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08.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132525

Amtsgericht Kitzingen: Urteil vom 28.05.2013 – 1 Cs 801 Js 11930/11

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Kitzingen
Az.: 1 Cs 801 Js 11930/11
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
des Amtsgerichts Kitzingen
In dem Strafverfahren gegen
xxx
wegen fahrlässiger Körperverletzung
aufgrund der Hauptverhandlung vom 28.05.2013, an der teilgenommen haben:
xxx
1. Der Angeklagte ist schuldig der fahrlässigen Körperverletzung.
2. Der Angeklagte wird deswegen zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen
zu je 400,-- Euro verurteilt.
3. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen, sowie die notwendigen Auslagen des Nebenklägers zu tragen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 223 I, 229, 230 StGB.
Gründe:
I.
Der verheiratete Angeklagte ist selbständiger Zahnarzt und seit über 27 Jahren hauptsächlich im Bereich der Implantologie tätig. Er betreibt eine eigene Praxis in . Nach eigenenen Angaben hat er alleine im Jahr 2013 schon 290 Implantate gesetzt.
Angaben zu den Einkommensverhältnissen wollte der Angeklagte nicht machen.
Er hat zwei Kinder, die beide studieren.
Strafrechtlich ist er bisher nicht in Erscheinung getreten.
II.
In der Hauptverhandlung hat das Gericht folgenden Sachverhalt festgestellt:
Im März und April 2011 führte der Angeklagte als behandelnder Zahnarzt beim Geschädigten N.N. eine implantologische Zahnbehandlung durch. Im Zuge dieser Behandlung führte er am 09.03.2011 eine eingehende Beratung des Patienten durch. Am 25.03.2011 extrahierte er dem Patienten im Zeitraum von 08.30 Uhr bis 14.02 Uhr die vorhandenen Restzähne und setzte insgesamt 18 Implantate. Gleichzeitig versorgte er den Patienten mit einer provisorischen Brücke im Ober- und Unterkiefer. Beim Setzen der Implantate verzichtete er auf die Verwendung einer sogenannten Bohrschablone, die dazu dient, während des operativen Eingriffs die Implantate exakt an die Stelle zu setzen, an der sie später für den Zahnersatz benötigt werden. Dies hatte zur Folge, dass die Implantate im Unterkiefer falsch, nämlich nicht unter den zu ersetzenden Zähnen, sondern lingual davon lokalisiert wurden. Es handelt sich hier um einen irreparablen Fehler, der nur durch eine Entfernung der Implantate und eine Neuversorgung behebbar ist.
In der Folgezeit beklagte der Geschädigte N.N. den schlechten Sitz der Provisorien und Schmerzen. Am 31.03.2011 führte der Angeklagte daher eine Kontrolle mit Röntgendiagnostik durch. Am 07.04.2011 befestigte er ein verlorenes Provisorium.
Am 12.04.2011 gliederte der Angeklagte in einer erneuten Behandlung den endgültigen Zahnersatz ein. Zu diesem Zeitpunkt wurde vom ihm das Implantat 11 dabei extrahiert. Weiter waren für ihn erkennbar 4 Implantate im Oberkiefer und 2 Implantate im Unterkiefer gelockert. Die Eingliederung des endgültigen Zahnersatzes auf den gelockerten Implantaten war behandlungsfehlerhaft, da gelockerte Implantate nicht wieder fest werden und erst recht nicht belastet werden dürfen. Das Risiko der weiteren Lockerung unter Belastung im Unterkiefer hat sich beim Patienten dahingehend verwirklicht, dass bei der Nachbehandlung durch den Zeugen Dr. Dr. N.N. am 03.05.2011 der gesamte Unterkieferzahnerstz einschließlich Steg, Prothese und Implantaten gelockert war.
Die vorgeschriebenen Fehler verstoßen gegen bewährte zahnärztliche Behandlungsregeln und gesicherte medizinische Erkenntnisse und sind aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich, weil sie einem Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfen. Die Fehler wären bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt für den Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Der Geschädigte N.N. hat infolge der Behandlungsfehler eine unbrauchbare unzuwiederholende Zahnbehandlung mit den einhergehenden entsprechenden Schmerzen erlitten.
