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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Sommer, Sonne - Urlaubsgeld? So vermeiden Sie einen Rechtsanspruch auf dieses Extra-Gehalt

    von RAin Susanne Schuster, LL.M., Dr. Hahne, Fritz, Bechtler & Partner, Gießen, www.hfbp.de 

    | Die Mitarbeiter sind fleißig, das Team funktioniert, die Urlaubszeit steht bald vor der Tür: Viele Praxisinhaber zeigen sich daher erkenntlich und zahlen Urlaubsgeld. In wirtschaftlich rosigen Zeiten ist das Extra-Gehalt eine prima Motivationsspritze, doch Vorsicht: Der Therapeut kann sich plötzlich und ungewollt einem Rechtsanspruch seiner Mitarbeiter gegenübersehen, wenn er die nachfolgenden Grundsätze nicht beachtet. |

    Wie plötzlich ein Anspruch auf Urlaubsgeld entsteht

    Rechtsansprüche von Mitarbeitern können sich nicht nur aus dem Arbeitsvertrag oder aus Tarifverträgen ergeben. Auch durch eine regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers („Betriebliche Übung“) oder durch ungleichmäßige Behandlung von Mitarbeitern (Stichwort: Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz) können sich Ansprüche der Mitarbeiter begründen, ohne dass der Praxisinhaber dies auf den ersten Blick erkennen kann. Erst wenn der Streit im Falle eines Falles vor Gericht ausgetragen wird, kommt das böse Erwachen.

     

    Zwar bleibt es letztlich eine Frage des Einzelfalls, wann sich solche - weder vertraglich vereinbarten, noch gesetzlich geregelten - Ansprüche tatsächlich ergeben. Doch die nachfolgenden Grundregeln bieten Anhaltspunkte dafür, wann eine entsprechende Gefahr droht.

    Das Entstehen einer betrieblichen Übung

    Die Gefahr, dass ein unerwünschter Anspruch auf Urlaubsgeld oder auf sonstige Sonderleistungen entsteht, ergibt sich aus der sogenannten betrieblichen Übung. Diese entsteht durch ein vorbehaltloses gleichartiges und wiederholtes Praktizieren eines bestimmten Verhaltens des Praxisinhabers.

     

    Für jährlich gewährte Sonderzuwendungen wie Urlaubsgeld besteht der Grundsatz, dass die Mitarbeiter einen Zahlungsanspruch erwerben, wenn das Urlaubsgeld

      • in drei aufeinanderfolgenden Jahren,
      • ohne Vorbehalt und
      • in gleichbleibender Höhe gezahlt wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Sofern ein Praxisinhaber beabsichtigt, seinen Mitarbeitern Urlaubsgeld zukommen zu lassen, sollte er ganz bewusst entscheiden, ob er einen Zahlungsanspruch entstehen lassen möchte. Will er das Entstehen einer betrieblichen Übung vermeiden, muss er geeignete Maßnahmen ergreifen.

     

    Anspruch aus betrieblicher Übung vermeiden

    Es gilt folgende Regel: Erfolgt durch den Praxisinhaber ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Gewährung des Vorteils ausschließlich für einen konkreten Anlass gilt und keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet, fehlt es an der Vorbehaltlosigkeit. Gewährt der Inhaber über einen Zeitraum von mehreren Jahren ein Urlaubsgeld in jährlich unterschiedlicher, keiner Regel folgender Höhe, fehlt eine Gleichartigkeit.

     

    Allerdings haben die Gerichte Anforderungen aufgestellt, die den Umgang mit dieser eigentlich leicht zu verstehenden Regel erheblich erschwert. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 21. Januar 2009 (Az. 10 AZR 219/08, Abruf-Nr. 090989) einen Freiwilligkeitsvorbehalt als wirksam angesehen, der bezogen auf Urlaubsgeld wie folgt abgewandelt werden kann:

     

    Musterformulierung / Freiwilligkeitsvorbehalt

    „Die Gewährung des Urlaubsgelds erfolgt durch den Arbeitgeber freiwillig und mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird.“

     

    Um zu vermeiden, dass eine betriebliche Übung entsteht, sollten Sie gleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses einen entsprechenden Freiwilligkeitsvorbehalt in den - möglichst schriftlich abgefassten - Arbeitsvertrag des Mitarbeiters aufnehmen. Es besteht auch die Möglichkeit, zu einem bereits bestehenden Arbeitsvertrag mit dem Mitarbeiter einen Nachtrag zu vereinbaren. Ein solcher klarer und eindeutiger Vorbehalt kann sicherstellen, dass in Zukunft kein Rechtsanspruch des Mitarbeiters entsteht.

