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05.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121679

Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 01.03.2012 – 6 U 264/10

Das Einfärben von Zähnen (Zahnbleaching) sowie die Zahnreinigung mit einem Wasserpulverstrahlgerät sind als Ausübung der Zahnheilkunde grundsätzlich approbierten Zahnärzten vorbehalten.(Rn.19) Auch einer berufserfahrenen zahnmedizinischen Fachassistentin, die diese Tätigkeiten unter der Aufsicht des Zahnarztes in dessen Praxis ausüben darf, ist es jedenfalls dann untersagt, solche Behandlungsleistungen selbstständig in einem von ihr betriebenen Zahnstudio zu erbringen, wenn dies ohne Zusammenwirken mit einem Zahnarzt geschieht, der vor der Behandlung deren Risiken bei dem Patienten beurteilt hat.(Rn.28)


6 U 264/10

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. Oktober 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

1. selbständig, das heißt ohne Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt, Zahnbleaching vorzunehmen beziehungsweise vornehmen zu lassen und/oder dafür zu werben beziehungsweise werben zu lassen, es sei denn, das Zahnbleaching erfolgt mittels sogenannter Whitening-Zahncremes oder mit sogenannten Massmarket-Produkten, bei denen der Wasserstoffperoxidgehalt 6% nicht übersteigt,

2. selbständig, das heißt ohne Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt, Zahnreinigung mittels eines Wasserpulverstrahlgeräts (mittels Airflow) vorzunehmen beziehungsweise vornehmen zu lassen und/oder dafür zu werben beziehungsweise werben zu lassen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistungen vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 60.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Vornahme von Zahnreinigungen mittels Wasser-Pulverstrahlgeräten (Airflow) und Zahnbleaching mit Präparaten, die mehr als 6% Wasserstoffperoxid enthalten, als Ausübung der Zahnheilkunde anzusehen sind.

Die Beklagte ist ausgebildete Zahnarzthelferin mit einer Zusatzausbildung als zahnmedizinische Fachassistentin und ist in diesen Funktionen seit … beziehungsweise … Jahren tätig. Derzeit arbeitet sie in einer Zahnarztpraxis in O1 und führt im Rahmen dieses Angestelltenverhältnisses Tätigkeiten wie Zahnbleaching sowie die maschinelle Entfernung von harten und weichen Zahnbelägen aus. Daneben betreibt sie Zahnkosmetikstudio, in dem sie unter anderem eine Zahnreinigung, das heißt die Beseitigung jedenfalls supragingivaler Ablagerungen auf den Zähnen mittels „Airflow“ und ein Bleaching unter Verwendung des Präparats „A“ mit einem Wasserstoffperoxidgehalt von mehr als 6% als selbständige gewerbliche Tätigkeit anbietet.

Die Klägerin ist die öffentliche Berufsvertretung aller Zahnärztinnen und Zahnärzte in …. Sie hat in der selbständigen gewerblichen Tätigkeit der Beklagten die Ausübung der Zahnheilkunde gesehen. Da diese Tätigkeiten approbierten Zahnärztinnen und Zahnärzten vorbehalten sei, verstoße die Beklagte mit den in ihrem Zahnkosmetikstudio angebotenen Dienstleistungen gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den Vorschriften des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG). Außerdem handele die Beklagte irreführend im Sinne von § 5 UWG.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte hat es zu unterlassen, selbständig Zahnbleaching vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen und/oder dafür zu werben bzw. werben zu lassen, es sei denn, das Zahnbleaching erfolgt mittels sog. Whitening-Zahncremes oder mit sog. Mass-Market-Produkten, bei denen der Wasserstoffperoxidgehalt 6% nicht übersteigt;

2. die Beklagte hat es zu unterlassen, selbständig professionelle Zahnreinigung mittels eines Wasser-Pulverstrahlgeräts (mittels Airflow) vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen und/oder dafür zu werben bzw. werben zu lassen;

3. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffern 1 und 2 wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Widerholungsfall bis zu zwei Jahren, oder Ordnungshaft angedroht.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei den in ihrem Zahnkosmetikstudio angebotenen Dienstleistungen handele es sich um rein kosmetische Anwendungen. Eine Gefahr für die Patienten bestehe nicht. Sie sei – auch aufgrund einer Schulung durch die Firma A – hinreichend ausgebildet und verfüge über die nötige Erfahrung mit solchen Anwendungen, da dieselben Arbeiten im Rahmen ihres Angestelltenverhältnisses von den dort behandelnden Zahnärzten an sie delegiert und von ihr eigenständig ausgeübt würden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die angebotenen Dienstleistungen seien nicht als Ausübung der Zahnheilkunde im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 ZHG anzusehen. Auch lasse sich der Approbationsvorbehalt im Hinblick auf mögliche Risiken und Kontraindikationen nicht rechtfertigen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie beantragt nunmehr – unter Ergänzung ihres ursprünglichen Antrags durch die Formulierung „das heißt ohne Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt“ nach dem Wort „selbständig“ in Antrag 1. und 2. und nach Streichung des Wortes „professionelle“ im Antrag 2., die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

1. selbständig, das heißt ohne Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt, Zahnbleaching vorzunehmen beziehungsweise vornehmen zu lassen und/oder dafür zu werben beziehungsweise werben zu lassen, es sei denn, das Zahnbleaching erfolgt mittels sogenannter Whitening-Zahncremes oder mit sogenannten Massmarket-Produkten, bei denen der Wasserstoffperoxidgehalt 6% nicht übersteigt,

2. selbständig, das heißt ohne Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt, Zahnreinigung mittels eines Wasserpulverstrahlgeräts (mittels Airflow) vorzunehmen beziehungsweise vornehmen zu lassen und/oder dafür zu werben beziehungsweise werben zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Parteien ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Beklagte hat sich zum Nachweis der Befähigung zur Ausübung der von ihr angebotenen Anwendungen weiter darauf berufen, sie absolviere seit November 2011 eine Zusatzausbildung als Dentalhygieniker (DH), die voraussichtlich im September 2012 abgeschlossen sein werde und verweist in diesem Zusammenhang auf Anlage B 15, Bl. 414 ff, aus der sich die erweiterten Kompetenzen eines Dentalhygienikers ergäben.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil sowie auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1) Sowohl die Zahnreinigung mittels eines Wasserpulverstrahlgerätes (Airflow) also auch das sogenannte Bleaching, das heißt das Aufhellen von Zähnen mit Präparaten mit einem Wasserstoffperoxidanteil von mehr als 6% sind als Ausübung der Zahnheilkunde im Sinne von § 1 Abs. 3 ZHG anzusehen und stehen damit unter dem Approbationsvorbehalt des § 1 Abs. 1 ZHG. Da die Beklagte eine Approbation als Zahnärztin nicht besitzt, darf sie diese Tätigkeiten nicht selbständig ohne Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt ausüben. Dies führt, da es sich bei dem Approbationsvorbehalt nach den Regelungen des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde nicht nur um Marktzutritts-, sondern auch um Marktverhaltensregelungen handelt (vgl. Kohler/Bornkamm, UWG, 30., Aufl., § 4 Rd 11.73) zugleich zu einem Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG.

2) Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 3 ZHG umfasst die „Ausübung der Zahnheilkunde“ die auf zahnärztlich wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Dabei schließt der Begriff der Krankheit nach Satz 2 dieser Vorschrift jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlen von Zähnen ein.

Unter diesen weit gefassten Begriff der „Ausübung der Zahnheilkunde“ fallen auch die beanstandeten Tätigkeiten.

a) Bleaching dient der Aufhellung von Zähnen und damit – zumindest auch – der Beseitigung von Verfärbungen. Zahnverfärbungen wiederum sind unabhängig von ihrer Ursache (Konsumverhalten wie Tabak-, Alkohol oder Kaffeegenuss einerseits oder krankhafte Verfärbungen andererseits; zu den verschiedenen Arten von Verfärbungen, die einer Zahnbleichung mit wasserstoffperoxidhaltigen Präparaten zugänglich sind vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 02.01.2008 – 9 S 2089/06PharmaR 2008, 285, juris-Tz 3 - 7) als „abweichende Erscheinungen im Bereich der Zähne“ und damit als Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 ZHG anzusehen.

