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  • · Fachbeitrag · Leserforum

    Als angestellter Therapeut und selbstständiger Heilpraktiker in derselben Therapiepraxis?

    von RA Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Nothweiler

    | Darf ein angestellter Physiotherapeut mit sektoraler (oder voller) Heilpraktiker-Erlaubnis in derselben Praxis als selbstständiger (sektoraler) Heilpraktiker (HP) arbeiten? Hier die Möglichkeiten. |

    Arbeitnehmerstatus und Selbstständigkeit in einer Praxis

    Grundsätzlich kann ein Arbeitnehmer neben seinem Arbeitsverhältnis einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen (ob er dies dem Arbeitgeber anzeigen muss, ist eine Frage der arbeitsvertraglichen Regelungen).

     

    Ein Arbeitnehmer kann aber nicht gleichzeitig in der Praxis seines Arbeitgebers auch noch selbstständig tätig sein. Dies geht auch dann nicht, wenn er im Angestelltenverhältnis als Physiotherapeut tätig ist und in seiner selbstständigen Tätigkeit als HP.

     

    Im Konfliktfall wird ein Arbeitsgericht (oder der Sozialversicherungsträger) auch die selbstständige Tätigkeit als HP als Angestelltenverhältnis werten. Dies kann zur Folge haben, dass auf alle Umsätze der selbstständigen Tätigkeit Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen sind!

     

    Die gleiche rechtliche Problematik stellt sich, wenn Sie als Inhaber einer Physiotherapiepraxis zusätzlich eine HP-Praxis betreiben und einen Ihrer angestellten Physiotherapeuten im Rahmen eines Minijobs zusätzlich in Ihrer HP-Praxis beschäftigen wollen. Auch in diesen Fällen liegt aus arbeitsrechtlicher Sicht ein einheitliches Arbeitsverhältnis vor. Dies hat zur Folge, dass der Minijob nicht als solcher anerkannt und voll sozialversicherungspflichtig wird, da die Vergütung aus dem Minijob mit der Vergütung aus dem „normalen“ Arbeitsverhältnis zusammengerechnet wird.

     

    In beiden Fällen spielt es keine Rolle, ob der Mitarbeiter die sektorale HP-Erlaubnis oder die volle HP-Erlaubnis hat.

    Selbstständig mit/in einer anderen Praxis als voller HP

    Anders sieht es aus, wenn ein Mitarbeiter mit voller HP-Erlaubnis bei Ihnen als Physiotherapeut angestellt ist und in eigenen Räumen eine HP-Praxis betreibt. Mit seiner HP-Praxis ist der Mitarbeiter dann selbstständig. Die Frage einer Scheinselbstständigkeit stellt sich in diesem Fall nicht, da der Mitarbeiter im eigenen Namen tätig ist und nicht für Sie oder einen anderen Praxisinhaber.

     

    Vorsicht ist geboten, wenn der Mitarbeiter in einer anderen Praxis im Rahmen seiner HP-Erlaubnis als freier Mitarbeiter tätig ist. Dann kann sich - wie bei jedem freien Mitarbeiter - grundsätzlich die Frage stellen, ob hier tatsächlich eine selbstständige Tätigkeit vorliegt oder es sich nicht doch um ein Arbeitsverhältnis handelt. Diese Frage berührt jedoch nicht Sie als Vertragspartner des Arbeitsverhältnisses, sondern den Praxisinhaber, der den Mitarbeiter mit voller HP-Erlaubnis als freien Mitarbeiter beschäftigt. Kommt ein Sozialversicherungsträger dort zum Ergebnis, dass keine selbstständige Tätigkeit, sondern ein Arbeitsverhältnis vorliegt, hat dieser Praxisinhaber Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen. Für die Zukunft hat eine derartige Statusfeststellung des Rentenversicherungsträgers dann auch noch Auswirkungen auf die Besteuerung der Vergütung: Die Vergütung des Arbeitnehmers wird in einem der Arbeitsverhältnisse mit Lohnsteuerklasse VI besteuert.

    Selbstständig mit/in einer anderen Praxis als sektoraler HP

    Ein Physiotherapeut mit sektoraler HP-Erlaubnis darf keine HP-Praxis gründen, sondern „nur“ eine Physiotherapie-Ppraxis, in der er neben der Physiotherapie im Rahmen der ihm erteilten sektoralen HP-Erlaubnis Heilkunde ausübt.

     

    Beschäftigen Sie einen Therapeuten mit sektoraler HP-Erlaubnis als Angestellten und übt dieser Mitarbeiter daneben in eigenen Räumen in einer eigenen Physiotherapiepraxis eine selbstständige Tätigkeit als Physiotherapeut mit sektoraler HP-Erlaubnis aus, stellt sich die Situation wie oben beschrieben dar: Mit seiner Physiotherapiepraxis ist der Mitarbeiter selbstständig und übt dort Physiotherapie sowie Heilkunde im Rahmen der sektoralen HP-Erlaubnis aus und bei Ihnen ist er angestellt. Auch hier stellt sich die Frage der Scheinselbstständigkeit aus den oben genannten Gründen nicht.

