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24.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122609

Oberlandesgericht Jena: Urteil vom 29.05.2012 – 4 U 549/11

1. Im Arzthaftungsrecht muss - nach fehlerhafter Behandlung - der Patient den Arzt nicht zur Nacherfüllung auffordern, wenn er anschließend Schadensersatz und Schmerzensgeld von dem behandelnden Arzt wegen dessen Behandlungsfehler verlangt.
Der Eigenart des Arzt-Patienten-Verhältnisses und dem Inhalt der nach dem Behandlungsvertrag geschuldeten Leistung widerspräche es, wenn der Patient nach fehlerhafter Behandlung Nacherfüllung verlangen müsste.
2. Dieses gesetzliche Erfordernis eines Nacherfüllungsverlangens (§ 281 BGB) kann nur für solche Schadensersatzpositionen relevant werden, die dem Komplex Schadensersatz statt Erfüllung zuzurechnen sind; das sind z.B. Nachbehandlungskosten für eine wegen des Behandlungsfehlers notwendig gewordene Nachbehandlung.
3. Für den "einfachen" - materiellen und immateriellen - Schadensersatz nach §§ 280, 253 Abs. 2 BGB ist eine Aufforderung zur Nacherfüllung entbehrlich. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass ein Nacherfüllungsanspruch nach Beendigung des Behandlungsvertrags (d.h. mit Erbringung der Hauptleistungen aus diesem Vertrag) nicht (mehr) besteht.
Ein Behandlungsabbruch seitens des Patienten (wegen verlorenen Vertrauens) ist dabei im Regelfall als Kündigung des ärztlichen Behandlungsvertrags anzusehen.


4 U 549/11
In dem Rechtsstreit
A. K.
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
99099 Erfurt
gegen
Dr. T. B.
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesge richt Müller,
Richterin am Oberlandesgericht Billig und
Richter am Landgericht Heidel
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8.5.2012
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 14.7.2011 (Az.: 10 O 2037/09) aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten dem Landgericht Erfurt vorbehalten.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen streitiger ärztlicher Fehlbehandlung auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie auf Schadenersatz in Anspruch.
Die Klägerin ist privat krankenversichert. Sie befand sich ab dem Jahr 2000 bis Dezember 2006 beim Beklagten in zahnärztlicher Behandlung.
Zu einem nicht näher aufgeklärten Zeitpunkt setzte der Beklagte der Klägerin am Zahn 27 zunächst eine Kunststofffüllung, danach ein Goldinlay ein. Wegen dieses Zahnes fand am 10.7.2006 beim Beklagten eine Behandlung statt. Der Beklagte wies die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass an diesem Zahn Behandlungsbedürftigkeit bestehe.
Die Beklagte befand sich weiterhin wegen des Zahnes 36 beim Beklagten in Behandlung. Am Zahn 36 wurde am 8.12.2006 eine vorhandene Altkrone entfernt und eine neu angefertigte Vollkeramikkrone eingesetzt. Nach dem 8.12.2006 erschien die Klägerin nicht mehr beim Beklagten zur Behandlung.
Die Klägerin befand sich in der Nacht vom 9.2.2007 auf den 10.2.2007 in der Universitätsklinik Jena in zahnärztlicher Notbehandlung wegen "Schmerzen".
Hinsichtlich des Zahnes 27 wurde am 7.5.2007 eine Sekundärkaries unter dem Inlay festgestellt. Der Zahn 27 wurde durch den Nachbehandler, Zahnarzt Dr. Hoffmann, am 26.9.2007, 5.11.2007 und 15.11.2007 nachbehandelt.
Am Zahn 36 wurde am 7.6.2007 distal Sekundärkaries am Kronenrand festgestellt. Für den Zahn 36 begab sich die Klägerin im Zeitraum vom 29.8.2007 bis zum 5.8.2008 in weitere zahnärztliche Behandlung.
Die Klägerin behauptet,
beim Einsetzen des Inlays am Zahn 27 habe der Beklagte entweder vermutlich Teile einer vorhandenen Kunststofffüllung und darunter befindliche Sekundärkaries im Stufenbereich mesial übersehen und belassen, oder der Beklagte habe übersehen, dass das Inlay im Stufenbereich keine ausreichende Passfähigkeit hatte und das vorhandene Befestigungsmaterial habe die vorhandene Kavität (=Hohlraum) nicht ausreichend ausfüllen können.
