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04.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142620

Landgericht Dortmund: Urteil vom 07.05.2014 – 4 O 154/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Dortmund

4 O 154/12

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin (8.767,35 € (in Worten: achttausendsiebenhundertsiebenundsechzig 35/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2012 zu zahlen sowie weitere außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 740,18 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2012.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 29 % und der Beklagte zu 71 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

T a t b e s t a n d

Die am 27.04.1952 geborene Klägerin nimmt den Beklagten aufgrund einer zahnärztlichen Behandlung auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin war bereits bei dem Praxisvorgänger des Beklagten in Behandlung. Am 04.05.2009 begann die Behandlung durch den Beklagten. Die Klägerin wurde zunächst wegen einer Zyste in regio 23 behandelt. Aus diesem Grunde wurde ein Zahnfilm gefertigt. Im Rahmen der weiteren Behandlung wurde am 06.05.2009 ein OPG gefertigt. Der Beklagte schlug der Klägerin vor, sämtliche Zähne im Oberkiefer zu extrahieren und sie mit einer festsitzenden Prothetik auf einzubringenden Implantaten zu versorgen. Die Klägerin erklärte sich mit der Vorgehensweise einverstanden. Es kam ihr darauf an, eine festsitzende Prothetik zu erlangen.

Am 18.06.2009 wurden sämtliche Zähne im Oberkiefer extrahiert. Ferner wurden provisorische Implantate in regio 14, 12 und 23 eingebracht. Diese sollten interimsweise dazu dienen, die Prothese zu halten. Im Nachgang zu der Behandlung wurde am 20.08.2009 ein OPG gefertigt. Zu diesem Zeitpunkt war das provisorisch eingebrachte Implantat in regio 23 bereits herausgefallen.

Am 18.09.2009 begann die Hauptbehandlung in Form der Einbringung von Implantaten auf der rechten Oberkieferseite. Nachdem zunächst angeraten worden war 5 Implantate einzubringen, war die Klägerin auf Anraten des Beklagten damit einverstanden, dass nunmehr insgesamt 8 Implantate eingegliedert werden sollten, nämlich 4 auf der linken und 4 auf der rechten Oberkieferseite. Zunächst erfolgte die Einbringung auf der rechten Seite in regio 13, 14, 15 und 16 einschließlich einer Sinusbodenelevation mit Knochenersatzmaterial. Soweit noch provisorisch eingebrachte Implantate verblieben waren, wurden diese entfernt. An dem Behandlungstag wurde ein OPG gefertigt.

In der Folgezeit stellte sich die Klägerin am 01.10.2009 vor. Es wurde eine Schwellung im Oberkieferbereich rechts notiert. Es wurde ein Antibiotikum verordnet. Bei der Folgebehandlung am 05.10.2009 wurde der Verdacht auf ein Infraorbitalabszess in regio 14 geäußert. Es erfolgte eine Inzision und die Anlage von Drainagestreifen. In der Folgezeit schien der Zustand gebessert zu sein.

Am 11.12.2009 begann der Beklagte mit der Implantation im linken Oberkieferbereich einschließlich einer Sinusbodenelevation. Implantiert wurde in dem Bereich 23, 24, 25 und 26. Am gleichen Tag, am 21.12.2009 und am 21.01.2010 wurden OPGs gefertigt.

Ein weiteres OPG wurde am 22.02.2010 gefertigt. Zu diesem Zeitpunkt mussten die Implantate 13, 23, 24 und 25 wieder entfernt werden. Das weitere Implantat im linken Oberkiefer 26 wurde am 03.03.2010 entfernt. Außerdem wurden an diesem Tag drei neue Interimsimplantate eingebracht, um die Prothese zu halten, nämlich in regio 12, 22 und 23. In den Krankenunterlagen ist vermerkt, dass am 31.03.2010 zwei Implantate verloren gegangen seien.