Strafantrag wurde unter dem 27.06.2011 gestellt.
Die Staatsanwaltschaft hat darüber hinaus das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung von Amts wegen bejaht.
III.
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichtes fest aufgrund der eigenen Einlassung des Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden konnte, aufgrund der Angaben der Zeugen N.N. und Dr. Dr. N.N. , aufgrund der Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. N.N. sowie aufgrund der in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden und in Augenschein genommenen Lichtbilder.
Der Angeklagte räumte ein, den Zeugen N.N. behandelt zu haben. Er habe bei ihm in der Praxis angerufen und um einen schnellen Termin gebeten. Als der Zeuge bei ihm in der Praxis gewesen sei, habe es ein sehr ausführliches Beratungsgespräch gegeben, das ca. 1 1/2 Stunden gedauert habe. Normal sei etwa 1/2 Stunde. Er habe dem Zeugen schon bei diesem Gespräch erklärt, dass er Implantate der Fa. Champions Implants benutzen werde. Bei einer ersten Untersuchung des Zeugen seien auch Röntgenaufnahmen gemacht worden. Teilweise seien diese Bilder schräg aufgenommen worden, weshalb auch die Zähne auf den Aufnahmen schräg erscheinen würden, was Laien des öfteren verwundern könne. Letzten Endes habe sich der Zeuge für eine Behandlung bei dem Angeklagten entschieden und auf einen frühen Termin gedrängt. Schließlich sei der 25.03.2011 vereinbart worden. Auf Wunsch des Zeugen sei der Eingriff in Vollnarkose durchgeführt worden.
Dies habe für den Zahnarzt den Vorteil, dass der Patient ruhig liege. Allerdings bekomme der Zahnarzt auch keine Reaktionen des Patienten. Trotz allem habe er in Ruhe am Zeugen arbeiten können. Zeitdruck habe er dabei nicht gehabt.
Beim Bohren an sich habe er keine Bohrschablone verwendet, da dies bei dem verwendeten System nicht möglich sei.
Einige Zeit später sei das Provisorium entfernt worden. Dabei sei das Implantat 11 im Oberkiefer herausgegangen. Dies sei aber etwas, was hin und wieder passieren könne. Die Provisorien seien teilweise locker gewesen. Problematisch sei hierbei gewesen, dass der Zeuge die Provisorien selbst wieder eingeklebt habe.
Am 04.04.2011 habe die Gerüstanprobe stattgefunden. Auch zu diesem Zeitpunkt sei noch alles in Ordnung gewesen. Hinsichtlich der Optik habe der Patient keine Bedenken gehabt. Er habe nur die Farbe der Zähne etwas heller haben wollen.
Auch am 12.04.2011 habe der Patient keine Schmerzen gehabt.
Als schließlich die fertige Arbeit eingegliedert worden sei, habe er nochmal alles überprüft. Der Patient habe dabei keine Schmerzen gehabt.
Selbstverständlich werde der Patient aufgeklärt und auch nach der Behandlung noch einmal darauf hingewiesen, dass er z. B. in der ersten Woche nur Dinge essen solle, die man mit der Zunge zerdrücken könne. Auch würden mit den Patienten Hygienemaßnahmen besprochen, beispielsweise das Säubern der Prothesen. Wenn ein Patient diese Verhaltensregeln nicht einhalte, könne der Zahnarzt nichts dafür.
Was seine Erfahrung betreffe, könne er sagen, dass er seit 27 Jahren im Bereich der Implantologie tätig sei. Allein im Jahr 2013 habe er schon 290 Implantate gesetzt. Seine Erfolgsquote liege bei 98 %. Er habe noch nie eine Bohrschablone verwendet, dies sei etwas für Anfänger. In den letzten 27 Jahren habe er noch nie die Veranlassung gesehen, eine solche Schablone zu verwenden.
