· Fachbeitrag · Praxisbedarf
Beschaffungsmanagement Schritt für Schritt: So gestalten Sie den Materialeinkauf optimal
von Christine Baumeister-Henning, Haltern
| Eine professionell organisierte Materialwirtschaft schließt aus, dass sich die Beschaffung im Wesentlichen auf planlose Ad-hoc-Bestellungen per Telefon beschränkt und dass mal wieder schnell etwas bestellt werden muss, weil es aufgebraucht ist. Außerdem bindet das Materiallager - insbesondere für aktuell nicht benötigte Materialien - Kapital. Für die hier gelagerten Materialien wurde bereits Geld ausgegeben, ohne dass damit wertschöpfende Tätigkeiten durchgeführt wurden. Das muss nicht sein. Mit den richtigen Strategien vermeiden Sie sowohl das eine als auch das andere Extrem. |
Weder Engpass noch übervolles Lager
Ein effizientes Beschaffungsmanagement umfasst die Verfügbarkeit des richtigen Produkts, im richtigen Zustand, in der richtigen Menge, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort. Nachdem in der Juli-Ausgabe von PPZ erläutert wurde, wie das richtige Produkt und der richtige Zustand aussehen, werden im Folgenden die weiteren „r‘s“ vorgestellt.
Die richtige Menge
Die richtige Menge bedeutet: Es muss so viel von jedem Material da sein, dass bis zur nächsten Bestellung kein Mangel auftritt. Dazu werden Bedarfsinformationen benötigt: Was wird in welcher Menge und in welcher Zeit benötigt? Festzulegen sind der Bestellrhythmus, die optimale Bestellmenge sowie die sogenannte „eiserne Reserve“.
Zur Bestandsüberwachung ist eine Materialkartei erforderlich. Diese kann in Papierform oder elektronisch (Materialverwaltungsprogramm oder Tabellenkalkulation) geführt werden. Sie sollte die folgenden Angaben enthalten:
- Wann muss beim Lieferanten bestellt werden, um Engpässe zu vermeiden (Lieferzeit)?
- Wann verfallen welche Materialien?
- Wie viel von welchem Material liegt noch auf Lager?
Zusätzlich sollte die Kartei die spezifischen Materialinformationen enthalten.
PRAXISHINWEIS | Zur Materialbestandsüberwachung ist es notwendig, eine verantwortliche Person zu benennen und die Datei/Kartei regelmäßig zu kontrollieren. Bei konsequenter Überwachung werden „Lagerleichen“ und teure „Panikkäufe“ von Praxismaterial vermieden, was zu einer spürbaren Senkung von Kapitalbindungs-, Fehlmengen- und Lagerkosten führt. |
Um die Größe der „eisernen Reserve“ - die Mindestreservemenge - zu bestimmen, sind folgende Kennzahlen zu ermitteln:
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Materialverbrauch | Der Materialverbrauch ergibt sich aus dem Bestand am Anfang eines Monats abzüglich des Bestandes am Endes eines Monats. |
Durchschnittlicher Lagerbestand | Zur Ermittlung des durchschnittlichen Lagerbestandes werden der Bestand am Anfang und am Ende eines Monats addiert und durch zwei geteilt. |
Lagerumschlagshäufigkeit | Sie errechnet sich aus dem Materialverbrauch geteilt durch den durchschnittlichen Lagerbestand. |
Lagerzeit | Berechnung: 30 Tage (ein Monat) werden durch die Lagerumschlagshäufigkeit geteilt. |
Voraussichtliche Beschaffungsdauer | Dies ist der Zeitraum zwischen Bestellung und Lieferung. Sie kann zum Beispiel bei einem 24-Stunden-Lieferservice sehr kurz, bei selten benötigten Materialien aber mehrere Tage oder gar Wochen betragen. |
Eiserne Reserve | Der die Bestellung auslösende Mindestbestand wird durch Multiplikation des Anfangsbestandes mit dem Verhältnis aus Beschaffungsdauer und Lagerzeit errechnet. |
Diese Kennzahlen veranschaulicht das folgende Beispiel.