Am 16.04.2010 ist darüber hinaus in den Krankenunterlagen vermerkt, dass die Klägerin beklagte, vier Implantate verloren zu haben. Um welche es sich handelte, ist in der Datei nicht vermerkt. Ferner beklagte die Klägerin, dass sich in regio des Zahnes 26 Flüssigkeit entleere. Der Beklagte stellte fest, dass die Kieferhöhle eröffnet war. An dem Tage wurde ein OPG gefertigt. Außerdem spülte er die Kieferhöhle und brachte eine Membran ein. In welchem Umfang in der Folgezeit Spülungen stattfanden ist streitig. Die Klägerin war ein weiteres Mal am 19.04.2010 in Behandlung sowie am 22.04.2010. An diesem Tage wurde ihr ein Rezept für ein Antibiotikum ausgehändigt. Eine weitere Spülung ist für den 23.04.2010 in den Krankenunterlagen vermerkt. An diesem Tag stellte sich die Klägerin auch bei dem Zahnarzt Q vor, da sie mit der Behandlung nicht zufrieden war.

Am 27.04.2010 begab sich die Klägerin in Behandlung des Klinikums E. Ausweislich des Arztberichtes vom 02.09.2010 erfolgte eine dreiwöchige Antibiotikabehandlung. Am 01.06.2010 konnte in Lokalanästhesie die von dem Beklagten eingebrachte Membran entfernt werden und eine Defektabdeckung in regio 26 bis 27 mittels breitem Rehrmannlappen aus dem Vestibulum durchgeführt werden. Eine weitere Behandlung war erforderlich, weil es in regio 26 zu einer Perforation der Schleimhaut durch eine scharfe Knochenkante kam. Die von dem Beklagten eingebrachten Implantate in regio 14 und 15 (vom Klinikum bezeichnet als 15 und 16) schienen zunächst reizlos eingeheilt. Am 25.09.2010 wurden der Klägerin vier neue Implantate in regio 13, 11, 21 und 22 eingebracht. Das vom Beklagten eingebrachte Implantat in regio 15 wurde freigelegt, aber belassen. Am 09.03.2011 konnte ein Implantat in regio 15 mit einer Klemme herausgezogen werden. Das Implantat in regio 16 schien zu fehlen. Die röntgenologische Befundung ergab, dass dieses Implantat in die Kieferhöhle gewandert war. Zu ergänzen ist hier, dass es sich nach dem Sprachgebrauch in den Krankenunterlagen des Beklagten um die Implantate 14 und 15 handelt. Letzeres Implantat wurde schließlich aus der Kieferhöhle entfernt. Die Behandlung der Klägerin im Klinikum konnte am 18.03.2011 beendet werden.

Danach erhielt sie eine prothetische Versorgung durch C.

Am 19.03.2011 ließ die Klägerin eine Begutachtung ihres Falles durch den Privatsachverständigen G durchführen. Auf dessen Gutachten vom 29.03.2012 (Bl. 31 d. A.) wird verwiesen.

Die Klägerin behauptet, die Behandlung durch den Beklagten sei fehlerhaft erfolgt. Zunächst sei die Indikation für die Einbringung von Implantaten im rechten und linken Oberkiefer falsch gewesen, da kein ausreichendes Knochenangebot vorhanden gewesen sei. Es sei auch in unzureichender Weise augmentiert worden. Der Kieferkamm sei zu schmal gewesen. Bei der Einbringung der Implantate sei auch zu tief gebohrt worden, dadurch sei es zur Perforation gekommen. Es sei insgesamt zu erheblichen Beschwerden mit Schmerzen, Entzündungen und Schwellungen gekommen. Die Nasenhöhle sei perforiert gewesen und sie sei vier Monate lang im Klinikum ambulant behandelt worden. Sie selbst habe das Rauchen während der Behandlung eingestellt. Dies habe nicht zu einem Verlust der Implantate beigetragen. Insgesamt sei ihre Sprach- und Kaufunktion in der Zeit erheblich eingeschränkt gewesen.