Der Zeuge N.N. gab folgendes an:
Er habe eine Anzeige des Angeklagten in der Presse gesehen und daraufhin einen Termin ausgemacht. Der Angeklagte habe ihn untersucht und einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Deswegen habe er sich für den Angeklagten entschieden. Auf eigenen Wunsch sei der Eingriff in Vollnarkose durchgeführt worden. Dies sei am 25.03.2011 gewesen. Nach dem Eingriff sei er nach Hause geschickt worden. Dort habe er angefangen, stark zu bluten, weshalb er Angst bekommen habe. Er habe in der Praxis angerufen. Dort sei ihm gesagt worden, dass er ein Taschentuch in den Mund tun, draufdrücken und kühlen solle, es werde schon gut werden. Die folgenden 8 Tage habe er im Bett verbracht und unter starken Schmerzen gelitten. Er habe noch mehrmals in der Praxis des Angeklagten angerufen, sei hier aber an den Hausarzt verwiesen worden.
Da die Beschwerden nicht abgeklungen seien, sei er nochmal zum Angeklagten gegangen. Dieser habe zu ihm gesagt, dass er weiter Medikamente einnehmen und Geduld haben solle.
Wenige Tage später sei die Gerüstanprobe gewesen, bei der die Provisorien entnommen worden seien. Dabei sei ein Implantat herausgefallen. Der Angeklagte habe zu ihm gesagt, dass noch genügend drinnen seien, weshalb es nicht so schlimm sei, wenn ein Implantat herausfalle.
Etwa eine Woche später sei er nochmal hin, um den endgültigen Zahnersatz zu erhalten. Die Assistentin habe den Angeklagten gefragt, ob er das heute wirklich fertig machen wolle. Der Zahnarzt habe gesagt, dass das heute gemacht werde. Nachdem der endgültige Zahnersatz im Mund gewesen sei, habe er zu Hause in den Spiegel geschaut und sei traurig gewesen, da es so schlimm ausgeschaut habe.
Er sei schließlich noch einmal zusammen mit seiner Frau zum Angeklagten. Der Angeklagte habe gemeint, dass er noch weiter Geduld haben und sich noch 10 Tage Zeit nehmen solle.
Leider sei es nicht besser geworden. Er habe nicht nur körperlich, sondern auch seelisch darunter gelitten. Er habe, soweit es gegangen sei, versucht, die Öffentlichkeit zu meiden. Dies sei jedoch nicht einfach gewesen, da er damals als Gastwirt tätig gewesen sei. Zufällig habe er den Zahnarzt Dr. N.N. aus ……. getroffen, der einmal Gast bei ihm gewesen sei. Dr. N.N. habe gefragt, was mit ihm los sei. Da habe er Dr. N.N. seine Geschichte erzählt. Dr. N.N. habe in seinen Mund geschaut und sei regelrecht erschrocken. Dr. N.N. habe ihm die Adresse von Dr. Dr. N.N. in…… gegeben. Zu diesem sei er Anfang Mai 2011 hingegangen. Dr. Dr. N.N. habe ihn untersucht und ein Gutachten geschrieben. Daraufhin sei er zur Polizei gegangen, um Anzeige zu erstatten. Nach und nach sei das Gebiss saniert worden. Dies habe Dr. Dr. N.N. nicht sofort machen können, da es Probleme mit der Krankenkasse gegeben habe. Inzwischen sei der Unterkiefer saniert. Im Oberkiefer befinde sich noch immer eine Prothese. Aufgrund seiner Erfahrungen wolle er lieber noch abwarten, bevor auch oben Implantate gesetzt werden sollten.
Letzten Endes habe er 1 Jahr lang nur Püriertes essen können, was ihn sehr stark in seiner Lebensqualität eingeschränkt habe.
Mit Sicherheit könne er noch sagen, dass er die Prothesen nie selbst wieder angeklebt habe. Dies sei nicht erforderlich gewesen, weil die Prothesen ja auf einem Steg gesessen hätten.
