· Fachbeitrag · Patientenberatung
Aktivkohle-Zahnpasten: „Glauben Sie nicht an den Hype!“
von Wolfgang Schmid, Schriftleiter ZR ZahnmedizinReport, Berlin
| Zahnpasten mit Aktivkohle als Wirkstoff zur Zahnaufhellung werden zu horrenden Preisen angeboten. Doch wirkt Aktivkohle wirklich gegen Zahnverfärbungen und hellt sie vielleicht sogar die Zahnfarbe auf? Zahnärzte und Wissenschaftler sind skeptisch ‒ und raten von der schwarzen Trendzahnpaste ab: „Glauben Sie nicht an den Hype! Jeder, der sich um Verfärbungen oder Verfärbungen der Zähne sorgt, die durch eine Ernährungsumstellung oder eine Verbesserung der Mundhygiene nicht verändert werden können, sollte seinen Zahnarzt aufsuchen“, meint Prof. Damien Walmsley von der British Dental Association. (1) |
Wirkung von Aktivkohle-Produkten
Aktivkohle ist aufgrund ihrer großen Oberfläche in der Lage, Schadstoffe zu binden. Diese Eigenschaft macht man sich z. B. in der Medizin (Kohletabletten) oder bei Filtern für Belüftungs- und Wasseraufbereitungsanlagen zunutze. Seit einiger Zeit hat nun die Kosmetikindustrie die Kohle für sich entdeckt. Als Inhaltsstoff von Peelings, Masken oder Zahncremes soll sie „porentief“ reinigen sowie Ablagerungen und Verfärbungen an den Zähnen entfernen.
Das Verbrauchermagazin Öko-Test hat einige der Kohlepräparate unter die Lupe genommen. Fazit: Es sei naheliegend, dass die hochreaktiven Kohlenstoffteilchen durch die anderen Zutaten des Produkts bereits gesättigt seien ‒ und somit gar nicht mehr in der Lage seien, Schmutzpartikel von außen zu binden. Ein reinigender Effekt der Kohle sei eher auf eine abrasive als auf eine absorbierende Wirkung zurückzuführen. (2)
Große Werbeversprechen und noch stolzere Preise
Die US-amerikanische Firma Hyperbiotics bewirbt ihre Zahnpaste mit Aktivkohle und Probiotika ausdrücklich damit, dass sie auf alle Inhaltsstoffe verzichtet, die „sich negativ auf Ihre mikrobielle oder allgemeine Gesundheit auswirken, einschließlich Fluorid, Triclosan, Schaumbildner, Waschmittel (SLS), Konservierungsmittel sowie künstliche Farb- und Geschmacksstoffe. Jetzt können Sie weißere Zähne, frischeren Atem und ein gesünderes Lächeln ohne Reue genießen.“ Für eine Tube solch reueloser Zahncreme verlangt die Firma den stolzen Preis von 15 US-Dollar (entspricht etwa 13,20 Euro). (3)
Und die Schweizer Firma Curaprox hat ein komplettes kleines Produkt-Universum rund um „Black is White“ und „White is Black“ aufgebaut ‒ mit glutenfreien Zahnpasten mit Hydroxylapatit, konventionellen und elektrischen Ultraschall-Zahnbürsten. Allen gemeinsam: stolze Preise. Zwei Handzahnbürsten gibt es im Curaprox-Onlineshop für 12,90 Euro, eine Tube mit 90 ml Zahnpaste für 24,50 Euro! (4)
Funktioniert Aktivkohle wirklich?
Man muss voranschicken: Die Wirksamkeit von Zahnpasten zur Zahnaufhellung ist fragwürdig und umstritten ‒ und zwar unabhängig vom Inhaltsstoff. Die meisten Pasten arbeiten zum einen mit Schleifkörperchen, zum anderen mit blau-ultravioletten Farbstoffen. Letztere lassen durch einen leichten Blaustich die Zähne weißer aussehen. (3)
Ärzte, Patienten und Forscher haben sich besorgt über die Aktivkohle-Zahnpasten geäußert, da das Risiko der Abrasion der Zahnstruktur besteht. Dazu kommt die Enttäuschung beim Kunden, wenn die angekündigten kosmetischen Ergebnisse nicht erreicht werden.
So hatten brasilianische und kanadische Wissenschaftler verschiedene Aufhellungstechniken verglichen. Dabei schnitt die Aktivkohle-Zahnpasta gar nicht gut ab. (4) Die Studie verglich die Aufhellungsleistung von Zahnpasten mit verschiedenen Aufhellungstechnologien nach der ersten und nach einer weiteren Anwendung. 90 bovine Schneidezähne wurden mit einer konzentrierten Lösung von schwarzem Tee eingefärbt. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip in sechs Gruppen aufgeteilt, je nach Aufhelltechnologie: Aktivkohle (Black is White®/Curaprox), Farbstoff Blaues Covarine (Close Up White Attraction Diamod®/Unilever), Wasserstoffperoxid (Colgate Luninous White Advance®/Colgate Brazil), Mikroperlen (Oral B 3D White Perfection®/Procter & Gamble) und optimierte Schleifmittel (Sorriso Ytreme Whioote 4D®/Colgate Brazil).
Diese Pasten wurden mit einer herkömmlichen Zahnpasta ohne Aufhellungsmittel verglichen. Nach dem Putzen in einer Bürstmaschine verglich ein Prüfer die Farbe mit einer VITA-Classical-Skala vor dem ersten Bürstzyklus, nach dem ersten Bürstzyklus und nach einem Bürstzyklus, der den kontinuierlichen Gebrauch simulierte. Nur Close Up White Attraction Diamond® mit blauem Farbstoff und Oral B 3D White Perfection® mit Micrpoperlen zeigten nach der ersten Anwendung eine Aufhellungsleistung. Die höchste Aufhellungsleistung nach kontinuierlicher Anwendung wurde von Close Up White Attraction Diamond® erzielt, gefolgt von Colgate Luninous White Advance® mit Wasserstoffperoxid H2O2 und Oral B 3D White Perfection®.
FAZIT | Am Zahn haftende Ablagerungen und Verfärbungen sind eher ein Anzeichen für falsche Putztechniken. Bei Preisen von 25 Euro pro Tube kann man das Geld auch sinnvoller einsetzen als für Aktivkohle-Zahncremes ‒ z. B. für eine halbjährliche professionelle Zahnreinigung (PZR) ... |
Weiterführende Hinweise/Quellen
- (1) Charcoal toothpastes ‚don‘t whiten teeth‘. BBC News, 10.05.2019.
- (2) 15 Schwarze Kosmetika im Test. ÖKO-TEST Ratgeber Kosmetik und Wellness 2016: 31‒36.
- (3) Andréa Abi Rached Dantas et al.. Can a bleaching toothpaste containing Blue Covarine demonstrate the same bleaching as conventional techniques? An in vitro, randomized and blinded study. J Appl Oral Sci. 2015 N‒Dec; 23 (6): 609‒613. doi: 10.1590/1678-775720150268
- (4) Vanessa Torraca Peraro Vaz et al. Whitening toothpaste containing activated charcoal, blue covarine, hydrogen peroxide or microbeads: which one is the most effective? J Appl Oral Sci. 2019 Jan 14;27:e20180051. Doi: 10.1590/1678-7757-2018-0051.