Die Klägerin erachtet ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 4.000,00 € für angemessen. Ferner verlangt sie die Erstattung von materiellen Schäden, nämlich

für die Behandlung durch I gemäß Rechnung vom 05.10.2011 3.405,89 €

für die Behandlung durch C gemäß Rechnung vom 11.10.2010 110,78 €

für die Behandlungsunterlagen von Q 19,43 €

für die Behandlungsunterlagen des Klinikums E 36,53 €

für 25 Fahren zur Behandlung im Klinikum für die Zeit vom 05.05.2010 bis zum 18.03.2011 172,50 €

für das Gutachten G 1.500,00 €

5.245,22 €.

Mit Schreiben vom 27.04.2011 unter Fristsetzung bis zum 25.05.2012 forderte sie den Beklagten zur Zahlung auf.

Darüber hinaus verlangt die Klägerin die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer zweifachen Gebühr nach einem Streitwert von 9.245,22 €.

Die Klägerin beantragt,

1.

den Beklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2012 zu zahlen,

2.

den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.245,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2012 zu zahlen,

3.

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.180,48 € an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (07.12.2012) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Klägerin sei vor der Versorgung ausführlich aufgeklärt worden. Im Übrigen sei die Einbringung der Implantate und der jeweilige Sinuslift ordnungsgemäß erfolgt. Es seien keine Implantate in die Kieferhöhle inseriert worden. Soweit es zu Entzündungen gekommen sei, beruhten diese nicht auf einer fehlerhaften Behandlung. Die Klägerin habe auch das Rauchen nicht eingestellt, was zum Verlust der Implantate beigetragen habe. Im Übrigen sei die Perforation im Bereich des Implantats 26 schicksalhaft. Hinsichtlich des materiellen Schaden sei das Gutachten des Sachverständigen G ungeeignet. Im Übrigen sei die eigene Rechnung des Beklagten über 4.896,79 € bis heute nicht bezahlt. Die Klägerin könne nicht beide Implantatversorgungen kostenfrei erhalten. Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit den eigenen Behandlungskosten.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines zahnärztlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen E2, das dieser in der mündlichen Verhandlung erläutert hat. Ferner hat die Kammer die Parteien angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 08.08.2013 (Bl. 114 f. d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2014 (Bl. 180 f. d. A.) verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage der Klägerin ist zum größten Teil begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß §§ 611, 280, 253, 249 BGB sowie nach Deliktsrecht gemäß § 823, 249, 253 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz in der zugesprochenen Höhe.

Die Kammer ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Behandlung durch den Beklagten fehlerhaft erfolgt ist.

Zunächst ist die grundsätzliche Planung der Behandlung seitens des Beklagten nicht zu beanstanden. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass er nachvollziehbar die Entfernung sämtlicher Zähne im Oberkiefer vorgeschlagen hat. Dies ist von der Klägerin auch nicht beanstandet worden. Ferner zeigten die bereits zu Beginn der Behandlung gefertigten Aufnahmen in Form eines Zahnfilmes und eines OPGs, dass hinsichtlich des Knochens in vertikaler Höhe eine gravierende Einschränkung vorlag, so dass eine Implantation nur mit Hilfe eines Knochenaufbaus möglich sein würde. Aufgrund der schwierigen Ausgangslage war es auch richtig, der Klägerin 8 Implantate vorzuschlagen und nicht nur, wie zunächst besprochen, 5 Implantate einzubringen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass ein festsitzender Zahnersatz 6 bis 8 Implantate erfordert. 8 Implantate sind bei einer schwierigen Ausgangssituation richtig.

Aufklärungsmängel sieht die Kammer nicht. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass sie eine andere Versorgung gewählt hätte. Im Gegenteil war und ist ihr an einer festsitzenden Prothetik gelegen. Sie war immer bereit, eine Implantatversorgung und auch einen Knochenaufbau – soweit erforderlich – vornehmen zu lassen.