Der Zeuge Dr. Dr. N.N. l gab an, dass der Zeuge N.N. Anfang Mai 2011 zu ihm gekommen sei, nachdem er von Dr. N.N. überwiesen worden sei. Beim Erstkontakt habe der Zeuge N.N. starke Schmerzen gehabt, was man ihm auch angesehen habe. Er habe ihn untersucht und festgestellt, dass nichts in Ordnung gewesen sei. Er könne sich noch daran erinnern, wie leblos und tot der Zahnersatz gewirkt habe, als N.N. den Mund zum ersten Mal aufgemacht habe. Von der Farbe her sei der Zahnersatz außerdem viel zu hell gewesen.
Im Unterkiefer seien 5 Implantate beweglich gewesen. Im Oberkiefer seien außerdem 4 Implantate zuviel eingesetzt worden. Das Implantat 11 habe gefehlt. Dies sei etwas, was nicht passieren dürfe. Aus seiner Sicht sei eine Sofortbelastung unüblich und stelle ein erhöhtes Risiko dar. Normalerweise müssten Implantate fest werden und einheilen. Dies könne einen Zeitraum von etwa 6 - 8 Wochen bedeuten.
Er habe außerdem feststellen können, dass die Kronenränder nicht schön ausgearbeitet gewesen seien. Sie seien fransig und uneben gewesen.
Bei der Untersuchung seien eitrige Taschen aufgefallen, was dazu geführt habe, dass Implantate wenig bis keinen Halt mehr gehabt hätten. Beim Entfernen des Zahnersatzes im Unterkiefer sei ihm der komplette Block mit 5 Implantaten entgegen gekommen. Er habe es einfach so, wie es gewesen sei, entfernen können, ohne lange bohren zu müssen. Viel aufwändiger sei es im Oberkiefer gewesen. Dort habe er unter großem Aufwand den Zahnersatz entfernen müssen. Dabei habe er festgestellt, dass sich deutlich mehr Implantate im Kronenverband spontan noch gelockert hätten. Auch hier habe man sie teilweise so herausziehen können. Auch diese Implantate seien teilweise auf Eiter gesessen.
Letzten Endes sei ein Rettungsversuch völlig ausgeschlossen gewesen. Aufgrund seiner eigenene beruflichen Erfahrung wisse er, wann ein Implantat rettbar sei und wann nicht.
Der Zeuge N.N. machte auf das Gericht einen glaubhaften und glaubwürdigen Eindruck. Trotz des Leidensweges, den er zurücklegte, schilderte er den Sachverhalt neutral, ruhig und zurückhaltend, ohne Belastungseifer in Richtung des Angeklagten zu zeigen. Er konnte trotz des Zeitablaufes detailliert, zusammenhängend und gut nachvollziehbar berichten, was ihm widerfuhr. Widersprüche zu seinen polizeilichen Angaben oder zum Akteninhalt oder logische Brüche bei seinen Schilderungen konnte das Gericht nicht feststellen. Auf die zahlreichen, ihm gestellten Fragen konnte er konzentriert antworten. Trotz der psychischen Belastung durch die Aussagesituation blieb er sachlich. Erinnerungen waren auch abfragbar, soweit sie den Randbereich des Geschehens betrafen.
Das Gericht hatte daher keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen zu zweifeln und konnte diese Angaben daher bei der Urteilsfindung zugrunde legen.
Das Gericht war auch davon überzeugt, dass die Angaben des Zeugen Dr. Dr. N.N. der Wahrheit entsprachen. Auch dieser schilderte sachlich und schlüssig, was er insbesondere bei seinem Erstkontakt mit dem Geschädigten N.N. wahrgenommen hatte. Anhaltspunkte dafür, am Wahrheitsgehalt dieser Angaben zu zweifeln, haben sich für das Gericht nicht ergeben.
Schon dadurch lässt sich festhalten, dass die Behandlung des Patienten N.N. durch den Angeklagten nicht ordnungsgemäß verlief.