Am Zahn 36 habe der Beklagte "scheinbar ebenfalls" eine vorhandene Randkaries übersehen. Zwar dürfte die klinische Diagnose durch eine leichte Mesialkippung des benachbarten Zahnes 37 erschwert gewesen sein, allerdings hätten Röntgenaufnahmen für beide Zähne Klarheit gebracht. Im Übrigen wird hinsichtlich des Tatbestandes und der in I. Instanz gestellten Anträge Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 14.7.2011 abgewiesen. Es sei schon nicht feststellbar, ob der Klägerin am 10.7.2006 überhaupt ein Inlay eingesetzt worden sei. Jedenfalls liege keine Schlechtleistung des Beklagten im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB vor. Denn der Beklagte habe seine Leistungen noch nicht beendet. Die Klägerin habe ihm nicht die Möglichkeit gegeben, seine zahnprothetischen Leistungen aus dem Jahre 2006 zu beenden. Dem Beklagten sei es damit nicht ermöglicht worden, den Zustand der im Jahr 2006 eingesetzten Zahnprothetik abschließend beurteilen zu können. Entgegen §§ 280 Abs. 3, 281 BGB habe die Klägerin den Beklagten nicht zur Nacherfüllung aufgefordert und ihm nicht die Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben. Die Klägerin habe der Kammer auch nicht plausibel machen können, warum sie die Behandlungen ab dem 29.8.2007 nicht auch bei dem Beklagten habe durchführen lassen können. Die privat versicherte Klägerin habe zudem auch in der Höhe keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Ersatz der Arztrechnungen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Die Klägerin ist der Auffassung, dass Dienstvertragsrecht und nicht Werkvertragsrecht anwendbar sei. Selbst wenn man einen Nachbesserungsanspruch des Beklagten bejahen würde, so sei ein solcher hier nicht zumutbar. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen I. Instanz.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Sache an das Landgericht Erfurt zurückzuverweisen;
im Falle der eigenen Entscheidung des Berufungsgerichts:
unter Abänderung des am 14.7.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Erfurt, Az.: 10 O 2037/09 den Beklagten zu verurteilten, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von 4.000,00 Euro nebst dem gesetzlichen Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 31.8.2008 zu zahlen;
den Beklagten weiter zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.840,85 Euro nebst dem gesetzlichen Zinssatz in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.8.2008 zu zahlen;
den Beklagten weiter zu verurteilen, 433,75 Euro außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst 5 Prozentpunkten hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen aus dem Ereignis vom 8.12.2006 zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Kredite übergehen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II. Die nach den §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache vorläufigen Erfolg, weil das angegriffene Urteil aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen ist (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem wesentlichen Mangel, auf dem das Urteil beruht. Das Landgericht hat entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin zum - behaupteten- ärztlichen Behandlungsfehler nebst der von ihr dazu vorgebrachten Beweisanträge auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens übergangen. Aufgrund dieses Mangels ist eine aufwändige Beweisaufnahme erforderlich (§ 538 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Klägerseite hat den nach § 538 Abs. 2 ZPO erforderlichen Antrag gestellt.
Im Grundsatz zutreffend hat das Landgericht die rechtlichen Anspruchsgrundlagen für den klägerseits verfolgten Anspruch auf materiellen und immateriellen Schadenersatz primär in den Regelungen über die Vertragshaftung nach den §§ 280 Abs. 1, 252 Abs. 2, 611, 253 Abs. 2 Abs. 2, 276 BGB gesehen, begründet auf der - behaupteten - Verletzung der aus dem ärztlichen Behandlungsvertrag vom 10.07.2006 (Zahn 27) und 08.12.2006 (Zahn 36) resultierenden (dienst-)vertraglichen Pflicht zur Behandlung nach dem zum Zeitpunkt der Behandlung geltenden zahnärztlichen Facharztstandard. Die aus diesen Rechtsgrundlagen resultierende - mögliche - Haftung des Beklagten kann nach den derzeit unzureichenden sachlichen Feststellungen mit der vom Landgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.