Die Behandlung begann am 18.06.2009 zunächst mit der Extraktion der Zähne und mit der Einbringung von 3 provisorischen Implantaten in regio 14, 12 und 23. Die Versorgung mit Interimsimplantaten war nach Ausführung des Sachverständigen richtig und geeignet. Es sollte nicht nur der Sitz der losen Prothese verbessert werden. Es sollte auch ein Vertikaldruck auf die einzubringenden Implantate verhindert werden. Vor Einbringung dieser Implantate war nicht so eine umfangreiche Planung erforderlich wie vor der Hauptbehandlung. Zwar war es interessant die Breite des Knochens zu kennen. Man hat hier aber die Implantate gleichzeitig mit der Extraktion in den Zwischenräumen zwischen den gezogenen Zähnen eingebracht, so dass man hier den Knochen während der Einbringung beurteilen konnte. Vorbereitende Maßnahmen fehlen dem Sachverständigen nach seinen Ausführungen deshalb nicht.

Die Kammer folgt den Angaben des Sachverständigen, dass die Einbringung des Implantats in regio 14 fehlerhaft erfolgt ist, weil dieses Implantat in die Kieferhöhle hineinragte. Zwar stellt der Beklagte dieses in Abrede und hat darauf verwiesen, dass er mit einer Sonde die Bohrtiefe geprüft habe. Der Sachverständige hat aber erläutert, dass damit nur die Tiefe der Vorbohrung überprüft werden kann. Die provisorischen Implantate sind dünne Stifte, die selbstschneidend sind. Auch bei einer Prüfung der Vorbohrung ist nicht ausgeschlossen, dass das Implantat in die Kieferhöhle gelangt. Bei der Einbringung selbst mag man dieses nicht feststellen können. Die Kammer hat mit dem Sachverständigen insbesondere das OPG vom 20.08.2009 in Augenschein genommen. Der Sachverständige hat erläutert, dass man auf diesem Bild die Kieferhöhlenbegrenzung genau sehen kann. Selbst wenn die Beurteilung von Röntgenbildern aufgrund ihrer Zweidimensionalität zuweilen schwierig ist und täuschen kann, hat der Sachverständige keine Zweifel daran gelassen, dass das Bild zeigt, dass das Implantat in die Kieferhöhle gelangt ist. Ergänzend hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass er dieses nicht nur aus der Stellung des Implantats schlussfolgert, sondern auch aus der lokalen Entzündungsreaktion, die auf dem Bild zu sehen ist und sich gerade aus der Perforation erklärt. Da dem Beklagten vor Beginn der Behandlung Röntgenaufnahmen vorlagen, hätte er die Länge des Implantates kürzer wählen müssen. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, das Implantat gekippt einzubringen, so dass es nicht in die Kieferhöhle gelangt wäre. Die Einbringung des Implantats war falsch. Es hätte entfernt und ersetzt werden müssen. Das Herausdrehen des Implantats hätte nicht geholfen, da es dann zu weit in den Mundraum hineingestanden hätte.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist die Kammer auch davon überzeugt, dass es auf der gegenüberliegenden Seite in regio 23 zu dem gleichen Fehler gekommen ist. Der Beklagte hat ein Implantat der gleichen Länge genutzt. Auch hier zeigt das Röntgenbild, dass eine Einbringung in dem Bereich mit den gleichen Höhenproblemen verbunden war. Da dieses Implantat am 20.08.2009 bereits verloren war, spricht auch nichts dafür, dass dieses gekippt und damit stabilisiert eingebracht worden sein könnte. Vielmehr spricht gerade der Verlust sogar vor dem Implantat 14 zur Überzeugung des Gerichts dafür, dass die Einbringung im Kieferhöhlenbereich unzureichend war.

