuchen, ist allein deswegen die AU-Bescheinigung noch nicht fragwürdig (Landesarbeitsgericht ( LAG) Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.07.2023, Az. 5 Sa 1/23 ; AbrufNr. 236973 ). Das Urteil betrifft zwar einen Chefarzt, ist aber auch auf angestellte Physiotherapeuten übertragbar. |
Klinikum behält Arbeitsentgelt wegen Zweifeln an der AU zurück, ehemaliger Chefarzt klagt Fortzahlung ein
Ein ehemaliger Chefarzt klagte gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, ein Reha-Klinikum. Streitig war eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall i. H. v. 5.625 Euro.
Der Kläger hatte etwa 1.000 km von seinem Familienwohnsitz entfernt gearbeitet und am Arbeitsort eine Zweitwohnung bewohnt. Mitte August 2021 hatte er von seinem Arbeitgeber die Kündigung zum 28.02.2022 erhalten. In den Folgemonaten war er viermal wegen verschiedener Erkrankungen arbeitsunfähig gewesen. Am 08.02.2022 hatte der Chefarzt die Teilnahme an einer Dienstbesprechung wegen Krankheit abgesagt, sich tags darauf krankgemeldet und war knappe zehn Stunden mit der Bahn zum Familienwohnsitz gefahren, um dort die Hausärztin aufzusuchen. Am 22.02.2022 hatte er seinen bereits genehmigten Resturlaub angetreten und zum 01.03.2022 in einem anderen Klinikum eine neue Beschäftigung als Oberarzt aufgenommen.
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