Nicht entscheidend ist der vom Landgericht hervorgehobene Umstand, ob die Klägerin den Beklagten gem. §§ 280 Abs.3, 281 Abs.1 BGB zur Nacherfüllung aufgefordert hat. Die vom Landgericht vertretene Auffassung, hinsichtlich aller streitgegenständlicher Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld sei unterschiedslos und zwingend eine Aufforderung zur Nacherfüllung i.S. von §§ 280 Abs.3, 281 BGB vorauszusetzen, wird so weder von der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten (vgl. BGH, Urteil vom 29.03.2011, Az. VI ZR 133/10, zit. nach juris; der Entscheidung des BGH lag die vom Landgericht zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 22.04.2010, Az. 22 U 153/08, hier zit. nach juris, zugrunde), noch vom erkennenden Senat geteilt. Hinsichtlich der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen ist vielmehr die im Gesetz selbst angelegte Differenzierung zu berücksichtigen. Das gesetzliche Erfordernis des Nacherfüllungsverlangens i.S. des § 280 Abs. 3, 281 BGB ist erst für diejenigen Schadenersatzpositionen relevant, die dem Komplex des Schadenersatzes statt der Leistung entsprechen (vgl. so auch im Grundsatz die vom Landgericht zitierte und mittlerweile aufgehobene Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 22.04.2010, oben aaO., im Hinblick auf den dort verlangten Ersatz von Nachbehandlungskosten im Volltext unter Rdnr. 12 ff.; vgl.: Schellenberg, VersR 2007, 1343 ff.), was hier lediglich bei einem Teil der streitgegenständlichen Ansprüche der Fall ist. Weder für einen "einfachen" Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs.1 BGB, noch für einen Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB normiert das Gesetz die Notwendigkeit eines Nacherfüllungsverlangens, so dass dessen Fehlen die Entstehung des Anspruchs nicht hindert.
Soweit ein Teil der klägerseits begehrten Ansprüche der rechtlichen Anspruchskonstellation des Schadenersatzes statt der Leistung zuzurechnen sind (Nachbehandlungskosten, Rechnungen in Anlage K 2), ist eine solche Aufforderung zur Nacherfüllung gem. § 281 Abs.1 Satz 1 BGB vorliegend aus mehreren Gründen entbehrlich.
Eines Nacherfüllungsverlangens bedarf es nicht, da der Nacherfüllungsanspruch nach Beendigung der vertraglichen Hauptleistungspflichten nicht mehr besteht. Wie das Landgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils zutreffend hervorhebt, ist es zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin die Behandlung beim Beklagten spätestens im Dezember 2006 auch für diesen erkennbar beendet hat. Der ärztliche Behandlungsvertrag ist gemäß § 627 Abs. 1 BGB als Vertrag über Dienste "höherer Art" jederzeit kündbar. Der Behandlungsabbruch seitens des Patienten und die Nichtwahrnahme weiterer Behandlungsangebote ist regelmäßig als zumindest konkludent erklärte Kündigung des ärztlichen Behandlungsvertrages anzusehen (vgl.: Schellenberg, VersR 2007, oben aaO., dort m.w.N. unter Ziff. IV.). Hier ist die Beendigung der Behandlung durch die Klägerin im Dezember 2006 auch nach dem objektiven Empfängerhorizont des Beklagten als eine solche Kündigung aufzufassen. Der Beklagte beruft sich selbst darauf, er habe vergeblich versucht, die Klägerin zu kontaktieren; sie habe die laufende Behandlung "von sich aus abgebrochen". Hat der Patient den Dienstvertrag wirksam durch Kündigung beendet, dann enden die beiderseitigen vertraglichen Hauptpflichten. Über den Zeitpunkt der Beendigung hinaus hat der Patient keinen Erfüllungsanspruch gegen den behandelnden Arzt; der behandelnde Arzt seinerseits hat keinen Anspruch darauf, dass ihm Gelegenheit zur Nachbesserung seiner ärztlichen Leistung gegeben wird. Ist der ärztliche Behandlungsvertrag damit durch wirksame Kündigung beendet, ist für das Nachbesserungsverlangen gem. § 281 Abs.1 Satz 1 BGB kein Raum mehr.