Die noch verbliebenen Implantate sind dann von dem Beklagten anlässlich der Einbringung der Implantate vom 18.09.2009 entfernt worden. Die lokale Entzündung, die in regio 14 aufgetreten war, hat sich in der Folgezeit zurückgebildet. Ein Zusammenhang mit den späteren Entzündungen ist nicht festzustellen. Festzustellen ist aber, dass der gewünschte Effekt der Interimsversorgung nicht erreicht werden konnte. Die Implantate sollten nämlich eigentlich die Einheilphase überbrücken und der Klägerin eine zumindest teilweise gefestigte Prothetik ermöglichen. Dass die Klägerin durch die lose Prothetik beim Essen und Sprechen behindert war, liegt auf der Hand. Der Vorschlag des Beklagten, die Prothese während der mehrmonatigen Einheilzeit der Hauptimplantate nicht zu tragen, empfindet die Kammer nicht nur im Hinblick auf die Berufstätigkeit der Klägerin als Zumutung. Folge der fehlerhaften Interimsversorgung ist zudem, dass bei der Klägerin am 03.03.2010 eine neue Interimsversorgung mittels dreier provisorischer Implantate erfolgen musste. Wenn diese auch, wie später zu erörtern sein wird, als solche nicht fehlerhaft erfolgt ist, wäre diese bei ursprünglich fehlerloser Behandlung nicht erforderlich gewesen.

Auch bei der Hauptimplantatversorgung hat die Kammer zahlreiche Fehler festgestellt. Zunächst einmal ist mit dem Sachverständigen festzustellen, dass der Implantatversorgung keinerlei Vorplanung vorausgegangen ist. Es fehlen Planungsmodelle und es fehlt eine Schleimhautdickenmessung, die darauf hindeutet, dass sich der Beklagte im Vorhinein mit der Breite des Kieferkamms beschäftigt hat. Soweit er vorgetragen hat, dieses mit der Spitze der Spritze während der Behandlung überprüft zu haben, hat der Sachverständige keinen Zweifel daran gelassen, dass dieses unzureichend ist. Zwar ist es nicht zwingend notwendig mit einer Bohrschablone zu arbeiten. Festzuhalten ist aber, dass keinerlei Vorplanungen seitens des Beklagten festzustellen sind. Auch die Benutzung der Prothese, um den Einbringungsort der Implantate festzulegen, ist sicherlich nicht als ausreichende Planung zu verstehen. Dadurch können allenfalls auf dem Kieferkamm die Insertionsorte festgelegt werden. Eine Führung bei der Bohrung durch die alte Prothese besteht nicht. Der Sachverständige bejaht somit einen Fehler, allerdings keinen groben Fehler bei der Vorplanung. Es gibt zahlreiche Behandler, die erst aufgrund der Situation während der Operation die notwendigen Maßnahmen treffen. Die Kammer kann nicht feststellen, dass sich die fehlende Vorplanung ausgewirkt hat. Zwar fehlt jegliche Dokumentation des Beklagten zur Breite des Kieferkamms. Er selbst hat aber angegeben, dass er die Breite für ausreichend empfunden hat. Obwohl es wünschenswert wäre, ist es immer noch nicht Standard, dass über die Einbringung von Implantaten Berichte geschrieben werden. Die Kammer kann also nicht feststellen, dass die Angaben des Beklagten nicht zutreffend sind.

Die Kammer geht allerdings von handwerklichen Fehlern bei der Einbringung der Implantate im rechten Oberkieferbereich aus. Das Implantat im Bereich 13 ist zu lang gewählt worden. Es ragt in die Kieferhöhle hinein. Zwar hat der Beklagte eine Augmentation in dieser Region behauptet. Die Kammer hat sich aber mit dem Sachverständigen umfangreich mit den vorliegenden Bildern auseinandergesetzt. Insbesondere Bild Nr. 4 aus dem Gutachten mit dem OPG vom 18.09.2009 zeigt, dass die Augmentation (sichtbar als weißer Ballon oder Wolke) nicht den Bereich in regio 13 abdeckt. Hier ist eine unzureichende Augmentation erfolgt und nur in den vorhandenen Knochen inseriert worden. Dies war fehlerhaft. Es hätte entweder eine umfangreichere Augmentation erfolgen müssen oder ein kürzeres Implantat gewählt werden müssen. Dies war aufgrund der vorliegenden Röntgenaufnahmen auch im Vorhinein zu planen.

Dadurch, dass das Implantat in die Kieferhöhle reichte, ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen überwiegend wahrscheinlich zu einer Entzündung gekommen und das Implantat dadurch verloren gegangen.

