23.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144984
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 13.03.2015 – 5 U 93/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Mai 2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 312/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
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G r ü n d e :
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I.
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Der Kläger, ein niedergelassener Zahnarzt, macht gegen die Beklagte Honorar für die von ihm erbrachten zahnärztlichen Leistungen gemäß den beiden Rechnungen vom 7. Juni 2012 über 20.167,07 Euro und über 3.286,28 Euro geltend, wobei in diesen Rechnungen gemäß den Belegen vom 25. April und 29. Mai 2012 Laborkosten in Höhe von 14.368,37 Euro, 525,05 Euro sowie 1.963,99 Euro enthalten sind. Der Kläger hat insbesondere behauptet, dass seine Leistungen ordnungsgemäß erbracht worden seien, und dass die Beklagte nach zahlreichen Änderungswünschen, denen er jeweils angemessen Rechnung getragen habe, die Behandlung abgebrochen habe. Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.453,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. September 2012 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat behauptet, dass die Leistungen des Klägers mangelhaft gewesen sein, und dass der Kläger nach diversen erfolglosen Nachbesserungsversuchen die Behandlung abgebrochen habe. Dabei habe er erklärt, dass der Beklagten für die Behandlung keine Kosten entstehen würden, und dazu wörtlich gesagt: „Ich schicke Ihnen keine Rechnung“. Vereinbarungsgemäß habe der Zahnersatz beim Kläger verbleiben und die Beklagte keine Kosten für den misslungenen Behandlungsversuch tragen sollen.
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Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 126 ff., 127 – 130 d. A.) Bezug genommen.
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Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen W, A und H die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die aus § 611 Abs. 1 BGB folgenden Ansprüche des Klägers aufgrund der zahnärztlichen Behandlung der Beklagten gemäß § 397 BGB erloschen seien, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen sei, dass der Kläger der Beklagten – wie von jener behauptet – den ihm zustehenden Honoraranspruch erlassen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 126 ff., 130 – 135 d. A.) Bezug genommen.
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Der Kläger hat gegen das Urteil frist- und formgerecht Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel formal ordnungsgemäß begründet. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag unverändert weiter. Unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens behauptet der Kläger mit ausführlicher Begründung weiterhin insbesondere, dass seine Leistungen ordnungsgemäß erbracht worden seien, und dass er der Beklagten den ihm zustehenden Honoraranspruch weder vollständig noch teilweise erlassen habe.
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Die Beklagte tritt dem Berufungsvorbringen des Klägers entgegen und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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II.
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Die Berufung des Klägers wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung nicht erfordern, und weil auch aus sonstigen Gründen eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den Senatsbeschluss vom 9. Januar 2015 (Bl. 168 ff. d. A.) Bezug genommen, § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO.
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Mit seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2015 [Bl. 180 ff. (= 177 ff.) d. A.] wiederholt der Kläger weitgehend – wenn auch mit etwas modifizierter Akzentuierung – einen Teil seiner bereits vorgetragenen Einwände und Erwägungen, mit denen sich der Senat bereits umfassend in seinem Hinweisbeschluss befasst hat. Insoweit und auch in Bezug auf das neue Vorbringen des Klägers rechtfertigt seine Stellungnahme vom 11. Februar 2015 auch nach nochmaliger umfassender und eingehender Prüfung des gesamten Akteninhalts und der durch den vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen im Lichte der genannten Stellungnahme des Klägers eine für ihn günstigere Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht und bietet lediglich Veranlassung für die folgenden ergänzenden Anmerkungen:
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1.
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Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Klägers vom 11. Februar 2015 geht der Senat nach wie vor davon aus, dass es der Kläger war, der die weitere Behandlung der Beklagten abgelehnt hat. Denn die dies bestätigenden Äußerungen der Beklagten und des Zeugen Dr. W hierzu sind in sich stimmig und werden durch die Aussagen der vom Kläger benannten Zeuginnen H und A in überzeugender Weise bestätigt. Die Zeuginnen H und A haben übereinstimmend und klar ausgesagt, dass es der Kläger gewesen sei, der die Behandlung mit der Beklagten von sich aus abgebrochen hat, wobei sie dies aus ihrer Sicht sehr anschaulich damit erklärt haben, dass es sich ihrer Ansicht nach bei der Beklagten um eine besonders schwierige Patientin gehandelt habe. Die Bekundung des Klägers, dass die Beklagte die Fortsetzung der Behandlung abgelehnt habe, vermag vor diesem Hintergrund demgegenüber nicht zu überzeugen und begründet aus den in dem Hinweisbeschluss des Senates vom 9. Januar 2015 ausgeführten Gründen Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen. Diese Zweifel werden durch die Stellungnahme des Klägers vom 11. Februar 2015 nicht beseitigt. Denn seine Stellungnahme erschöpft sich zu diesem Punkt letztlich darin, dass er einen Teil seiner Ausführungen zu den fraglichen Vorgängen im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch das Landgericht in dem Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermin am 15. April 2014 wiederholt.