Eines Nacherfüllungsverlangens bedarf es auch deshalb nicht, weil vorliegend besondere Umstände vorliegen, welche die Notwendigkeit eines Nacherfüllungsverlangens ausschließen (§ 281 Abs. 2 -2.Alt.- BGB), wobei es offen bleiben kann, ob die Eigenart des Arzt-Patienten-Verhältnisses allgemein dazu führt, dass im ärztlichen Behandlungsvertrag ein Nacherfüllungsverlangen verzichtbar ist (so: Ballhausen, NJW 2011, S. 2694 ff.). Für ein Nachbesserungsverlangen ist hier weder nach dem Inhalt der geschuldeten Leistung, noch nach der Art der konkret gerügten Mängel Raum. Der Beklagte schuldet im Grundsatz die zahnärztliche Behandlung in Therapie und Diagnose nach dem aktuellen Stand der zahnärztlichen Wissenschaft. Maßstab ist hier - auch, soweit die Behandlung und Versorgung mit Inlays und Kronen betroffen ist - das Dienstvertragsrecht der §§ 611 ff. BGB. Zwar kann für den "rein technischen" Teil der Vertragserfüllung im Hinblick auf die passgenaue Anfertigung des Zahnersatzes und dessen Eingliederung in das vorhandene Gebiss der Klägerin eine Einstandspflicht des Beklagten nach werkvertraglichen Gewährleistungsgrundsätzen in Betracht kommen; die zentralen Behauptungen der Klägerin gehen jedoch in der Sache gerade dahin, dass der Beklagte beim Einsetzen der Krone bzw. des Inlay`s zwei dort bereits vorhandene Kariesherde übersehen haben soll. Dies hat das Landgericht auch zutreffend als Kern des Sachvortrages der Klägerin erfasst; die im angefochtenen Urteil angesprochene Rüge der fehlenden Passgenauigkeit war ersichtlich nur ein Hilfsargument der Klägerin zur Begründung der Ursache des schließlich im Mai 2007 dokumentierten Kariesbefundes. Die Abklärung entsprechender Verdachtsbefunde bei der Vorbereitung der zahnprothetischen Leistung gehört zur dienstvertraglich geschuldeten zahnärztlichen Versorgung. Die Rüge der fehlerhaften Behandlung berührt damit hier die Fallgruppe der fehlerhaft unterlassenen Befunderhebung. Ein Nachbesserungsverlangen ist damit in der Sache verfehlt. Denn die aufgrund bestimmter Verdachtsmomente im Juni 2006 bzw. im Dezember 2006 geschuldete und medizinisch indizierte Befunderhebung ist einer späteren Nacherfüllung nicht mehr zugänglich. Eine spätere Erhebung der Befunde hätte - den Vortrag der Klägerin als richtig unterstellt - ein bereits deutlich fortgeschritteneres Krankheitsbild gezeigt, hätte also damit nicht zur zeitnah geschuldeten Abklärung der Verdachtsbefunde geführt.
Von diesen rechtlichen Prämissen ausgehend, können die Ansprüche der Klägerin auf Schadenersatz und Schmerzensgeld nicht bereits wegen Fehlens ihrer gesetzlichen Voraussetzungen der Abweisung unterfallen. Vielmehr kommt es in der Sache darauf an, die streitigen Behauptungen der Klägerin im Wege des Sachverständigenbeweises so, wie es vom Landgericht ursprünglich auch mit Beweisbeschluss vom 20.07.2010 beabsichtigt war, zu klären. Das Landgericht wird dabei auch Gelegenheit haben, einzelne noch nicht hinreichend geklärte Aspekte des Sachverhalts näher aufzuklären.
1. Soweit das Landgericht Zweifel am Inhalt des zahnärztlichen Behandlungsvertrages vom 10.07.2006 im Hinblick auf den konkreten Inhalt der geschuldeten zahnärztlichen Leistung zur Behandlung des Zahnes 27 und an dessen Schlechterfüllung hat, so sind diese - ggf. im Wege der nochmaligen persönlichen Anhörung der Parteien gem. § 141 Abs.3 ZPO - zu klären. Entscheidungserhebliche Unklarheiten im Sachvortrag der Parteien sind durch entsprechende Nachfragen gem. § 139 Abs.1 Satz 1 und 2 ZPO aufzuklären.
Die Haftung des Beklagten für die klägerseits behauptete unterlassene Befunderhebung entfällt jedenfalls nicht allein aufgrund des Umstandes, dass das Inlay nicht - wie ursprünglich klägerseits behauptet - am 10.07.2006, sondern bereits im Jahre 2000 bzw. 2001 gesetzt worden war. Auch wenn bereits nach dem Inhalt der zur Akte gereichten Dokumente vieles dafür spricht, dass diese Darstellung des Beklagten sachlich zutrifft (siehe handschriftlicher Eintrag im Behandlungsblatt: "Belag Cerec 27 (..) 27 mesial beobachten, Pat. informiert" ; siehe weiter Rechnung des Beklagten vom 26.07.2006 - Bl. 67 d.A. - zur Behandlung vom 10.07.2006 ohne Abrechnung einer Position betreffend Einsetzen eines Inlays), so ist es unstreitig, dass am 10.07.2006 zumindest eine dokumentierte ärztliche Beratung der Klägerin zum Befund am Zahn 27 stattfand, für welche der Beklagte ein Entgelt verlangt hat. Demnach ist auch für den 10.07.2006 vom Bestehen eines zahnärztlichen Behandlungsvertrages auszugehen. Weiterhin ist im Rahmen der danach durchgeführten Behandlung dem Beklagten nach eigenem Vortrag ein beobachtungsbedürftiger Verdachtsbefund am Zahn 27 mesial aufgefallen, an welchem - wenn auch deutlich später, nämlich im Mai 2007 - tatsächlich ein Sekundärkaries diagnostiziert wurde. Allein an diesen festgehaltenen "Verdachtsbefund" kann die dienstvertragliche Pflicht des Beklagten zur weiteren Abklärung des selbst dokumentierten Verdachts in einem angemessenen zeitlichen Rahmen anknüpfen.
