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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Praxen dürfen arbeitsunfähigen Mitarbeitern wegen organisatorischer Probleme kündigen

    von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund/Münster

    | In einem sogenannten Kleinbetrieb mit weniger als zehn Mitarbeitern - wie ihn viele Physiotherapiepraxen darstellen - können hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten einer Angestellten deren Kündigung rechtfertigen. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung im Fall einer medizinischen Fachangestellten (MFA) bestätigt. Die langen Fehlzeiten der MFA hatten für die Arbeitgeberin erhebliche Probleme mit sich gebracht und eine Neueinstellung erfordert ( LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.08.2016, Az. 1 Sa 89/16 ). |

     

    Der Fall

    Die MFA war in Teilzeit bei einer Ärztin in einer Praxis mit deutlich weniger als zehn Mitarbeitern beschäftigt. Nachdem sich die MFA wiederholt für Zeiträume von mehreren Wochen arbeitsunfähig krank meldete, kündigte ihr die Ärztin ordentlich aus betriebsbedingten Gründen: Die erheblichen Fehlzeiten hätten zu erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten im Praxisbetrieb geführt; zur notwendigen Fortführung der Labortätigkeiten habe die Ärztin die Aufgaben der MFA an andere Personen verteilen und eine weitere Mitarbeiterin einstellen müssen.

     

    Die Entscheidung

    Die Kündigungsschutzklage der MFA wurde vom LAG Mainz in zweiter Instanz abgewiesen. Wegen der geringen Anzahl in der Praxis beschäftigter Arbeitnehmer fand das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Die Kündigung der MFA war am Maßstab des allgemein gültigen Grundsatzes von Treu und Glauben zu messen. Einen Verstoß gegen diesen Grundsatz konnte das Gericht nicht erkennen.

     

    Bei dem Aspekt der Treuwidrigkeit gehe es vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen, z. B. vor Diskriminierung. Eine treuwidrige Kündigung scheide allerdings aus, wenn „ein irgendwie einleuchtender Grund“ dafür vorgelegen habe. Die betroffene Ärztin habe sich bei der Kündigung auf betriebliche Gründe berufen, die sogar in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten, auf die das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sei, einen tragfähigen „einleuchtenden“ Kündigungsgrund darstellen, wie das LAG betonte.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei der Prüfung der Treuwidrigkeit ist ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Hierauf konnte sich die gekündigte Mitarbeiterin jedoch nicht berufen, weil das Beschäftigungsverhältnis nicht einmal ein Jahr lang bestanden hatte. Als Arbeitgeber sollten Sie eine Kündigung auch bei langen Fehlzeiten bestenfalls nicht allein darauf, sondern - wie hier - auf mehrere Gründe stützen.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2017 | Seite 12 | ID 44504009