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2.
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Ohne Erfolg stellt der Kläger sich auch auf den Standpunkt, dass er die für die Beklagte gefertigte Prothetik nicht habe einbehalten, sondern nur habe aufheben wollen. Denn sein Vorbringen hierzu in der Stellungnahme vom 11. Februar 2015 ist schon deshalb nicht plausibel, weil weder von dem Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich ist, wie lange und zu welchem Zweck er die Arbeiten lediglich aufbewahren und wann und in welchem Zusammenhang er diese der Beklagten zur Verfügung stellen wollte. Eine Aushändigung der Prothetik angeboten hat er der Beklagten jedenfalls bisher und damit auch knapp drei Jahre nach Beendigung der Behandlung unstreitig nicht. Im Hinblick darauf geht der Senat auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Klägers vom 11. Februar 2015 nach wie vor aus den Gründen des Hinweisbeschlusses vom 9. Januar 2015 davon aus, dass die Parteien eine Absprache dahin getroffenen haben, dass die Prothetik beim Kläger verbleibt und die Beklagte kein Honorar für die Arbeiten zu zahlen hat.
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3.
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Der Kläger wirft auch ohne Erfolg die Frage auf, warum er auf seine Honorarforderung hätte verzichten sollen, wenn er doch davon überzeugt sei, alles richtig gemacht zu haben, und er stellt sich in diesem Zusammenhang auch ohne Erfolg auf den Standpunkt, dass zu der Frage der Ordnungsgemäßheit seiner Leistung ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müsse. Entgegen der beim Kläger offenbar bestehenden Vorstellung bestand bzw. besteht weder für das Landgericht noch für den Senat Veranlassung dafür, der Frage, ob die Arbeiten des Klägers entsprechend seiner Behauptung ordnungsgemäß durchgeführt worden sind oder entsprechend der Behauptung der Beklagten mangelhaft und für sie unbrauchbar waren, keiner Klärung und insbesondere keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens. Denn selbst wenn die Arbeiten entsprechend der Behauptung des Klägers ordnungsgemäß gewesen sein sollten, änderte dies nichts an der Bewertung seiner Erklärungen, weil auch in diesem Falle davon auszugehen ist, dass der Kläger hinreichende Beweggründe für einen Erlass in der erklärten Reichweite gehabt hätte. Es blieben auch in dem Falle die Umstände, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerrüttet war und dass der Kläger die Behandlung auf keinen Fall fortsetzen wollte. Im Übrigen ist für die Beurteilung der Erklärungen des Klägers nicht maßgeblich auf die Frage abzustellen, ob die Arbeiten tatsächlich ordnungsgemäß waren, sondern darauf, ob der Kläger zu dem fraglichen Zeitpunkt von der ordnungsgemäßen Durchführung der umstrittenen Behandlung sicher hat ausgehen können. Denn nur in diesem Falle könnte der Ordnungsgemäßheit der Arbeiten eine Bedeutung für die Bewertung der Erklärungen des Klägers zukommen. Vor dem Hintergrund des Verlaufs der Behandlung, soweit dieser unstreitig ist, kann indes nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Zeitpunkt des letzten Behandlungstermins und seiner Erlasserklärung hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Arbeiten in der Weise hat sicher sein können, wie er es nunmehr – ausweislich seiner Behauptungen zu der Ordnungsgemäßheit der Arbeiten im Nachhinein im Rahmen dieses Prozesses – zu sein scheint. Vielmehr konnte er in der damaligen Situation keineswegs ausschließen, dass bei einer streitigen Auseinandersetzung möglicherweise doch der eine oder andere Fehler festgestellt würde, für den er und/oder das Labor einzustehen haben würden.