Hinsichtlich des Implantats in regio 16 hat der Beklagte angegeben, keinen Sinuslift durchgeführt zu haben und das Implantat im eigenen Knochen inseriert zu haben. Dem glaubt die Kammer nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht. Das OPG vom 18.09.2009 zeigt, dass die Augmentation bis in regio 16 stattgefunden hat. Wenn nicht in diesem Bereich inseriert worden wäre, dann wäre ohnehin nur eine schmale Knochenleiste vorhanden gewesen. Das Implantat ist nicht fachgerecht fest im Knochen eingebracht worden. Es steht nicht in der eingebrachten Augmentation. Insbesondere war es nicht so fest eingesetzt, dass es bereits am 03.03.2010, wie geschehen, mit einer Interimsversorgung belastet werden durfte. Auch der Verlust dieses Implantates steht daher mit der fehlerhaften Einbringung und nachfolgenden fehlerhaften Belastung überwiegend wahrscheinlich im Zusammenhang.

Schließlich ist hinsichtlich der mittleren Implantate 14 und 15 festzustellen, dass diese zu nah nebeneinander stehen. Es ist ein Abstand von 3 mm notwendig. Dieser ist nicht eingehalten worden. Wenn der Beklagte nicht über eine entsprechende Erfahrung und Geschicklichkeit verfügte, hätte er eine Bohrschablone verwenden müssen. Die Kammer geht davon aus, dass die Bilder auch aufgrund ihrer Zweidimensionalität nicht täuschen. Auf zahlreichen Röntgenaufnahmen ist zu erkennen, dass die Implantate zu eng stehen. Insbesondere ist auszuschließen, dass sie hintereinander stehen. Da sie selbst 4 mm breit sind, müsste der Kieferkamm dann schon eine Dicke von 10 mm gehabt haben. Dieses ist nach den Ausführungen des Sachverständigen gänzlich unwahrscheinlich. Die Implantate standen so eng, dass sie in eine Versorgung nicht einzubeziehen waren. Theoretisch war es möglich, nur ein Implantat zu entfernen. Letztlich war dies aber nicht möglich. Eines der Implantate ging während der Behandlungszeit im Klinikum verloren. Ein weiteres rutschte in die Kieferhöhle. Ursächlich war dafür nicht die Einbringung der neuen Implantate im Frontbereich. Es handelt sich um eine andere Lokalisation. Auch die Freilegung zur Sichtung hat sicherlich nicht dazu beigetragen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass sich bereits auf dem OPG vom 25.09.2010 zeigt, dass die Implantate in Bewegung geraten waren. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die durch die Tangierung der Kieferhöhle gesetzte Entzündung in regio 13 dazu geführt hatte, dass auch die weiteren Implantate nicht einwachsen konnten. Auch die zu enge Einbringung kann dazu beigetragen haben. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Einbringung der Implantate im rechten Oberkieferbereich für die Klägerin aufgrund des Behandlungsfehlers des Beklagten nutzlos war.

Nichts anderes gilt für die Einbringung der Implantate im Oberkieferbereich links. Auch hier fehlt es an jeglicher Vorplanung vor der Einbringung. Wiederum ist festzustellen, dass das Implantat in regio 23 separat neben dem Augmentat eingebracht worden ist und in die Kieferhöhle reicht. Die Kammer schließt dies mit dem Sachverständigen aus dem OPG vom 11.12.2009 und dem Zahnfilmbild Nr. 12 ohne Datum. Es ist auch hier kein Grund zu erkennen, dass vorhandenes Augmentat verloren gegangen sein könnte. Das Implantat 23 steht vielmehr abseits von den anderen.

Hinsichtlich der Implantate 24 und 25 ist nach den Ausführungen des Sachverständigen die Primärstabilität höchst fraglich. Letztlich konnten diese Implantate nicht einheilen. Auch hierfür ist die von Implantat 23 ausgehende Entzündung überwiegend wahrscheinlich. Das Gleiche gilt hinsichtlich des Implantats Nr. 26, dessen Einbringung als solches nicht zu beanstanden ist. Die Implantatversorgung im linken Oberkiefer war daher für die Klägerin ebenfalls ohne Nutzen.