     

    Etwas anderes gilt, wenn „Ihr“ angestellter Therapeut mit sektoraler HP-Erlaubnis in einer anderen Praxis als freier Mitarbeiter tätig ist. Hier kann sich bei der freiberuflichen Tätigkeit die Frage stellen, ob es sich um eine Scheinselbstständigkeit und damit im Ergebnis um ein Arbeitsverhältnis handelt. Die Beantwortung dieser Frage berührt jedoch - wie oben - wieder nur den Inhaber der Praxis, in der Ihr Angestellter als freier Mitarbeiter tätig ist.

     

    MERKE | Die (Neben-)Tätigkeit muss vor ihrer Aufnahme bei Ihnen angezeigt werden, damit Sie eventuelle Auswirkungen auf die Tätigkeit in Ihrer Praxis prüfen können. Dies gilt insbesondere bei Mitarbeitern mit sektoraler HP-Erlaubnis. Denn der Mitarbeiter kann Ihnen mit seiner Tätigkeit in der eigenen Praxis oder in einer anderen Praxis Konkurrenz machen und damit gegen das jedem bestehenden Arbeitsverhältnis innewohnende Wettbewerbsverbot verstoßen. Ob dies der Fall ist, hängt zum Beispiel von der räumlichen Distanz zwischen Ihrer Praxis und dem weiteren Tätigkeitsort des Mitarbeiters ab.

    Das Problem der Scheinselbstständigkeit

    Für Praxisinhaber wird das Problem der Scheinselbstständigkeit nur entschärft, wenn alle Merkmale auch tatsächlich gegeben sind, die Sozialversicherungsträger mit einer selbstständigen Tätigkeit verbinden. Diese Merkmale, die eine selbstständige freie Mitarbeit von einem Arbeitsverhältnis abgrenzen, sind in der folgenden Tabelle gegenübergestellt.

     

    Arbeitnehmer
    Freier Mitarbeiter

    Arbeitszeit

    Vertraglich fest vereinbart und vom Arbeitgeber festgelegt

    Vertraglich nicht fest vereinbart, frei einteilbar

    Arbeitsort

    Praxis oder Hausbesuch

    Frei wählbar

    Arbeitsvergütung

    Vertraglich fest vereinbarte Vergütung, in der Regel keine Umsatzbeteiligung

    Stundenvergütung oder Umsatzbeteiligung

    Urlaub

    Vertraglich vereinbart, auf jeden Fall Anspruch auf bezahlten Urlaub

    Kein Urlaubsanspruch

    Krankheit

    Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für längstens sechs Wochen

    Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

    Kündigung

    Fristen vertraglich vereinbart, verlängern sich mit Dauer des Arbeitsverhältnisses für Arbeitgeber

    Fristen vertraglich vereinbart, keine Verlängerung bei langer Vertragsdauer

    Sozialversicherung

    Sozialversicherungspflichtig, Beiträge teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer

    Keine Sozialversicherungspflicht, Absicherung in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten

    Wichtig | Es kommt nicht allein auf die vertraglichen Regelungen an, sondern in erster Linie auf deren tatsächliche Umsetzung in jedem einzelnen freien Mitarbeiterverhältnis. Es findet immer eine Einzelfallbeurteilung statt.

    Wechselwirkungen Arbeitsverhältnis <> Selbstständigkeit

    Auf das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis sind folgende Auswirkungen einer zusätzlichen selbstständigen Tätigkeit Ihres Angestellten denkbar:

     

    • Die (Neben-)Tätigkeit in einer eigenen Praxis oder in einer anderen Praxis als freier Mitarbeiter oder Angestellter führt zu Problemen bei der für Sie zu erbringenden Arbeitszeit (bzw. der Urlaubsplanung) und/oder bei Terminvereinbarungen mit Patienten bzw. bei Hausbesuchen.

     

    • Die (Neben-)Tätigkeit nimmt den Mitarbeiter so stark in Anspruch, dass er die Tätigkeit bei Ihnen nicht (mehr) korrekt erbringen kann und Fehler macht.

     

    • Wenn der Mitarbeiter arbeitsunfähig erkrankt und Sie Entgelt fortzahlen müssen, kann sich die Frage aufdrängen, ob der Mitarbeiter seine zusätzliche selbstständige Tätigkeit dann weiter ausüben darf und wenn ja, ob die Weiterarbeit die Genesung verzögert und damit den Entgeltfortzahlungszeitraum für Sie verlängert.

     

    FAZIT | Sie können als Praxisinhaber einen Physiotherapeuten mit sektoraler oder voller HP-Erlaubnis in Ihrer Praxis entweder nur als Arbeitnehmer oder nur als freien Mitarbeiter beschäftigen. Sie müssen sich für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden. Sie können den Mitarbeiter nicht mit dem Berufsbild Physiotherapeut als Arbeitnehmer und mit dem Berufsbild (sektoraler) Heilpraktiker als freien Mitarbeiter beschäftigen.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2015 | Seite 3 | ID 43597802