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Praxis Dr. Müller möchte die „eiserne Reserve“ für Rosenbohrer ermitteln.
Dr. Müller muss also stets eine „eiserne Reserve“ von (gerundet) sieben Rosenbohrern im Lager haben, um nicht in Engpässe zu geraten. |
Der richtige Ort
Auf der einen Seite müssen für den Erhalt der Qualität der Materialien die vom Hersteller bestimmten Lagerorte eingehalten werden. Der „richtige Ort“ bedeutet aber auch, dass Materialien im Praxisablauf gut erreichbar untergebracht sind. Der am schnellsten erreichbare Ort bei Materialien für die Behandlung ist sicher das Behandlungszimmer selbst. Um sicherzustellen, dass jedes Zimmer immer ausreichend bestückt ist, kann eine Checkliste hilfreich sein, in der alle Materialien aufgeführt sind, die grundsätzlich im Behandlungszimmer vorrätig sein sollen. Dabei wird festgelegt, dass jedes Zimmer am Abend von der jeweils verantwortlichen Mitarbeiterin nach der Checkliste geprüft und aufgefüllt wird.
Bei den benötigten Materialien wird es sich insbesondere um Einwegmaterialien für den Tagesbedarf - wie Handschuhe, Becher, Servietten etc. - oder Behandlungsmaterialien, die bei einer Vielzahl von Behandlungen benötigt werden, handeln. Für teure Materialien - zum Beispiel für Komposite mit den dazugehörigen Materialien - lohnt sich möglicherweise die Anschaffung eines mobilen Trays. Dies ist ein kleiner Materialcontainer, der von Zimmer zu Zimmer bewegt werden kann. Befindet sich das Hauptlager weit entfernt von der Praxis - zum Beispiel im Keller -, kann ein Schrank mit einem Kleinbestand weite Laufwege während der Praxiszeit vermeiden. Die Bestückung dieses Schranks sollte wöchentlich anhand einer Checkliste erfolgen.
Die richtige Zeit
Kaum etwas ist ärgerlicher in der Zahnarztpraxis, als wenn ein Termin abgesagt wird, weil die für die Behandlung benötigten Materialien nicht zur Verfügung stehen. Mit dem bisher vorgestellten System ist schon sichergestellt, dass die regelmäßig benötigten Materialien in ausreichender Menge vorhanden sind. Ein Knackpunkt im Materialmanagement sind aber selten benötigte Materialien. Wenn eine Praxis beispielsweise nur unregelmäßig implantiert, wird sie nicht immer alle notwendigen Zubehörteile auf Lager haben. In solchen Fällen wird der Terminplaner Teil des Materialmanagements. Hier sollte kontinuierlich eine Prüfung der in naher Zukunft anstehenden Behandlungen stattfinden. Dann kann das notwendige Equipment rechtzeitig bestellt werden.
Lieferantenverwaltung
Die Zuverlässigkeit und Liefertreue ist ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der richtigen Lieferanten. Ein Wechsel des Lieferanten wegen einer kurzfristigen Sonderaktion sollte wohl überlegt werden, denn der „Hauslieferant“ bietet auf Nachfrage möglicherweise den gleichen Preis und die Gesamtbestellmenge rutscht durch den Wechsel für ein oder zwei Materialien nicht in die teure „Mindermengenzone“. Hilfreich für die Bestellung ist eine Lieferantenübersicht, aus der alle für einen Bestellvorgang notwendigen Informationen ersichtlich sind.
