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LG Frankenthal: Portal muss negative Bewertung eines Kieferorthopäden löschen
| In diesem Beitrag wird ein Gerichtsurteil vorgestellt, laut dem ein Bewertungsurteil verurteilt wurde, die extrem negative und gegenstandslose Bewertung eines Kieferorthopäden zu löschen. |
Der Fall
Der Kläger ist als Kieferorthopäde in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Die Beklagte betreibt ein Bewertungsportal. Es ist so gestaltet, dass sich ein Nutzer allein mit einer E-Mail-Adresse und einem Passwort registrieren und Bewertungen einstellen kann. Die Angabe eines Klarnamens muss nicht erfolgen.
Vor etwa zwei Jahren wurde unter der Überschrift „Überaus unhöflich und unprofessionell“ auf dem Portal eine anonyme Bewertung über den Kieferorthopäden veröffentlicht. Daneben erschien die sich aus den Einzelschulnoten errechnete Gesamtnote von 5,2. Dazu schrieb der Bewertende: „Ich fühlte mich während der Behandlungszeit immer sehr unwohl, wenn ich einen Termin dort wahrzunehmen hatte. Ich … fand den Umgang mit mir als Patient eine Katastrophe! Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch.“
Das Urteil
Das Gericht Landgericht Frankenthal entschied im Urteil vom 18.09.2018 (Az: 6 O 39/18): Das Bewertungsportal haftet im vorliegenden Fall mittelbar. Grundsätzlich seien Äußerungen zu unterlassen, die nicht von Artikel 5 Grundgesetz gedeckt sind, wie z. B. unwahre Tatsachenbehauptungen, unzulässige Schmähkritik und Werturteile ohne Tatsachenkern. Im vorliegenden Fall sei bei der beanstandeten Bewertung zwar von Meinungen und Werturteilen auszugehen. Diese seien aber zu unterlassen, weil in diesem Fall „kein belastbarer Tatsachenkern“ nachgewiesen sei.
(Minimal-)Tatsache, dass überhaupt ein Arzt-Patienten-Kontak stattgefunden hat
Die Noten seine ohne weiteren Kommentar vergeben und enthielten keinen Tatsachengehalt. Insbesondere könne aus der Note 6,0 für die Kategorie „Behandlung“ sowie aus den Noten 5,0 für die Kategorien „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“ nicht geschlossen werden, dass die Behandlung oder Aufklärung fehlerhaft waren oder etwa nicht gesetzlichen Richtlinien entsprochen hätten. In der geäußerten Meinung müsse jedoch zumindest ein Tatsachenkern enthalten sein. Bei der Bewertung einer ärztlichen Leistung sei es die (Minimal-)Tatsache, dass überhaupt ein Arzt-Patienten-Kontakt im Sinne einer Behandlung stattgefunden habe. An der Bewertung nicht stattgefundener Behandlungen bestünde ‒ so das Gericht ‒ kein rechtliches Interesse.
Portal muss reagieren, wenn es auf die Verletzung eines Persönlichkeitsrechts hingewiesen wurde
Zunächst träfe den Betreiber eines Bewertungsportals keine Pflicht, Beiträge schon vorab auf mögliche Rechtsverletzungen zu prüfen. Er wäre hiermit auch wirtschaftlich und personell überfordert. Allerdings werde er dann verantwortlich, wenn ein Betroffener ihn auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Angebots hinweist. Dies habe der Kieferorthopäde getan.
Die Bewertung sei objektiv geeignet, sich auf den Kieferorthopäden im Wettbewerb gegenüber anderen Ärzten beruflich nachteilig auszuwirken ‒ und zwar insbesondere, weil er als extrem schlechter Arzt bezeichnet wird. Diese Bewertung könne dazu führen, dass potentielle Patienten anstelle des Klägers einen anderen Kieferorthopäden aufsuchen.
Stellungnahme enthielt keinen belastbaren Tatsachenkern
Das Gericht weiter: Das Bewertungsportal habe nach Beanstandung das sogenannte Prüfverfahren durchzuführen. Hierbei habe der Plattformbetreiber den Bewertenden auffordern, den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und Indizien zu übermitteln, z. B. Terminkarten, Zetteleintragungen in Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien. Die Beklagte habe dem Kläger sodann die Informationen und Unterlagen ‒ eventuell geschwärzt ‒ weiterzuleiten.
Das ist nach Auffassung des Gerichts nicht geschehen. Die Stellungnahme ihres Users zur Beanstandung enthielte bis auf die geschwärzte Abschlussbescheinigung keinerlei belastbaren Tatsachenkern. Er verweigerte ausdrücklich die Schilderung irgendwelcher Anknüpfungspunkte. Auch mit dem angegebenen Behandlungszeitraum und der als Behandlungsunterlage überreichten Behandlungsbescheinigung sei ein tatsächlich stattgefundener Behandlungskontakt nicht ausreichend dargelegt.
Ein Behandlungszeitraum von vier Jahren sei zunächst plausibel, da sich kieferorthopädische Behandlungen häufig über einen sehr langen Zeitraum erstrecken. Es wäre aber gerade angesichts dieser langen Zeitdauer vom Bewertenden zu fordern gewesen, dass er nicht nur eine geschwärzte Abschlussbescheinigung vorlegt, sondern auch andere Unterlagen ‒ wie z. B. (geschwärzte) Terminzettel, Rezepte, Rechnungen oder Ähnliches.
Das Bewertungsportal sei aus diesen Gründen zu verurteilen, die Veröffentlichung der Bewertung zu unterlassen.