· Fachbeitrag · Rechtsprechung
GEMA-Urteil des BGH: Verträge sind kündbar!
von RA Tim Hesse, Dortmund (www.kanzlei-am-aerztehaus.de)
| Die Wiedergabe von Radiomusik in der Praxis zieht für Therapeuten, Zahnärzte und Ärzte grundsätzlich keine Pflicht zur Zahlung einer Vergütung an die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) nach sich, weil sie keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechts darstellt. Dies bestätigte vor Kurzem der Bundesgerichtshof (BGH) rechtsverbindlich ( Urteil vom 18.6.2015, Az. I ZR 14/14, Abruf-Nr. 144844). Wie auf die Entscheidung zu reagieren ist, lesen Sie im folgenden Beitrag. |
Therapeuten ohne Vertragsbindung
Fest steht: Wer in der Vergangenheit keinen Vertrag mit der GEMA in Bezug auf Radiomusik abgeschlossen hat, ist nicht (und war nie) zur Vornahme von Lizenzzahlungen an die GEMA verpflichtet. Vor dem Hintergrund der BGH-Entscheidung sollte nun auch keine neue Verpflichtung mehr eingegangen werden; entsprechende Angebote der Gesellschaft oder Zahlungsverlangen ohne vertragliche Grundlage (Aufforderung durch Bescheid) können mit Verweis auf das Urteil zurückgewiesen werden.
Was tun, wenn ein Vertrag besteht?
Praxisinhaber, die in der Vergangenheit einen Nutzungsvertrag mit der GEMA abgeschlossen haben, sollten diesen schriftlich unter Berufung auf den BGH „fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ kündigen. Gleichzeitig sollten sie eine eventuell erteilte Einzugsermächtigung gegenüber der Gesellschaft widerrufen und keine Zahlungen mehr vornehmen.
Der BGH hält eine fristlose Kündigung für berechtigt, da durch das für ihn bindende Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15. März 2012 (Az. C-135/10) die Geschäftsgrundlage der GEMA-Verträge entfallen ist. Zur Zeit des Vertragsschlusses gingen die Parteien noch davon aus, dass Hintergrundmusik aus dem Radio in Praxen eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechts darstellt. Die dies verneinende EuGH-Entscheidung hat dann zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage geführt. Die Lizenzvereinbarung wäre wohl kaum getroffen worden, wenn keine Verpflichtung seitens der Praxisbetreiber dazu bestanden hätte bzw. angenommen worden wäre.
PRAXISHINWEIS | Wer an die GEMA bisher lediglich unter Vorbehalt geleistet hat, kann seine Zahlungen nun zurückfordern. Dass auch andere Betroffene eine Rückerstattung des Geleisteten verlangen können, erscheint zweifelhaft, da eine Kündigung in der Regel keine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses zur Folge hat. Wissenswert wäre darüber hinaus, wie der BGH das Abspielen von Musik bei Kursangeboten oder Trainingstherapien beurteilt. Erkenntnisse hierzu werden sich womöglich bei Veröffentlichung der Urteilsgründe ergeben. |