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Lieferant | Adresse | Zahlungsart | Tel.-Nr. | Fax-Nr. | Kunden-Nr. | |
Curaprox | Industriestr. 476297 Stutensee | Überweisung | 07249 952-573 | 07249 952-588 | 13720 |
Bestellung und Wareneingang
Eine Bestellung wird dann ausgelöst, wenn bei B-Gütern der Mindestbestand erreicht ist oder bei A-Gütern die Behandlung absehbar ansteht. Bei der Bedarfsermittlung ist die bereits vorhandene Inventurliste hilfreich, auf der der Mindestbestand jeweils vermerkt ist. Anhand dieser Liste kann die Bestellung erfasst und schnell an die Lieferanten übermittelt werden. Materialverwaltungsprogramme, die preisgünstig oder kostenfrei von Lieferanten angeboten werden - eine Excel-Tabelle, ein Bestellbuch oder eine Materialkartei - können den Bestellvorgang hilfreich unterstützen. Sinnvoll ist es, einen Bestellrhythmus festzulegen - zum Beispiel alle zwei oder vier Wochen. Bestellt wird per Fax oder E-Mail. Die Bestellung sollte nach Möglichkeit immer schriftlich erfolgen. Das übermittelte Bestellformular wird dann bis zum Wareneingang in den Bestellordner abgeheftet oder elektronisch abgespeichert. Wird die Ware geliefert, ist der Wareneingang nach Checkliste zu prüfen.
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Prüfung | Hinweise |
Verpackung ok? | Besteht die Gefahr, dass der Inhalt ebenfalls beschädigt ist, ist die Annahme zu verweigern. |
Anschrift ok? | Es ist sicherzustellen, dass der Empfänger auch der Adressat ist. |
Lieferung korrekt? (siehe Bestellschein) |
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Materialien ok? Art, Menge, Haltbarkeit? | Fehlerhafte Ware dokumentieren und für die Rücksendung vorbereiten |
Die zehn Gebote eines ordentlichen Materialeinkaufs
- 1. Überblick über die Marktverhältnisse: Lassen sie sich anfangs von verschiedenen Lieferanten Material schicken, um einen Überblick über die Angebote und Preise zu haben. Erstellen Sie dann eine Liste, die Sie im Wareneingangsordner abheften und in der Sie die Lieferanten bewerten können.
- 2. Bestellung der Waren: Bestellen Sie Ihre Waren schriftlich und heften Sie die Bestellung ordentlich ab. Nur so haben Sie den Überblick, ob Sie die richtige Ware in der bestellten Stückzahl erhalten haben.
- 3. Wareneingangs- und Rechnungskontrolle: Kontrollieren Sie beim Wareneingang sofort die Rechnung und die Bestellung. Sollte die Ware oder die Stückzahl nicht korrekt sein, sorgen Sie dafür, dass der Fehlbestand direkt und versandkostenfrei nachgeliefert wird.
- 4. Bestandsliste: Machen Sie eine Bestandsliste, in der Wareneingang und -ausgang eingetragen werden, und vermerken Sie, ab welchem Bestand wieder bestellt werden muss.
- 5. Zuschläge vermeiden: Wenn Sie genügend Kapazitäten haben, lohnt es sich, Mindermengenzuschläge zu umgehen. Vielleicht können Sie sich auch mit befreundeten Arztpraxen zusammenschließen und eine Art Sammelbestellung aufgeben.
- 6. Rabatte: Vereinbaren Sie mit Ihren bevorzugten Lieferanten Treue- und Mengenrabatte.
- 7. Vorkasse und Nachnahme: Lassen Sie sich nicht auf teure Nachnahmesendungen ein. Verhandeln Sie mit den Lieferanten einen Rechnungskauf. Treten Sie - wenn möglich - auch nicht in Vorkasse.
- 8. Portokosten vermeiden: Bestellen Sie möglichst immer zu dem Grundbestellwert, bei dem Ihr Zulieferer die Portokosten übernimmt.
- 9. Überziehungszinsen vermeiden: Bestellen bzw. bezahlen Sie Ihren Wareneingang erst, wenn Ihre Konten gedeckt sind.
- 10. Angebote überprüfen: Lassen Sie sich nicht von jedem Angebot zum Kauf verleiten. Oft werden so unnötige Waren bestellt, die selten oder gar nicht gebraucht werden.