Die Gegenauffassung, wonach „strahlend weiße Zähne“ die Ausnahme und Farbnuancen die Regel sind (LG Frankfurt am Main - Urt. v. 29.09.2006 – 3-12 O 205/09 – GesR 2007, 225, juris-Tz 30 und OLG Frankfurt am Main, Urt. 22.02.2001 – 22 U 222/00 – OLGR Frankfurt 2002, 9, juris-Tz 4), überzeugt schon deshalb nicht, weil es auch auf Krankheiten beruhende Farbveränderungen von Zähnen gibt. Auf eine Differenzierung zwischen krankhaften und nicht krankhaften Verfärbungen kann es im Rahmen von § 1 Abs. 3 ZHG schon deshalb nicht ankommen, weil die Entscheidung darüber, welche Ursache für die Verfärbung verantwortlich ist, dem Arzt vorbehalten bleiben muss. Die Feststellung der Krankheit obliegt nach § 1 Abs. 3 Satz 1 ZHG ausdrücklich der approbierten Zahnärztin oder dem approbierten Zahnarzt (so auch: LG Stuttgart, Beschl. v. 19.08.2008 - 16 Qs 49/08, S. 8 f).

Dieses Ergebnis wird zusätzlich durch eine an Sinn und Zweck des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde orientiert Auslegung gestützt. Denn dieses dient dazu, die berufsmäßige Behandlung und Erkennung von Krankheiten im Mund- und Kieferbereich sowie die dazugehörige Prophylaxe zum Schutz der Patienten vor Schäden durch fehlerhafte Beratung und Behandlung durch entsprechend qualifiziert ausgebildete Ärztinnen und Ärzte durchführen zu lassen.

Schließlich spricht für die Einstufung des Bleachings als Ausübung der Zahnheilkunde auch die Systematik des § 1 ZHG. Denn § 1 Abs. 5 ZHG nennt das „Einfärben der Zähne“ ausdrücklich als eine Tätigkeit, die approbierte Zahnärzte an dafür qualifiziertes Prophylaxe-Personal delegieren dürfen. Wenn aber das Einfärben von Zähnen als eine Anwendung anzusehen ist, die der Zahnarzt (ausnahmsweise) von qualifizierten Hilfskräften ausüben lassen kann, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass diese Anwendung grundsätzlich als „Ausübung der Zahnheilkunde“ im Sinne von § 1 Abs. 3 ZHG anzusehen ist.

Dabei ist Bleaching, das heißt Bleichen oder Aufhellen der Zähne als eine Form des Einfärbens im Sinne von § 1 Abs. 5 ZHG anzusehen. Denn bei Bleaching wird gerade nicht nur durch Beseitigung von äußeren Verschmutzungen die Farbe des Zahnes wiederhergestellt. Vielmehr dringt das in dem Bleachingpräparat enthaltene Wasserstoffperoxid in den Zahn ein und verändert so seine Farbe.

b) Aus denselben Erwägungen folgt, dass auch die mit dem Antrag zu 2. beanstandete selbständige Zahnreinigung mittels eines Wasserpulvergeräts als „Ausübung der Zahnheilkunde“ im Sinne von § 1 Abs. 3 ZHG anzusehen ist. Ablagerungen auf den Zähnen, wie sie die Beklagte behandelt (vgl. vorher/nachher Darstellung Internet, Anlage K 4) sind – ebenso wie die Verfärbungen der Zähne – als Normabweichung und damit als Krankheit anzusehen. Dabei unterscheidet das Gesetz nicht zwischen sub- und supragingivalen Belägen. Denn § 1 Abs. 5 ZHG spricht ausdrücklich von dem „Entfernen von weichen und harten sowie klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen“ [Hervorhebung diesseits], so dass das Entfernen von Zahnbelägen nach der Systematik des Gesetzes unabhängig davon als „Ausübung der Zahnheilkunde“ anzusehen ist, ob diese oberhalb oder unterhalb der Zahnfleischkante liegen. Angesichts dessen kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, sie behandele lediglich supragingivale Ablagerungen.

3) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ZHG darf Zahnheilkunde nur von approbierten Zahnärztinnen und Zahnärzten ausgeübt werden. Als ausgebildete Zahnarzthelferin mit einer Zusatzausbildung zur zahnmedizinischen Fachassistentin erfüllt die Beklagte diese Anforderungen nicht. Auch im Falle des erfolgreichen Abschlusses ihrer (weiteren) Zusatzausbildung Dentalhygienikerin (DH) – die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allerdings ohnehin unbeachtlich ist, da sie diese Qualifikation noch nicht hat – könnte sie die Approbation zur Zahnärztin nicht erlangen. Nach § 1 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 5 ZHG ist es ihr daher grundsätzlich verwehrt, Bleaching und Zahnreinigungen selbständig, das heißt ohne Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt, vorzunehmen. Dies gilt – da das Gesetz über Ausübung der Zahnheilkunde den approbierten Zahnarzt als einzige Qualifikationsstufe anerkennt – ungeachtet der von der Beklagten persönlich durch ihre Ausbildungen und ihrer langjährigen Berufserfahrung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten.

4) Die Beklagte wird durch den Approbationsvorbehalt grundsätzlich auch nicht in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Danach haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bedarf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügt. Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit sind deshalb nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (BVerfG in ständiger Rechtsprechung, so zuletzt in Beschl. v. 07.03.2012 - 1 BvR 1209/11 – juris-Tz 17, m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Soweit § 1 Abs. 1 ZHG die Befugnis zur Ausübung des Zahnarztberufs an die Approbation als Zahnärztin oder Zahnarzt knüpft, ist dies generell durch das hohe Gut der Gesundheit der Bevölkerung, die vor Falschbehandlungen durch unqualifizierte Personen geschützt werden soll, gerechtfertigt. Allerdings unterliegen dem Approbationsvorbehalt im Hinblick auf das Grundrecht der freien Berufungsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG nur solche Tätigkeiten, die ärztliche Fachkenntnisse voraussetzen und gesundheitliche Schädigungen zur Folge haben können, wobei auch nur mittelbare Gesundheitsgefährdungen genügen, die beispielsweise dadurch entstehen können, dass das frühzeitige Erkennen ernster Leiden, das ärztliches Fachwissen voraussetzt, verzögert wird. Erforderlich ist insoweit, dass die Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung nicht nur geringfügig ist. Nicht erfasst sind hingegen heilkundliche Verrichtungen von eher handwerklicher oder technischer Art (BGH, Urt. v. 21.06.2001 - I ZR 197/00 - GRUR 2001, 1170 juris-Tz 20 - Optometrische Leistungen; Senat, Urt. v. 12.08.2010 – 6 U 77/09GRUR-RR 2011, 100 juris-Tz 27, jeweils zum Heilpraktikergesetz).

Auch insoweit ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn §§ 1 Abs. 3 und 5 ZHG die selbständige Anwendung von Bleaching und der Airflow-Zahnreinigung dem approbierten Zahnarzt vorbehält.