Dass sie auch aus medizinischer Sicht fehlerhaft war, ergab sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N.N. . Dieser Gutachter ist seit längerer Zeit auch im Landgerichtsbezirk Würzburg tätig und wird auch häufiger bei Verfahren des Landgerichtes Würzburg als gerichtlich bestellter Gutachter eingesetzt.
Bereits im Ermittlungsverfahren hatte er ein schriftliches Gutachten erstattet, welches er in der mündlichen Hauptverhandlung erläuterte und dabei auch auf die Angaben der Beteiligten in der Hauptverhandlung einging. Bei seinem mündlichen Gutachten orientierte er sich ebenfalls an der Gliederung seines schriftlichen Gutachtens und begann daher mit Ausführungen zu der Position der Implantate und zum Erfordernis einer Bohrschablone.
Hierzu gab der Gutachter an, dass die in der Akte dokumentierten Positionen der Implantate im Unterkiefer nicht brauchbar gewesen seien. Im Verhältnis zur natürlichen Position der ehemaligen Zähne hätten sich Abweichungen von bis zu 10 mm ergeben, was nicht hinnehmbar sei. Außerdem sei durch diese Abweichung eine Wulst an der Innenseite des Unterkiefers entstanden, was ebenfalls fehlerhaft sei. Dadurch, dass einteilige Implantate verwendet worden seien, habe diese Fehlstellung auch nicht mehr korrigiert werden können.
Es gebe zwar keine zwingende Leitlinie für die Verwendung von Bohrschablonen. Die Position der Implantate müsse sich jedoch an der Position der ehemaligen Zähne orientieren, was in einer Gesamtschau festgestellt werden könne. Ausgehend von der Grundidee des "backward planning" sei die Position der Implantate daher auch nicht schicksalhaft, sondern eben abhängig von der Position der ehemaligen Zähne. Um hierbei eine möglichst große Genauigkeit in der Positionierung zu erreichen, empfehle sich die Verwendung einer Bohrschablone. Deren Herstellung sei eine vergleichsweise einfache Maßnahme und auch für jedes System möglich. Je nach eingesetzter Schablone ließen sich Abweichungen zumindest stark minimieren, so dass Abweichungen von bis zu 10 mm wie im vorliegenden Fall nicht mehr auftreten könnten. Zusammenfassend könne man sagen, dass ein Verzicht auf eine Schablone einen Fehler darstelle und ein Arbeiten bzw. Bohren auf gut Glück bedeutet.
Ob die Implantate beim Erstkontakt mit Dr. Dr. N.N. wirklich gelockert seien, könne er als Gutachter im Nachhinein nicht feststellen. Unterstelle man die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Dr. Dr. N.N. , der davon gesprochen habe, dass die Implantate locker gewesen seien, sei dies ebenfalls ein Fehler. Da solche Lockerungen nicht von heute auf morgen auftreten könnten, sei davon auszugehen, dass diese bereits am 12.04.2011 gegeben gewesen seien, so dass es aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar sei, dass trotz der Lockerungen der definitive Zahnersatz eingegliedert worden sei.
Akzeptabel sei in diesem Bereich lediglich ein etwas minderfestes Implantat.
Die ungewöhnlich hohe Anzahl an Lockerungen deute auf eine systemische Ursache hin. Über den Ursprung könne er nur spekulieren, so dass das Ganze u. U. auch am Patienten liegen könne.
Bei seinen Ausführungen machte Prof. Dr. N.N. auch Laien gut nachvollziehbare Angaben. Er verstand es stets, komplizierte medizinische Sachverhalte einfach und verständlich auszudrücken, so dass gewisse Ergebnisse des Gutachtens auch für das Gericht verständlich und nachvollziehbar waren. Die Angaben des Gutachters standen auch nicht im Kontrast zu den bisherigen Ermittlungs- bzw. Verhandlungsergebnissen, so dass sich das Gericht auch aufgrund eigener Überzeugungsbildung im Verlauf der Hauptverhandlung den Ausführungen des Gutachters anschließen konnte.