2. Soweit es dann für das Landgericht feststeht, dass eine dienstvertragliche Pflicht zur weiteren Befunderhebung am Zahn 27 bestand, bedarf es in einem zweiten Schritt im Rahmen einer Beweisaufnahme der Klärung, ob der Beklagte diese Pflicht verletzt hat. Würde sich im Wege der Einholung eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens die Behauptung der Klägerin beweisen lassen, der Beklagte habe einen bereits vorhandenen Kariesbefund am Zahn 27 übersehen, kann dies den Ersatzanspruch der Klägerin im Grunde wegen eines Behandlungsfehlers gem. § 280 Abs.1 BGB tragen.
3. Zur Behandlung am Zahn 36 ist dem Vortrag der Klägerin, im Rahmen des Einsetzens eines Goldinlays am Zahn 36 am 08.12.2006 habe der Beklagte eine dort bereits vorhandene Randkaries übersehen, im Wege der Einholung eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens nachzugehen. Die Darstellung der Klägerin trägt - für sich genommen - die Behauptung eines Behandlungsfehlers (Fallgruppe der unterlassenen Befunderhebung). Die Behauptungen der Klägerin sind insoweit auch ausreichend sachlich untersetzt. Dass eine Pflicht zur weiteren Abklärung eines Kariesverdachts (eventuell durch Anfertigung von Röntgenaufnahmen) tatsächlich nach dem fachärztlichen Standart bestehen kann, hat die Privatgutachterin (vgl. Gutachten Bl. 12 d.A.: "ratsam, aber nicht unbedingte Pflicht") selbst angesprochen. Ob es vorliegend hinreichende Anhaltspunkte gab, eine solche weitere Absicherung der zahnärztlichen Behandlung zu fordern, bedarf daher der sachverständigen Klärung.
4. Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Urteil Zweifel an der Aktivlegitimation der Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten Behandlungskosten äußert, so teilt der Senat zwar im Grundsatz die Auffassung, dass die Klägerin nur für den Anteil der Behandlungskosten anspruchsberechtigt ist, die nicht von einem gesetzlichen Anspruchsübergang auf den privaten Krankenversicherer betroffen ist. Für welchen Teil der Kosten dies jedoch im Einzelnen gilt, bedarf gem. § 139 Abs.1 Satz 1 ZPO der Aufklärung. Die Klägerin wird sich hierzu - ggf. unter Vorlage des für den streitgegenständlichen Zeitraums geltenden Versicherungsscheines bzw. der insoweit geltenden Versicherungsbedingungen - konkret zu erklären haben.
5. Der Senat hat bereits im Termin vom 08.05.2012 ausführlich darauf hingewiesen, dass die materiellen Schadenersatzansprüche der Klägerin allein durch die vorgelegten Rechnungen zum Teil nicht hinreichend belegt sind; zum Teil ist ein Zusammenhang zum behaupteten Behandlungsfehler im Hinblick auf die Folgebehandlung des Zahnes 27 nicht erkennbar. Die Klägerin wird sich auf diese Hinweise in nachfolgenden Verfahren zeitnah zu erklären haben und diesen entweder mit einer Konkretisierung des bisherigen Vortrages, oder mit einer (teilweisen) Klagerücknahme entsprechen müssen, ohne dass es insoweit eines nochmaligen Hinweises des Landgerichts bedürfte.
Infolge des Übergehens sachlich und rechtlich relevanten Vortrages der Klägerseite ist eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig. Der Senat hat von einer eigenen Sachentscheidung gemäß § 538 Abs.1 ZPO abgesehen. Eine Zurückverweisung ist hier nach dem insoweit gestellten Verfahrensantrag sachdienlich, weil angesichts des Umstandes, dass der Sachverhalt im weiteren Umfang noch nicht geklärt erscheint, für den Senat keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass das Interesse an einer schnellen Erledigung gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz überwiegt.
Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten beruht auf § 21 GKG. Die Kostenentscheidung im Übrigen war dem Landgericht vorzubehalten, da gegenwärtig nicht absehbar ist, wie sich das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen gestalten wird.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nicht vorliegt
543 Abs. 2 ZPO).

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