Der VGH Baden-Württemberg hat in Bezug auf das Zahnbleaching mit einem Präparat mit einem Wasserstoffperoxidgehalt von 3,6% bis 5,4% festgestellt, dass Bleachingmittel jedenfalls in dieser Konzentration mit nicht ganz unerheblichen Gesundheitsrisiken verbunden sind. Das Bundesinstitut für Risikobewertung sei in seinem Tagungsbericht vom 16. Juli 2003 (im vorliegenden Verfahren vorgelegt als Anlage K 12) diesbezüglich zu dem Ergebnis gekommen, dass gesundheitliche Risiken bei Anwendung durch den Verbraucher nicht ausgeschlossen werden könnten. Wasserstoffperoxid habe ein schwach kanzerogenes Potential, darüber hinaus könne auch ein genotoxisches Potential nicht ausgeschlossen werden. Jedenfalls für bestimmte Risikogruppen - wie insbesondere Anwender mit vorgeschädigter Mundschleimhaut, Alkoholiker und Raucher - sei die Anwendung des Präparates daher auszuschließen. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelange auch der von der Europäischen Kommission eingesetzte Wissenschaftliche Ausschuss „Konsumgüter“ (SCCP) in seinem „Gutachten zu Wasserstoffperoxid in Zahnbleichmitteln“ aus dem Jahr 2005 (SCCP/0844/04). Auch dort werde auf die schwach krebsfördernde Wirkung von Wasserstoffperoxid hingewiesen, sowie darauf, dass erhöhte Zahnempfindlichkeit und Reizungen im Mundraum häufig unerwünschte Nebenwirkung einer Behandlung mit Zahnbleichmitteln sei. Nach bestehenden Schätzungen gehe man davon aus, dass 25 % des beim Bleichen der Zähne angewendeten Wasserstoffperoxids geschluckt werde. Ab einer Wasserstoffperoxidkonzentration von 0,1 % sei das Zähnebleichen daher mehr als nur eine einfache kosmetische Anwendung (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 02.01.2008 – 9 S 2089/06PharmR 2008, 285 – Tz 50). Das entspricht den Feststellungen des im vorliegenden Verfahren als Anlage K 13 vorgelegten SCCP-Gutachtens vom 18. Dezember 2007 (dort S. 21f und S. 71). Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Zahnbleichungsmittel mit einem Gehalt von mehr als 6% Wasserstoffperoxid nicht von dem Verbraucher selbst angewendet werden sollten. Auch das Bundesinstitut der Risikobewertung kommt in dem Tagungsbericht vom 16. Juli 2003 zu dem Ergebnis, dass Wasserstoffperoxid in Konzentrationen über 0,1% nur unter Aufsicht eines Zahnarztes verabreicht werden sollte. Dem entsprechend haben der VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 02.01.2008 – 9 S 2089/06PharmaR 2008, 285), das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 14.08.2003 - 13 A 5022/00 - ZLR 2004, 208) und das VG Düsseldorf (Urt. v. 30.08.2000 – 16 K 6063/99) Zahnbleichungsmittel wie sie von der Beklagten verwendet werden als Medizinprodukt eingestuft.

Die Behandlung mit einem Airflow-Gerät ist für den behandelten Zahn – auch nach dem Vortrag der Klägerin – dann ohne Risiko, wenn der Zahn gesund, das heißt insbesondere nicht kariös ist oder zumindest kein Kariesrisiko besteht. Allerdings hat die Klägerin auch nachvollziehbar vorgetragen, dass es durch die Anwendung des Airflow-Verfahrens, bei dem kleinste Partikel mit hohem Druck gegen die Zähne geschleudert werden, dann zu Substanzverletzungen am Zahn kommen kann, wenn der Zahn Vorschäden aufweist.

Diese Risiken und Gefahren erfordern die Beteiligung eines ausgebildeten Mediziners am Bleaching sowie der Zahnreinigung mittels Airflow, wenigstens insoweit, als es vor der Behandlung einer fachkundigen Beurteilung bedarf, ob bei dem zu behandelnden Patienten besondere Risiken bestehen, die eine solche Behandlung entweder gänzlich ausschließen oder eine intensive Überwachung durch eine Zahnärztin oder einen Zahnarzt erfordern. Das Approbationserfordernis des § 1 Abs. 1 ZHG verletzt die Beklagte daher jedenfalls insoweit nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 GG, als es ihr verbietet, die in Rede stehenden Behandlungsmethoden ohne Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt anzuwenden; dies hat die Beklagte unstreitig in der Vergangenheit getan.

Dabei gibt das vorliegende Verfahren keinen Anlass, die Frage zu entscheiden, ob dem dargestellten Erfordernis in jedem Fall bereits dann Rechnung getragen ist, wenn der Patient zeitnah vor einer Behandlung in dem Zahnkosmetikstudio der Beklagten auf etwaige Risiken untersucht und die Unbedenklichkeit einer Bleaching-Behandlung oder einer Zahnreinigung nach der Airflow-Methode vorab bescheinigt hat. Denn die Anträge sind jeweils nur auf Unterlassung der Behandlungen ohne (jegliches) Zusammenwirken mit einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt gerichtet. Sie erfassen daher nicht den Fall, dass die Beklagte nach erfolgter zahnärztlicher „Unbedenklichkeitsuntersuchung“ in ihrem – von der Praxis einer approbierten Zahnärztin oder eines approbierten Zahnarzt räumlich getrennten – Zahnkosmetikstudios tätig wird.

5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

RechtsgebieteUWG, ZHGVorschriften§ 4 Nr 11 UWG, § 1 Abs 1 S 1 ZHG, § 1 Abs 3 S 2 ZHG