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28.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131692

Verwaltungsgericht Köln: Urteil vom 18.03.2013 – 19 K 6612/11

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Verwaltungsgericht Köln

19 K 6612/11

Das beklagte Land wird unter Änderung seines Bescheides vom 28.12.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2011 verpflichtet, der Klägerin eine weitere Beihilfe in Höhe von 105,65 € zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 56 % und das beklagte Land zu 44%.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckenden Betrages leistet.

T a t b e s t a n d:

Die Klägerin ist als Beamtin des beklagten Landes zu einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt.

Unter dem 09.12.2010 beantragte sie beim beklagten Land die Gewährung einer Beihilfe für Aufwendungen, die der Zahnarzt B. mit Rechnung vom 29.11.2010 in Höhe von 1.755,93 € für eine im November 2010 durchgeführte zahnärztliche Behandlung geltend gemacht hatte.

Mit Bescheid vom 28.12.2010 gewährte das beklagte Land der Klägerin eine Beihilfe in Höhe von 965,36 €. Dabei ging das beklagte Land von Honorar- und Materialkosten in Höhe von 1.382,20 € und Kosten für zahntechnische Leistungen in Höhe von 373,73 € aus, indem es einen Betrag 139,77 € (186,36 € - 46,59 €) von den vom Zahnarzt geltend gemachten Material- und Laborkosten dem zahnärztlichen Honorar und den Materialkosten zuordnete und von den übrigen Kosten für zahntechnische Leistungen in Höhe von 739,85 € einen Betrag in Höhe von 366,12 € als Materialkosten ansah. Von den geltend gemachten Honorar- und Materialkosten erkannte das beklagte Land einen Betrag von 227,36 € nicht als beihilfefähig an. Es erkannte die geltend gemachten Gebührenpositionen GOZ 204 ( 2x), 216 (2x) und 222 nur in Höhe eines Steigerungssatzes in Höhe von 2,3 (sog. Schwellenwert) als beihilfefähig an, weil es die vom Zahnarzt gegebenen Begründungen für die Überschreitung des Schwellenwertes nicht für ausreichend ansah. Die mit dem 1,5-fachen Steigerungssatz in Rechnung gestellte Position GOZ 517 erkannte das beklagte Land mit der Begründung nicht an, dass die Abformung nach GOZ 517 im Zusammenhang mit der Versorgung der Zähne mit Einlagefüllungen und Einzelkronen nach den GOZ 215-217 und GOZ 220-222 nicht gesondert berechenbar seien. Die Kosten für die zahntechnischen Leistungen in Höhe von 373,73 € erkannte das beklagte Land gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 9 BVO NRW nur zu60 % als beihilfefähig an.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 26.01.2011 wies das beklagte Land mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2011 zurück.

Die Klägerin hat am 05.12.2011 Klage erhoben, mit der sie Gewährung einer weiteren Beihilfe begehrt. Zur Begründung trägt sie unter Vorlage einer Stellungnahme ihres behandelnden Zahnarztes vom 18.02.2011 und der für den Zahnarzt handelnden Abrechnungsgesellschaft vor, dass der Ansatz der GOZ 517 und der Ansatz eines erhöhten Steigerungssatzes bei den GOZ 204, 216 und 222 zu Recht erfolgt seien. Die Schwellenwertüberschreitungen seien ausreichend begründet worden.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Land unter Änderung seines Bescheides vom 28.12.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2011 zu verpflichten, ihr eine weitere Beihilfe in Höhe von 241,39 € zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Seiner Auffassung nach sind die Schwellenwertüberschreitungen vom behandelnden Zahnarzt nicht ausreichend begründet worden. Die Berechnung der GOZ 517 komme nur in Betracht, wenn die in der Leistungsbeschreibung genannten qualifizierten Voraussetzungen vorlägen. Die Voraussetzungen (ungünstige Zahnbogen- und Kieferformen und /oder tief ansetzende Bänder oder spezielle Abformung zur Remontage) seien nicht nachgewiesen. Deshalb seien die Abformungen mit den GOZ 215-217 und GOZ 200-222 abgegolten.

Die Beteiligten haben auf Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg

Das Gericht konnte gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung erklärt.

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Klägerin hat gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW 2009 lediglich einen Anspruch auf Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 105,65 €.

Nach beihilferechtlichen Grundsätzen sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. § 3 Abs. 1 BVO NRW 2009). Bei der Behandlung durch Ärzte und Zahnärzte beurteilt sich die Angemessenheit ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der maßgebenden ärztlichen Gebührenordnung. Besteht zwischen dem behandelten Beihilfeberechtigten und dem behandelnden Arzt Streit über die Berechtigung der ärztlichen Honorarforderung, ist für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend. Ist – wie hier - eine Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg nicht ergangen, hat der Dienstherr – und im Streitfall das Verwaltungsgericht – zu prüfen, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Gebührenrecht begründet sind,

vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2009 – 2 C 79/08 -, NVwZ-RR 2010, 365.

