· Fachbeitrag · Prophylaxe
Fluorid - was ist dran an der Panikmache?
von Wolfgang Schmid, Schriftleiter „ZR Zahnmedizin Report“, Berlin
| In Deutschland wird das Trinkwasser aus gutem Grund nicht mit Fluorid versetzt: Die Versorgung des Körpers mit Fluorid aus Nahrungsmitteln, angereichertem Salz und mit Mineralwässern genügt. Und für die Zahnpflege sollten Fluoridpräparate nur lokal angewendet - und nicht verschluckt - werden. Doch gerade aus den USA, wo Initiativen seit den 1970er-Jahren gegen die Trinkwasserfluoridierung kämpfen, kommen viele zum Teil falsche Argumente, die durch das Internet munter weiterverbreitet werden. Lassen Sie sich nicht verunsichern. PPZ bringt die Fakten. |
Fluorid - im Netz werden auch Falschaussagen verbreitet
Teilweise kursieren drastische Falschaussagen im Netz, z. B. Fluorid sei ein Abfallprodukt der Schwerindustrie, das im Trinkwasser verklappt werde. Da Fluorid die Intelligenz schädige, würden kritische US-Bürger auf diese Weise sediert - und vieles mehr. Auch weniger drastische Fluorid-Gegner umgehen geschickt den Unterschied zwischen systemischer Gabe (z. B. Trinkwasser, Fluoridtabletten) und topischer Anwendung, bei der das Fluorid nicht im ganzen Körper aufgenommen wird (z. B. Zahnpasten), um die Kariesprophylaxe mit Fluorid anzuzweifeln und in Misskredit zu bringen.
Fluorid in der Zahnmedizin
Fluoride sind Spurenelemente mit großer Bedeutung. Sie sind unbedingt zur Bildung von Apatitstrukturen erforderlich, also von Knochen und Zähnen. Kinder in der Wachstumsphase benötigen Fluorid für den Knochen- und Zahnaufbau. Im Alter brauchen die Menschen entsprechend weniger Fluoridzufuhr. Im Zahn ist Fluorid ungleichmäßig verteilt. Die höchste Konzentration findet man unmittelbar an der Pulpa vor. Im Schmelz ist die höchste Konzentration an der Schmelzoberfläche - ca. 200 bis 300 ppm - zu finden.
In der Zahnmedizin wird Fluorid bevorzugt lokal (also an den Zähnen) und nicht systemisch (im ganzen Körper) benötigt. Bei der systemischen Gabe von Fluoridtabletten verdünnt sich das Fluorid im Blutplasma auf 0,01 bis 0,025 ppm. Davon können nur geringe Anteile in den Zahnschmelz eingebaut werden. Bei der lokalen Fluoridanwendung an den Zahnflächen können deutlich höhere Fluoridkonzentrationen wirksam werden.
PRAXISHINWEIS | Neben der auf natürliche Lebensmittel, Wasser und fluoridiertes (und jodiertes) Speisesalz beschränkten Aufnahme von Fluorid empfiehlt das Bundesamt für Risikobewertung die lokale Applikation von fluoridhaltigen Zahnpflegemitteln zur Kariesprophylaxe - vor allem also Zahnpasten. So kann eine gesundheitsschädigende Wirkung durch eine zu hohe Fluoridaufnahme ausgeschlossen werden. |
Fluorid - wann kann es gefährlich werden?
Fluorid ist giftig. Die sicher tödliche toxische Dosis (Certainly Toxic Dose; CTD) liegt bei 32 bis 64 mg Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht. Doch bereits eine Menge von 5 mg/kg gilt als kritische Schwelle, da ab hier Vergiftungserscheinungen auftreten können (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen und Parästhesie). Dies entspricht bei einem Erwachsenen, der 70 kg wiegt, 350 mg Fluorid (in etwa drei bis vier Zahnpastatuben bzw. einer Tube Dental-Gel wie „elmex gelée“).
Einsatz von Fluoriden bei Kindern
Kinderzahncremes sind für Kinder ungefährlich. Bei 75 ml Inhalt und einem Fluoridgehalt von 500 ppm beträgt die Fluoridmenge in der Tube 37 mg. Bei dem durchschnittlichen Körpergewicht eines Dreijährigen von 15 kg liegt die kritische Schwelle bei 75 mg, die sicher tödliche Dosis bei ca. 480 bis 960 mg.
Dennoch gilt, dass auch dentale Fluoride gefährlich werden können. Akute Fluoridvergiftungen - auch mit tödlichem Ausgang - wurden bei Kindern beobachtet - vor allem nach unbeaufsichtigter Einnahme von Fluoridtabletten oder durch Verschlucken (statt Spülen und Ausspucken) von in der Zahnarztpraxis applizierten hochkonzentrierten Fluoridgelen.
PRAXISHINWEIS | Kinder, die Fluoridtabletten vom Kinderarzt verschrieben bekommen, sollten keine fluoridierte Zahncreme verwenden und umgekehrt. Kontaktieren Sie, wenn Sie die ersten Zähne Ihrer kleinen Patienten mit Kinderzahncreme schützen wollen, also vorher den Kinderarzt! |
Meist entstehen Schäden jedoch durch chronische Überdosierung. Bekannte Folgen sind Störungen im Zahnaufbau (Dentalfluorose) oder - bei höheren Dosen - im Skelett (Knochenfluorose). Bei der Skelettfluorose verliert der Knochen Elastizität und wird zu hart - er bricht leichter. Dentalfluorose - auch Zahnfluorose genannt - ist das einzig sichtbare Symptom, das aus einer zu hohen Fluoridaufnahme während der Zahnentwicklung resultiert. Sichtbar wird es durch weiße bis bräunliche Flecken auf dem Zahnschmelz, meist an den Schneidezähnen.
Fluorid bekommt man nicht nur bei der Zahnpflege
Als Quellen chronischer Fluoridvergiftung kommen nicht nur zahnmedizinisch relevante Produkte in Betracht, sondern auch fluoridreiche Lebensmittel und Getränke (schwarzer Tee, manche Mineralwässer, das Leitungswasser in manchen Regionen) und Fluorid-Exposition am Arbeitsplatz.
PRAXISHINWEIS | Personen, die fluoridiertes Speisesalz verwenden, sollen keine zusatzlichen Fluoridtabletten einnehmen und auf den Fluoridgehalt ihres Wassers achten (unter 0,7 mg/l), um Überdosierungen zu vermeiden. Fluoridhaltige Zahnpflegemittel werden aber allen empfohlen. |
Weiterführender Hinweis
- In PPZ 07/2017 werden Alternativen zum Fluorid bei der Kariesprophylaxe beleuchtet.