· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Urlaubsansprüche Langzeiterkrankter müssen nicht endlos ausgezahlt werden
von RA, FA für MedR Dr. Tobias Scholl-Eickmann und RRef. Dipl. iur. Stephan Peters, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund/Münster
| Bisher galt, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit unbegrenzt fortbesteht. Damit ist nun Schluss. Urlaubsansprüche können bei durchgehender Krankheit nur bis zu 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres angesammelt werden. Dies stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 22. November 2011 in einem Urteil klar (Az: C-214/10). |
Arbeitnehmer wollte Urlaub aus drei Jahren ausgezahlt haben
Geklagt hatte ein Mann, der 2003 infolge eines Herzinfarkts für arbeitsunfähig erklärt wurde und nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2008 Abgeltung von nicht genommenem Jahresurlaub für die Jahre 2006, 2007 und 2008 begehrte. Der EuGH hatte darüber zu entscheiden, ob eine Beschränkung des Urlaubsabgeltungsanspruchs durch tarifvertragliche Regelungen auf 15 Monate europarechtlich zulässig sei.
Urlaub dient der Erholung und ist kein Freizeitgewinn
Dabei kam der EuGH zu dem Schluss, dass Urlaubsabgeltungsansprüche von Langzeiterkrankten durch tarifvertragliche Regelungen eingeschränkt werden können. Diese Einschätzung begründeten die Richter damit, dass das unbegrenzte Ansammeln von Urlaubsansprüchen dem Sinn und Zweck von Urlaub entgegensteht. Urlaub solle zuerst der Erholung von der Arbeit dienen und Zeit für Entspannung und Freizeit schaffen. Grundsätzlich könne ein Erholungseffekt zwar auch nach Ablauf des laufenden Jahres erreicht werden, deshalb sei eine Übertragung grundsätzlich möglich. Bei einer Übertragungsdauer von mehr als 15 Monaten entfalle jedoch der urlaubsimmanente Zweck der Erholung und es verbleibe lediglich der zeitliche Freizeitgewinn, der einen Urlaubsanspruch und somit einen Abgeltungsanspruch bei Langzeiterkrankung nicht mehr rechtfertige.
Die Entscheidung hat allgemeine, grundsätzliche Bedeutung. Denn laut Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg gilt die Beschränkung der Urlaubsabgeltungsansprüche wohl für alle Arbeitsverhältnisse. Das LAG verweist bei seiner Entscheidung auf die Regelung von § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs) - also einem Bundesgesetz. Eine höchstrichterliche Bestätigung bleibt - ebenso wie die Urteilsbegründung - allerdings noch abzuwarten.
FAZIT | Bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit bestand bisher der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung unbegrenzt fort, was in der Praxis zu einer starken finanziellen Belastung der Arbeitgeber führen konnte (lesen Sie dazu auch PP Nr. 3/2009, S. 2). Aufgrund der aktuellen Entscheidung müssen Arbeitgeber die „Kostenfalle Langzeiterkrankte“ nicht mehr bzw. nur noch sehr eingeschränkt befürchten. |