Der behandelnde Zahnarzt hat den Schwellenwert von 2,3 auch im Falle der Positionen GOZ 1987 (GOZ) 204, 222 und in einem Falle auch für die Position GOZ 216 in Übereinstimmung mit den Vorgaben der GOZ überschritten. Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ ist ein Überschreiten des Schwellenwertes nur zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Bei einem Überschreiten des Schwellenwertes hat der Zahnarzt nach § 10 Abs. 3 GOZ eine schriftliche Begründung vorzulegen. Auf Verlangen hat er diese näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ). Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Patienten eine lediglich grobe Handhabe zur Einschätzung der Berechtigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs zu geben, sind keine überzogenen Anforderungen an eine ausreichende Begründung zu stellen. Andererseits muss die Begründung aber geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände nachvollziehbar zu machen, die nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen können. Keine Überschreitung des Schwellenwertes können zunächst diejenigen Umstände rechtfertigen, die schon zum Inhalt der in der jeweiligen Gebührenziffer beschriebenen Leistung gehören. Vorliegen müssen vielmehr auf die Person des Behandelten bezogene Besonderheiten, die sich von den Gegebenheiten der übrigen Behandlungsfälle unterscheiden, die noch keine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen,

vgl. OVG Nds. Beschluss vom 12.08.2009 – 5 LA 368/08 -, juris; BGH, Urteil vom 08.11.2007 – III ZR 54/07 -, juris.

Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabes sind die vom behandelnden Zahnarzt gegebenen Begründungen für die GOZ 204 ausreichend. Der Zahnarzt hat seine Begründung mit seiner Stellungnahme vom 18.02.2011 dahingehend ergänzt, dass ein besonderer Aufwand vorgelegen habe, weil vorliegend 4 Zähne gleichzeitig hätten trockengelegt werden müssen. Bei der Versorgung des Zähne 47 und 46 sind die Schwellenwertüberschreitungen der GOZ 216 und 222 mit der Begründung „schwer zugänglicher Zahn“ ebenfalls ausreichend mit individuellen patientenbezogenen Besonderheiten begründet. Aufgrund der zu Unrecht nicht erfolgten Anerkennung dieser Schwellenwertüberschreitungen steht der Klägerin ein Anspruch auf Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 105,65 € (70 % von 150,93 €) zu.

Die Klage im Übrigen ist unbegründet. Die Begründung der Schwellenwertüberschreitung der GOZ 216 für die Versorgung des Zahnes 45 („zeitlicher Mehraufwand durch spezielle Präparationsformen“) genügt nicht dem Begründungserfordernis des § 10 Abs. 3 GOZ. Der Hinweis auf die Anwendung besonderer Behandlungstechniken stellt grundsätzlich keine patientenbezogene Besonderheit dar. Dass die „besonderen Präparationsformen“ aufgrund patientenbezogener Besonderheiten erforderlich waren, hat der behandelnde Zahnarzt nicht dargelegt.

Die Gebührenposition GOZ 517 (Anatomische Abformung des Kiefers mit individuellem Löffel bei ungünstigen Zahnbogen- und Kieferformen und/oder tief ansetzenden Bändern oder spezielle Abformung zur Remontage je Kiefer) hat der behandelnde Zahnarzt zu Unrecht angesetzt. Nach der 2. Abrechnungsvorschrift nach GOZ 222 sind durch die Leistungen nach den GOZ 215-217 und 220 bis 222 zahnärztliche Leistungen wie etwa Abformungen abgegolten. Die Abformungsleistung der GOZ ist deshalb nur ausnahmsweise abrechenbar bei Vorliegen der in GOZ 517 genannten Besonderheiten. Konkrete Besonderheiten werden vom behandelnden Zahnarzt nicht genannt. Nach der ärztlichen Stellungnahme vom 18.02.2011 war die anatomische Abformung aufgrund der „konkreten anatomischen Situation“ der Klägerin erforderlich. Worin diese konkrete anatomische Situation bestand, wird nicht gesagt.

Die weitergehende Kürzung der beihilfefähigen Aufwendungen durch das Beklagte Land beruht auf der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 9 BVO NRW, wonach zahntechnische Leistungen nach § 9 GOZ bei der Versorgung mit Zahnersatz, Zahnkronen und Suprakonstruktionen in Höhe von 60 % beihilfefähig sind. Es ist nicht ersichtlich, dass das beklagte Land den in voller Höhe beihilfefähigen Aufwendungen für zahntechnische Leistungen für Inlays einen höheren Betrag als 366,12 € hätte zuordnen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.