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Der Senat hält auch nach nochmaliger eingehender Prüfung im Lichte der Stellungnahme des Klägers vom 11. Februar 2015 daran fest, dass das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung von dem erforderlichen Rechtsbindungswillen des Klägers ausgegangen ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Erlass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung den unmissverständlichen rechtsgeschäftlichen Willen voraussetzt, auf die Forderung zu verzichten, dass an die Feststellung eines solchen Willens strenge Anforderungen zu stellen sind, dass auch bei scheinbar eindeutigen Erklärungen ein Erlass erst angenommen werden darf, wenn sämtliche relevanten Begleitumstände berücksichtigt worden sind, und dass unbekannte Forderungen von dem Erlass im Zweifel nicht erfasst sind [vgl. hierzu etwa: BGH, WM 2012, 2231, Juris-Rn. 22; BGH, NJW 2006, 1511, Juris-Rn. 10; BGH, NJW 2002, 1044, Juris-Rn. 25; vgl. hierzu auch BGH, NJW-RR 2002, 1613, Juris-Rn. 15, sowie BGH, WM 1982, 671, Juris-Rn. 32]. Denn auch gemessen an diesen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sind die Erklärungen des Klägers: „Ich kann Ihnen nicht helfen, ich stelle Ihnen keine Rechnung, die Arbeit bleibt hier, leider ist sie nicht gelungen, ich will nichts von Ihnen“ in einer Gesamtschau mit ihren Begleitumständen eindeutig und klar, weil zum einen bereits die Erklärungen des Klägers für sich genommen unmissverständlich sind, und weil zum anderen zu berücksichtigen ist, dass sie in einer Situation erfolgt sind, in der ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis nicht mehr bestanden hat und in der der Kläger die Behandlung der Beklagten nicht mehr fortsetzen wollte. Ferner kann auch in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger die für die Beklagte vorgesehene Prothetik einbehalten wollte und tatsächlich einbehalten hat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat auch der Senat ebenso wie das Landgericht keinen Zweifel daran, dass die Erklärungen des Klägers von dem erforderlichen Rechtsbindungswillen getragen waren.
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Gegen diese Beurteilung wehrt sich der Kläger auch ohne Erfolg mit dem Vorbringen, dass bei Erklärungen, die in einer Situation abgegeben werden, in der die Gemüter aller Beteiligten sehr erhitzt sind, nicht von einem Rechtsbindungswillen ausgegangen werden könne. Denn es mag zwar viel dafür sprechen, dass die sehr aufgeheizte Stimmung während des letzten Behandlungstermins und die Hitze der Diskussion die Gründe dafür waren, dass der Kläger sich zu einem umfassenden Erlass hat hinreißen lassen, den er im Nachhinein bereut. Dies ändert aber nichts an der Bewertung seiner Erklärungen. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden oder sonst ersichtlich, die den Schluss zulassen könnten, dass der Kläger in der fraglichen Situation nicht mehr Herr seiner Sinne und nicht mehr in der Lage gewesen ist, rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben und deren Folgen zu überblicken. Vielmehr ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Umstandes, dass der Kläger an diesem Behandlungstermin in seiner Eigenschaft – wie er es selbst in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2015 formuliert hat – als „geschäftserfahrene(r), selbstständige(r) Freiberufler“ [S. 2 seiner Stellungnahme, Bl. 180 ff., 181 d. A.] beteiligt war, davon auszugehen, dass er trotz der Turbulenz des Behandlungstermins durchaus gewusst hat, worauf er sich mit dem von ihm erklärten Erlass einließ.
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Ohne Erfolg meint der Kläger in seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2015 schließlich, dass die Beklagte dadurch, dass sie die umstrittenen zahnärztlichen Leistungen trotz des Umstandes in Auftrag gegeben habe, dass ihr die finanziellen Mittel hierfür fehlen, einen Eingehungsbetrug begangen habe, und dass allein deshalb Zweifel an der Zuverlässigkeit ihrer Bekundungen und der Zeugenaussagen ihres Sohnes angebracht seien. Dieses Vorbringen des Klägers rechtfertigt schon deshalb eine abweichende, für ihn günstigere Beurteilung nicht, weil nicht – gewissermaßen automatisch – davon ausgegangen werden kann, dass mittellose Patienten wie die Beklagte mit der Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen einen Eingehungsbetrug begehen. Vielmehr kommt es – was dem Senat aufgrund seiner Erfahrung als Spezialsenat für Arzthaftungsprozesse und sonstige Streitigkeiten aus Vorsorge- und Heilbehandlungen bekannt ist – nicht selten vor, dass Angehörige von mittellosen Patienten für diese den Eigenanteil für aufwändige und kostenintensive Zahnbehandlungen übernehmen. Dies kann auch bei der Beklagten nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden.
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6.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Berufungsstreitwert: 23.453,35 Euro