· Fachbeitrag · Haftung
Die Mitarbeiterin macht einen Fehler: Kann der Zahnarzt Schadenersatz verlangen?
| Kann ein Zahnarzt oder eine Zahnärztin Schadenersatz von seiner Mitarbeiterin verlangen, wenn diese z. B. durch Unachtsamkeit einen Patienten verletzt oder eine teure Prothese fallen gelassen hat? |
Die Grundsätze des „innerbetrieblichen Schadenausgleichs“
Bei der Arbeitnehmerhaftung geht es um die Folgen von Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers bei einer betrieblichen Tätigkeit, wozu beispielsweise mangelnde Arbeitsqualität, mangelnde Sorgfalt beim Umgang mit Eigentum des Arbeitgebers oder die Schädigung von Personen gehört. Hinsichtlich dieser Schäden sind die in der Rechtsprechung entwickelten und in der Vergangenheit wiederholt geänderten Grundsätze über den sogenannten „innerbetrieblichen Schadenausgleich“ anzuwenden.
Von der gesetzlichen Ausgangslage her gelten für die Haftung des Arbeitnehmers die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Danach haftet der Arbeitnehmer, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig Pflichtwidrigkeiten begeht und hierdurch den Arbeitgeber oder einen Dritten schädigt. Hinzu kommen vertragliche Schadenersatzpflichten, da der Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag ‒ z. B. seine Sorgfaltspflicht ‒ verletzt hat.
Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung hat jedoch Haftungserleichterungen entwickelt, weil bei Tätigkeiten von Arbeitnehmern immer die Wahrscheinlichkeit besteht, dass auch dem sorgfältigen Mitarbeiter Fehler unterlaufen. Außerdem ist der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber weisungsgebunden und kann sich damit dem „betrieblichen Risikopotenzial“ ‒ z. B. dem Umgang mit teuren medizinischen Geräten ‒ nicht entziehen. Auch angesichts seines Arbeitseinkommens wäre eine volle Haftung unverhältnismäßig.
Die Haftung richtet sich nach dem Verschuldensgrad
Nach der Rechtsprechung besteht ein dreistufiges Haftungsmodell, wonach der innerbetriebliche Schadenausgleich wie folgt vorzunehmen ist:
1. Leichte Fahrlässigkeit ‒ keine Haftung
Bei leichter Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers haftet dieser nicht. Sie liegt vor, wenn es sich um eine geringfügige oder leicht entschuldbare Pflichtverletzung handelt, die jedem Arbeitnehmer unterlaufen kann.
2. Mittlere Fahrlässigkeit: Anteilige Haftung
Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist eine anteilige Haftung des Arbeitnehmers anzunehmen. Sie liegt z. B. vor, wenn die Prophylaxe-Mitarbeiterin vergisst, einem Patienten vor der Behandlung die Brille abzunehmen und diese dann beim Hantieren während der Behandlung von der Nase fällt und zu Bruch geht.
Der Haftungsanteil des Arbeitnehmers ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Dabei sind z. B. die Versicherbarkeit des Schadenrisikos durch den Arbeitgeber, die Höhe des Verdienstes des Arbeitnehmers, seine bisherige Arbeitsleistung und dessen soziale Verhältnisse zu berücksichtigen.
Eine anteilige Haftung bedeutet für den Mitarbeiter somit nicht automatisch auch eine hälftige Haftung, sondern zumeist erheblich weniger. Meistens verrechnet der Zahnarzt dann seine Ansprüche mit dem Gehaltsanspruch der Mitarbeiterin.
PRAXISHINWEIS | Ein durch die Mitarbeiterin geschädigter Patient kann statt vom Zahnarzt auch von der Mitarbeiterin selbst Schadenersatz verlangen. Je nach Verschuldensgrad hat diese dann im Innenverhältnis gegenüber dem Zahnarzt einen Anspruch auf „innerbetrieblichen Schadenausgleich“. |
3. Grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz: In der Regel volle Haftung
Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet der Arbeitnehmer in der Regel voll. Sie ist anzunehmen, wenn eine besonders schwerwiegende und unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt. Der Arbeitnehmer hat dann diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die jedem anderen eingeleuchtet hätte. Um grobe Fahrlässigkeit handelt es sich beispielsweise, wenn eine Prophylaxe-Mitarbeiterin einen Patienten behandelt und verletzt, weil sie angetrunken ist.
Auch bei grober Fahrlässigkeit sind Haftungserleichterungen nicht ausgeschlossen. So kommt z. B. bei einem deutlichen Missverhältnis zwischen Verdienst und Höhe des Schadens eine Haftungserleichterung in Betracht, wenn bei voller Inanspruchnahme die Existenz des Arbeitnehmers bedroht wäre.
Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen des Schadens. Dabei genügt nicht allein der vorsätzliche Verstoß gegen Weisungen. Zusätzlich muss die Schädigung gewollt sein. Vorsatz liegt z. B. vor, wenn eine Mitarbeiterin nach einem Streit mit dem Zahnarzt eine Prothese auf den Fußboden wirft und damit zerstört.
PRAXISHINWEIS | : Liegt ein Mitverschulden des Arbeitgebers vor, kann der Umfang der Haftung durch den Mitarbeiter begrenzt oder gar ausgeschlossen sein. Zu bedenken ist jedenfalls, dass zu den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadenausgleichs auch die Pflicht des Arbeitgebers gehört, zumutbare und übliche Versicherungen abzuschließen oder den Mitarbeiter so zu stellen, als seien solche abgeschlossen. Kommen daher außenstehende Dritte zu Schaden und hätte beispielsweise die Berufshaftpflichtversicherung diese Schäden gedeckt, so kann der Arbeitnehmer auf diese Versicherung verweisen und Freistellung von der Schadenersatzverpflichtung verlangen. |
Weiterführender Hinweis
- Beachten Sie zu dieser Thematik auch den folgenden Beitrag: „Wer haftet, wenn die ZFA einen Fehler macht?“ in PPZ 09/2014, Seite 16