· Fachbeitrag · Verordnungspraxis
Wenn die Krankenkasse keine Langfristgenehmigung erteilt
von Rechtsanwalt Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Nothweiler
| Nicht in jedem Fall reicht die festgelegte Gesamtverordnungsmenge aus, um das angestrebte Therapieziel zu erreichen. Allerdings ist auch nicht in jedem Fall eine Langfristgenehmigung nötig. Bis feststeht, ob die Krankenkasse der Einschätzung des verordneten Arztes zustimmt, haben Therapeuten meist schon mit der Behandlung begonnen. Welche Folgen hat die Ablehnung einer Langfristgenehmigung für Therapeuten und Patienten? |
Gegen Ablehnung können Patienten Widerspruch einlegen (© motorradcbr - Fotolia.com)
Verordnungen außerhalb des Regelfalls
Kann das Therapieziel mit der im Heilmittelkatalog festgelegten Gesamtverordnungsmenge nicht erreicht werden, kann der behandelnde Arzt eine - gegebenenfalls auch längerfristige - Verordnung außerhalb des Regelfalls ausstellen. Der Arzt muss seine Verordnung gegenüber der Krankenkasse begründen und eine weiterführende Diagnostik durchführen, um auf der Basis des festgestellten Therapiebedarfs, der Therapiefähigkeit, der Therapieprognose und des Therapieziels die Heilmitteltherapie fortzuführen oder andere Maßnahmen einzuleiten.
Der Patient ist verpflichtet, diese begründete Verordnung seiner Krankenkasse zur Genehmigung vorzulegen. Ab dem Zeitpunkt der Vorlage der begründeten Verordnung zur Genehmigung übernimmt dann die Krankenkasse die Kosten des verordneten Heilmittels wie folgt:
- Bei Genehmigung der Verordnung: Bis zum Ablauf der vom Arzt verordneten Behandlungsanzahl
- Bei Verzicht auf eine Genehmigung: Bis zum Ablauf der vom Arzt verordneten Behandlungsanzahl
- Bei Ablehnung der Genehmigung: Bis zum Zugang der Entscheidung über die Ablehnung der Genehmigung
|
Patient Klein hat die begründete Verordnung im Februar vorgelegt und die The-rapie fortgesetzt. Am 30. März geht ihm die Ablehnung der Genehmigung zu. Zwi-schen Abgabe der Verordnung bei der Krankenkasse und Zugang der Ablehnung hat Patient Klein sechs Therapiesitzungen in Anspruch genommen.
|
PRAXISHINWEIS | Raten Sie Ihren Patienten, sich den Zeitpunkt der Vorlage der begründeten (längerfristigen) Verordnung von der Krankenkasse bestätigen zu lassen. Der Zeitpunkt der Vorlage kann auch durch den Versand per Einschreiben nachgewiesen werden. |
Für besonders schwere Fälle: Langfristgenehmigungen
Langfristgenehmigungen für medizinisch notwendige und dauerhaft benötigte Heilmittel, deren Laufzeit mindestens ein Jahr umfassen soll, setzen voraus, dass
- sich aus der ärztlichen Begründung ergibt, dass beim Patienten eine besondere Schwere und Langfristigkeit seiner funktionellen/strukturellen Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten vorliegt und daher ein nachvollziehbarer erhöhter Therapiebedarf besteht.
- das Therapieziel mit den insoweit verordnungsfähigen Leistungen im vom Arzt vorgesehenen Umfang erreicht werden kann.
- der Patient bei seiner Krankenkasse einen Antrag auf Langfristgenehmigung nach § 8 Absatz 5 Heilmittel-Richtlinie (HeilM-RL) stellt. Dem Antrag ist die ärztliche Verordnung beizufügen. Die ärztliche Verordnung muss - wie eine Verordnung außerhalb des Regelfalls - mit einer medizinischen Begründung versehen sein.
PRAXISHINWEIS | Der Gemeinsame Bundesausschuss hat eine Liste über die Diagnosen erstellt, bei deren Vorliegen in der Regel ein langfristiger Heilmittelbedarf besteht. Das Merkblatt finden Sie unter: https://g-ba.de/downloads sowie im Downloadbereich von PP (Gesetze/Richtlinien/Verordnungen). |
Genehmigungsverfahren
Ob der Patient nach der ärztlichen Feststellung, dass ein langfristiger Heilmittelbedarf besteht, die Heilmitteltherapie unmittelbar beginnen oder erst das Vorliegen der Genehmigung der Krankenkasse abwarten muss, ist von Krankenkasse zu Krankenkasse unterschiedlich.
- Krankenkassen ohne individuelles Genehmigungsverfahren: Mit der Verordnung des Vertragsarztes kann der Patient die Heilmitteltherapie sofort beginnen. Er muss keinen Antrag auf Genehmigung stellen. Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See haben auf ein individuelles Genehmigungsverfahren verzichtet.
- Krankenkassen mit individuellem Genehmigungsverfahren: Der Patient muss die Verordnung zur Genehmigung einreichen. Ab dem Zeitpunkt der Vorlage der begründeten Verordnung zur Genehmigung übernimmt die Krankenkasse die Kosten des verordneten Heilmittels, längstens bis zum Zugang der Ablehnung der Genehmigung.
Der Patient kann durch eine Nachfrage bei seiner Krankenkasse herausfinden, ob diese ohne oder mit individuellem Genehmigungsverfahren arbeitet. Wird ein Genehmigungsverfahren durchgeführt, muss die Krankenkasse innerhalb von vier Wochen entscheiden. Benötigt die Krankenkasse für ihre Entscheidung noch weitere Unterlagen - zum Beispiel ein Gutachten des MDK - wird die Vier-Wochen-Frist so lange unterbrochen, bis die ergänzenden Unterlagen bei der Krankenkasse vorliegen.
Widerspruch gegen die Ablehnung
Der Patient kann gegen die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat aber nicht zur Folge, dass die Krankenkasse Therapien, die aufgrund der dem Antrag beigelegten ärztlichen Verordnung nach dem Zugang der Ablehnung erbracht werden, bezahlen muss. Die Zahlungspflicht der Krankenkasse endet mit dem Zugang des Schreibens, mit dem die beantragte Genehmigung abgelehnt wird. Bis zum Zugang dieses Schreibens in Anspruch genommene Therapien werden von der Krankenkasse bezahlt.
Die einzige Möglichkeit für den Patienten, weitere Therapien nach Ablehnung der Genehmigung und für die Dauer des Widerspruchsverfahrens in Anspruch nehmen zu können, besteht in weiteren ärztlichen Verordnungen des behandelnden Arztes:
- im Rahmen der HeilM-RL, zum Beispiel als Folgeverordnung oder Verordnung außerhalb des Regelfalls. Die auf diese Weise ärztlich verordneten Therapien darf der Patient in Anspruch nehmen und die Krankenkasse hat die Vergütung hierfür an den Therapeuten zu zahlen.
- auf einem Privatrezept, mit der Folge, dass der Patient die Kosten der Therapie selbst bezahlen muss.