Im Rahmen der vorgenommenen zweiten Interimsversorgung vom 03.03.2010 kann die Kammer keinen Fehler feststellen. Grundsätzlich war die Einbringung von provisorischen Implantaten geeignet. Der Sachverständige hat lediglich bemängelt, dass keine gleichzeitige Augmentation stattfinden darf. Dass diese tatsächlich durchgeführt worden ist, kann die Kammer aber nicht feststellen.

Schließlich hat sich die Klägerin am 16.04.2010 mit einer Kieferperforation vorgestellt. Hierauf hat der Beklagte ebenfalls fehlerhaft reagiert. Es waren sofortige tägliche Spülungen und eine Antibiotikagabe notwendig. Die Klägerin hat die Praxis des Beklagten mehrfach aufgesucht. Es mag deshalb richtig sein, dass, wie es auch die Zeugin angegeben hat, vielfache Spülungen erfolgt sind. Ein Antibiotikum ist aber erst am 22.04.2010 erfolgt. Insbesondere das Einbringen einer Membran war ungeeignet. Es ist vielmehr fachgerecht die Öffnung gerade groß zu lassen, um einen Abfluss zu ermöglichen. Zur Deckung des Gewebeschadens war die Membran ohnehin nicht geeignet. Die Kammer kann zwar nicht feststellen, dass sich die Entzündung durch die Fehlbehandlung vergrößert hat. Die ordnungsgemäße Behandlungseinleitung hat sich aber um einige Tage bis zur Behandlung durch das Klinikum ab dem 27.04.2010 verzögert.

Insgesamt schloss sich eine langwierige mehrmonatige Behandlung durch das Klinikum an, die auf der fehlerhaften Einbringung des Implantats in regio 23 beruhte und letztlich zu der starken Entzündung und der Perforation im linken Oberkieferbereich geführt hat.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes, das die Kammer mit 7.000,00 € veranschlagt hat, hat die Kammer berücksichtigt, dass die gesamte Behandlung durch den Beklagten nutzlos war. Die Klägerin hat zahlreiche Behandlungstermine bei dem Beklagten wahrgenommen. Es sind ihr zweimal Interimsimplantate eingebracht worden und an zwei Terminen jeweils 4 Hauptimplantate im linken und rechten Oberkiefer. Es hat sich nicht nur ein Abszess in regio 13, 14 gebildet, sondern schließlich auch weitere Entzündungen bis hin zur Perforation der Kieferhöhle. Diese zog eine mehrwöchige Antibiotika und mehrmonatige Behandlung im Klinikum nach sich. Das Implantat musste geborgen werden. Während der gesamten Zeit war die Klägerin durch eine lose sitzende Prothetik eingeschränkt. Dass Einschränkungen beim Essen und beim Sprechen vorlagen liegt auf der Hand. Soweit schließlich im Klinikum eine neue Implantateinbringung erfolgt ist, ist dies nicht als Schmerzensgeld erschwerend zu berücksichtigen. Zwar hätte im Bereich der Implantation im Hinterkieferbereich eine Knochenverpflanzung stattfinden müssen. Davon hat die Klägerin aber abgesehen. Wenn man die Behandlung beim Beklagten als schmerzensgeldfähig ansieht, so war die Einbringung der Implantate im Klinikum die ohnehin notwendige Behandlung. Dass die Einbringung von Knochenmaterial im Frontzahnbereich einem Behandlungsfehler geschuldet war, glaubt die Kammer mit dem Sachverständigen nicht. Vielmehr spricht alles dafür, dass das Knochenangebot der Klägerin im vertikalen wie auch im horizontalen Bereich nicht ausreichend war. Die Kammer kann auch keinen groben Fehler im Rahmen der Behandlung feststellen, die hier zugunsten der Klägerin zu einer Beweislastumkehr führen würde.