Dementsprechend musste das Gericht davon ausgehen, dass der Angeklagte fehlerhaft handelte, indem er die Implantate ohne Bohrschablone setzte, so dass deren Position im Unterkiefer des Geschädigten nicht brauchbar war. Außerdem setzte der Angeklagte den endgültigen Zahnersatz bei dem Termin am 12.04.2011 über bereits gelockerte Implantate, was ebenfalls medizinisch nicht nachvollziehbar ist.
Dadurch erlitt der Geschädigte N.N. , wie aus seiner eigenen Schilderung feststeht, nicht unerhebliche Schmerzen, sowie Einbußen in der Lebensqualität.
IV.
Der Angeklagte war daher schuldig zu sprechen der fahrlässigen Körperverletzung gemäß den §§ 223 I, 229, 230 StGB.
Aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung verstieß der Angeklagte gegen objektive Sorgfaltspflichten im zahnmedizinisch-implantologischen Bereich, indem er ohne Bohrschablone arbeitete, was zu der Fehlpositionierung der Implantate im Unterkiefer führte. Außerdem setzte er den endgültigen Zahnersatz über gelockerte Implantate. Dadurch erlitt der Geschädigte nicht unerhebliche Schmerzen und wurde in seiner Lebensqualität erheblich eingeschränkt.
Der Angeklagte handelte hierbei auch schuldhaft, da der Erfolgseintritt für ihn subjektiv vorhersehbar und vermeidbar war.
V.
Für das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung sieht das Gesetz Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Bei der Strafzumessung konnte zugunsten des Angeklagten lediglich festgestellt werden, dass er zum Tatzeitpunkt Ersttäter war.
Auf der anderen Seite musste gesehen werden, dass der Angeklagte zwei ungewöhnlich große Fehler beging (Arbeiten ohne Bohrschablone und Einsetzen des endgültigen Zahnersatzes über gelockerten Implantaten), die zu erheblichen Folgen für den Geschädigten führten. Dieser war gezwungen, im Zeitraum von etwa 1 Jahr ausschließlich flüssige oder pürierte Nahrung zu sich zu nehmen. Er musste die Öffentlichkeit meiden, so gut sich dies bewerkstelligen ließ und musste über eine gewisse Zeit hinweg immer wieder Schmerzmedikamente einnehmen. Auch ist sein Gebiss bis zum heutigen Tag nicht vollständig saniert.
Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte, die für und gegen den Angeklagten sprachen, hielt das Gericht eine Geldstrafe noch für ausreichend. Diese konnte sich allerdings nicht am unteren Rand des möglichen orientieren. Insgesamt hielt das Gericht eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.
Die zweite Komponente einer Geldstrafe ist die Höhe des einzelnen Tagessatzes. Dieser berechnet sich stets nach dem aktuellen Nettoeinkommen, das zur Verfügung steht. Macht ein Angeklagter - wie hier - keine Angaben hierzu, wozu er auch nicht verpflichtet ist, kann das Gericht sein Einkommen nach § 40 III StGB schätzen. Ausgehend von dem Umstand, dass der Angeklagte eine offensichtlich gutgehende Implantologiepraxis betreibt - er setzte immerhin nach eigenen Angaben 290 Implantate in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 - ist ein Nettoeinkommen in Höhe von etwa 15 000 € im Monat nicht zu hoch gegriffen. Hierbei kann zugunsten des Angeklagten noch der Umstand berücksichtigt werden, dass er zwei Kinder hat, die studieren und von ihm daher unterstützt werden müssen. Pro Kind kann daher ein Abzug von 10 % im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtssprechung erfolgen, so dass sich das bereinigte Nettoeinkommen mit 12 000 € errechnet. Dieses wird durch 30 geteilt, so dass sich die Tagessatzhöhe mit 400 € errechnet.
+
VI.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf den §§ 464, 464 a und 465 StP0, sowie, was die Kosten der Nebenklage betrifft, auf § 472 I StPO.