· Fachbeitrag · Patientenumgang
In welchen Fällen dürfen Sie die Behandlung eines Dauerpatienten abbrechen?
von RA Ralph Jürgen Bährle, Nothweiler, baehrle-partner.de
| Dauerpatienten garantieren monatlichen Umsatz und sind daher für jede Praxis wünschenswert. Wenn dann noch das Vertrauensverhältnis stimmt, der Patient mitarbeitet und sich Behandlungserfolge einstellen, ist alles paletti. Was unternehmen Sie aber, wenn nicht alles rund läuft und es Probleme mit dem Patienten gibt und dieser z. B. unkooperativ ist oder aggressiv wird? Oder wenn der Patient Sie oder Ihr Personal beleidigt? Oder er sich wiederholt rassistisch oder demokratiefeindlich äußert? |
Ausgangspunkt Behandlungsvertrag und Rahmenvertrag
Mit Ihrer Zulassung und der Anerkennung des Rahmenvertrags verpflichten Sie sich gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen zur Behandlung gesetzlich versicherter Patienten, soweit diese ärztlich eine Therapie verordnet bekommen, sowie zur Abrechnung Ihres Honorars gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse des Versicherten.
Dies bedeutet aber nicht, dass Sie jeden gesetzlich Versicherten behandeln müssen. Sie dürfen durchaus selbst entscheiden, ob und mit welchem Patienten Sie einen Behandlungsvertrag abschließen. Nur wenn Sie einen Behandlungsvertrag mit einem gesetzlich oder privat versicherten Patienten schließen, sind Sie zur Behandlung verpflichtet. Der Vertrag kann schriftlich, mündlich oder konkludent (z. B. durch Annahme der ärztlichen Verordnung und Terminvergabe) geschlossen werden. Solange der Behandlungsvertrag besteht, bleibt es bei der Behandlungspflicht. Wie jeder andere Vertrag auch, ist auch ein Behandlungsvertrag bei Vorliegen eines Grundes kündbar oder er ist von vornherein befristet und läuft mit Ablauf der Befristung aus.
Gründe, einen Behandlungsvertrag zu beenden
Grundsätzlich besteht für Sie eine Behandlungspflicht. Bei gesetzlich Versicherten gründet sich diese auf die Rahmenverträge und den Behandlungsvertrag, bei Privatpatienten ausschließlich auf den Behandlungsvertrag. In Ausnahmefällen kann die Behandlungspflicht durchbrochen werden, d. h., Sie können trotz des abgeschlossenen Behandlungsvertrags die Behandlung verweigern oder den Behandlungsvertrag kündigen.
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Liegt ein solcher Fall vor, berechtigt Sie dies grundsätzlich zur Kündigung. Dennoch ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob es Ihnen trotz Vorliegen eines Kündigungsgrunds nicht trotzdem zugemutet werden kann, den Behandlungsvertrag zumindest solange fortzusetzen, bis die ärztliche Verordnung abgearbeitet ist. Denn: Einen Behandlungsvertrag können Sie ohne Gründe nur ordentlich ‒ also unter Einhaltung einer Kündigungsfrist ‒ kündigen (siehe Absatz „Fristlose Kündigung erfordert wichtigen Grund).
So beenden Sie einen Behandlungsvertrag
Wenn Sie die Behandlung eines Patienten nicht oder nicht mehr weiter fortführen wollen, gibt es grundsätzlich folgende Möglichkeiten:
Fristlose Kündigung erfordert wichtigen Grund
Für eine sofortige ‒ fristlose ‒ Kündigung benötigen Sie einen wichtigen Grund, der es Ihnen unzumutbar macht, den Behandlungsvertrag bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Bei einer fristlosen Kündigung findet immer eine Interessenabwägung zwischen Ihren Interessen und denen des Patienten an der Fortsetzung der Behandlung statt.
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Der Patient hat Ihre Rezeptionskraft aus deren Sicht beleidigt, Sie persönlich nicht. Sie wollen daher nicht mehr weiterbehandeln. Sie haben im schriftlichen Behandlungsvertrag eine Kündigungsfrist von einer Woche vereinbart. Es ist noch eine Behandlung zu erbringen, dann wäre das Rezept abgearbeitet. Ihnen kann zugemutet werden, diese eine ausstehende Behandlung noch zu erbringen. Sie können den Patienten selbst in Empfang nehmen, sodass er keine Gelegenheit hat, Ihre Rezeptionskraft erneut zu beleidigen. Den Abschluss eines weiteren Behandlungsvertrags können Sie ablehnen. |
Wichtig | Haben Sie im schriftlichen Behandlungsvertrag eine Kündigungsfrist vereinbart, müssen Sie diese einhalten. Tun Sie dies nicht, wird der Patient vermutlich zwar nicht gegen die nicht fristgerechte Kündigung klagen. Entsteht ihm aber hierdurch ein Schaden, z. B. weil er zeitnahe Termine nur bei einer weiter entfernten Praxis bekommt und höhere Fahrtkosten hat, kann er diesen bei Ihnen geltend machen.
Wie gehen Sie mit solchen Situationen um?
Die Kündigung eines Behandlungsvertrags mit einem Dauerpatienten ist immer eine Gratwanderung: Der Patient ist aus medizinischen Gründen auf eine regelmäßige Therapie angewiesen. Dies spricht i. d. R. gegen eine fristlose Kündigung des Vertrags. D. h., dass Sie die aktuelle ärztliche Verordnung in den meisten Fällen werden abarbeiten müssen und sich erst dadurch vom Dauerpatienten trennen können, indem Sie keinen neuen Behandlungsvertrag mehr mit ihm abschließen.
PRAXISTIPP | Wenn Sie mit einem Dauerpatienten keinen neuen Behandlungsvertrag schließen wollen, setzen Sie ihn frühzeitig darüber in Kenntnis, dass Sie ihn nach Abarbeitung des aktuellen Rezepts nicht mehr weiterbehandeln werden und er sich einen anderen Therapeuten suchen muss. Bricht der Patient aufgrund dieser Mitteilung dann von sich aus die Behandlung ab, ist dies als fristlose Kündigung des Behandlungsvertrags durch den Patienten zu sehen. Dazu ist der Patient jederzeit berechtigt ‒ im Gegensatz zu Ihnen. Denn der Patient kann als wichtigen Grund immer ein fehlendes Vertrauensverhältnis ins Feld führen. |
Ein hinreichender Grund für eine fristlose Kündigung eines bestehenden Behandlungsvertrags durch Sie als Therapeut dürfte nur dann vorliegen, wenn der Patient Sie oder Ihre Mitarbeiter tätlich angreift, massiv beleidigt oder in der Praxis randaliert. In diesem Fall wäre auch ein Hausverbot denkbar (siehe weiterführenden Hinweis). Ist der Patient unkooperativ, vergreift sich im Ton oder äußert Meinungen, die Sie nicht teilen, ist dies kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung des Behandlungsvertrags, sondern „nur“ ein Grund, keinen weiteren Behandlungsvertrag mehr abzuschließen.
Weiterführender Hinweis
- „So setzen Sie rechtssicher ein Hausverbot durch“ (PP 05/2016, Seite 11)