Im Rahmen der geltend gemachten materiellen Schäden hat die Kammer berücksichtigt, dass die Behandlung seitens des Beklagten für die Klägerin gänzlich nutzlos und ohne Wert war, so dass sie eine Bezahlung der geltend gemachten Rechnung nicht schuldet. Dementsprechend muss sie aber die von ihr gewünschte Implantatversorgung bei I selbst bezahlen. Aus der Rechnung vom 05.10.2011 ist lediglich eine Position erstattungsfähig, die der Freilegung und Sichtung des Implantats 15 gebührt ist, und zwar in einer Höhe von 41,39 €.

Die geltend gemachte Rechnung von C in Höhe von 110,78 € ist nicht erstattungsfähig. Es ist hier lediglich die Prothese unterfüttert worden. Dass dies aber im Rahmen einer Implantatversorgung notwendig werden kann, ist möglich. Die Kammer kann nicht feststellen, dass dies durch die verzögerte bzw. sich in die Länge ziehende Behandlung notwendig geworden ist.

Erstattungsfähig sind die Kosten für die Anforderung der Krankenunterlagen von Q in Höhe von 19,43 € und des Klinikums E von 36,53 €.

An Fahrtkosten hat die Kammer insgesamt 170,00 € geschätzt. Dabei hat die Kammer die Krankenunterlagen des Klinikums überprüft. Es waren zahlreiche Fahrten zur Behandlung notwendig, wenn auch nicht immer an den in der Klageschrift bezeichneten Daten. Dabei hat die Kammer gesehen, dass die Behandlungstermine teilweise auch der Implantatneuversorgung geschuldet waren. Gleichwohl hat die Kammer die Fahrten zugesprochen, da die Klägerin für die Fahrten zum Beklagten selbst keinen Schadensersatz begehrt hat. Für mindestens 23 gefundene Behandlungstermine, ohne dass dies vollständig sein muss, hat die Kammer für den Zeitraum vom 05.05.2010 bis zum 18.03.2011 einen Schadensersatzbetrag von 170,00 € geschätzt.

Die Kammer erachtet auch die Kosten für die Einholung des Privatgutachtens von G in Höhe von 1.500,00 € für erstattungsfähig. Zwar sind die Anforderungen an die Darlegungslast des Patienten im Arzthaftungsprozess gering, so dass nicht jeweils die Einholung eines vorprozessualen Sachverständigengutachtens gerechtfertigt ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Verlust von Implantaten ein typisches Behandlungsrisiko darstellt und oftmals keinen Behandlungsfehler. Es ist daher nachvollziehbar, dass die Klägerin sich zunächst vorprozessual Sachverständigenrat eingeholt hat, zumal sie nach Angaben ihres Prozessvertreters nicht rechtschutzversichert ist.

Die Kammer hat daher insgesamt an materiellen Schaden einen Betrag von 1.767,35 € zugesprochen.

Über die seitens des Beklagten geltend gemachte hilfsweise Aufrechnung hat die Kammer nicht entschieden. Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung geht die Kammer davon aus, dass die Aufrechnung ohnehin nur hilfsweise unter der Prämisse geltend gemacht werden sollte, dass der Honoraranspruch nicht entfallen ist.

Der Zinsanspruch hinsichtlich Schmerzensgeld und Schadensersatz folgt aus § 286 BGB. Der Beklagte ist mit Schreiben vom 27.04.2012 unter Fristsetzung bis zum 25.05.2012 gemahnt worden.

Gemäß § 249 BGB hat die Klägerin darüber hinaus einen Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen außergerichtlichen Kosten. Der Anspruch konnte allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe zugesprochen werden. Der Klägervertreter selbst hat der Klägerin Kosten in Höhe einer 2-fachen Gebühr nur nach einem Streitwert von 5.000,00 € in Rechnung gestellt. Nur in dieser Höhe ist daher der Anspruch zugesprochen worden nebst Rechtshängigkeitszinsen gemäß § 291 BGB. Wegen der weiteren Beträge hatte die Klage damit keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.