     

    Nachträglicher Freiwilligkeitsvorbehalt kaum mehr möglich

    Hat der Therapeut jahrelang vorbehaltlos Urlaubsgeld gezahlt, kann dies - wie geschildert - einen Anspruch aus betrieblicher Übung begründen. Dieser wird nicht dadurch aufgehoben, dass er erklärt, das Urlaubsgeld sei eine freiwillige Leistung und begründe keinen Rechtsanspruch, und der Mitarbeiter dieser neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widerspricht (sogenannte gegenläufige betriebliche Übung).

     

    PRAXISHINWEIS | Die aktuelle Rechtsprechung hat sich hierbei von der noch bis vor wenigen Jahren gültigen Rechtsauffassung gelöst. Der Therapeut kann daher derzeit nicht mit einer gegenläufigen betrieblichen Übung argumentieren.

     

    Praxisinhaber muss um freiwilligen Verzicht bitten

    Der Meinungswandel in der Rechtsprechung hat zur Folge, dass der durch eine betriebliche Übung entstandene Anspruch auf Urlaubsgeld oder sonstige Gratifikationszahlungen ohne Zustimmung des Mitarbeiters grundsätzlich nicht mehr erlöschen kann. Für den Praxischef bedeutet das, dass er - etwa bei einer wirtschaftlichen Notlage - auf die Bereitschaft seiner Mitarbeiter angewiesen ist, auf das bisher gezahlte Urlaubsgeld zu verzichten.

    Beendigung der betrieblichen Übung bei neuen Mitarbeitern

    Gegenüber neuen Mitarbeitern kann der Praxischef eine unerwünschte betriebliche Übung beenden: Ihnen gegenüber muss er bereits bei Vertragsschluss eine eindeutige einseitige Erklärung - möglichst schriftlich - abgeben. Aus rechtlicher Sicht ist eine solche Stichtagsregelung, derzufolge ab einem bestimmten Zeitpunkt für alle neuen Arbeitnehmer ein Anspruch auf die Vergünstigung ausgeschlossen wird, grundsätzlich möglich.

     

    Gegenüber Mitarbeitern, die bereits einen Anspruch aus betrieblicher Übung erworben haben, wirkt eine solche einseitige Erklärung jedoch nicht. Mit diesen Mitarbeitern sollte der Praxisinhaber vielmehr eine einvernehmliche Vereinbarung treffen, in welcher der Anspruch ausgeschlossen oder geändert wird. Die Vertragsänderung kann auch durch den Ausspruch einer Änderungskündigung erzwungen werden, für die der Therapeut im Zweifelsfall jedoch einen rechtfertigenden Kündigungsgrund benötigt.

    Anspruch wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes

    Der Praxisinhaber ist bei seiner Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen er seinen Mitarbeitern ein Urlaubsgeld gewähren möchte, grundsätzlich frei. Hat er sich jedoch dazu entschlossen, seinen Mitarbeitern Urlaubsgeld zu gewähren, muss er den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten: Einzelne Mitarbeiter darf er danach ohne sachlichen Grund nicht von der Zahlung ausnehmen.

     

    Ein benachteiligter Mitarbeiter kann verlangen, genauso wie die begünstigten Mitarbeiter behandelt zu werden, also gegebenenfalls Urlaubsgeld zu beziehen. Folglich kann auch der Grundsatz der Gleichbehandlung zu einem Anspruch eines Mitarbeiters auf Zahlung von Urlaubsgeld führen.

    Rückzahlungspflicht bei Kündigung?

    Scheidet ein Mitarbeiter nach Erhalt des Urlaubsgeldes aus, ist er - ohne sonstige Vereinbarung - nicht verpflichtet, dieses zurückzuzahlen. Für einen solchen Fall sollte durch eine geeignete Vertragsgestaltung vorgesorgt werden. Die Sonderzahlung wird in der Regel gewährt, um die Mitarbeiter an die Praxis zu binden oder um ihre Vertragstreue zu belohnen. Sollte ein Mitarbeiter die Praxis verlassen, würde die freiwillige Sonderzahlung ihren Sinn verlieren. Das Urlaubsgeld kann an besondere Anspruchsvoraussetzungen geknüpft werden, wie etwa die Zugehörigkeit zum Praxisbetrieb: Im Vertrag kann vorgesehen werden, dass bei unterjährigem Verlassen der Praxis ein etwaiger Urlaubsgeldanspruch des Mitarbeiters zeitanteilig gekürzt wird.

     

    FAZIT | Hat sich in der Praxis eine betriebliche Übung bereits über Jahre hinweg etabliert, bedeutet dies für den Therapeuten, dass die hierdurch einmal geschaffenen Ansprüche seiner Mitarbeiter nicht einfach wieder zu beseitigen sind. Beachten Sie daher die geschilderten Gestaltungsmöglichkeiten, um das unerwünschte Entstehen von Ansprüchen aus betrieblicher Übung zu vermeiden.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 12 | ID 42569304