· Fachbeitrag · Zahnarzthaftungsrecht
Wer haftet, wenn die ZFA einen Fehler macht?
von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Rainer Hellweg, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de
| Die Aufgabe der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) liegt darin, dem Zahnarzt bei der Untersuchung, Behandlung, Betreuung und Beratung von Patienten zu assistieren. Dabei werden ZFA auch eigenverantwortlich tätig. Was aber, wenn ihnen dabei ein Fehler unterläuft? Wann haftet der Zahnarzt und wann besteht sogar eine Eigenhaftung der ZFA? |
Behandlungsvertrag wird mit dem Zahnarzt geschlossen
Die rechtliche Grundlage des Behandlungsverhältnisses mit dem Patienten ist der Behandlungsvertrag. Dieser kommt zwischen dem Patienten und dem Zahnarzt - bzw. mehreren Zahnärzten oder der Gemeinschaftspraxis - zustande. Die ZFA wird demnach nicht Vertragspartnerin im Rahmen des Behandlungsvertrags. Sie wird aber für den Zahnarzt tätig, soweit sie in die Durchführung diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen am Patienten involviert ist. Insofern ist sie sogenannte „Erfüllungsgehilfin“ des Zahnarztes. Das bedeutet: Ein etwaiges Verschulden der ZFA würde dem Zahnarzt zugerechnet. Für Fehler der ZFA muss also im Rahmen des Behandlungsvertrags der Zahnarzt nach außen haften.
Daraus folgt aber nicht, dass die ZFA von jeglicher Haftung befreit wäre. Im Rahmen der sogenannten Deliktshaftung kann auch die ZFA direkt vom Patienten in Anspruch genommen werden, wenn aufgrund eines Fehlers von ihr eine Körperverletzung beim Patienten hervorgerufen wurde.
Mangelnde persönliche Fähigkeiten der ZFA sind kein Grund für einen Haftungsausschluss
Maßgeblich ist der sogenannte objektive Fahrlässigkeitsbegriff im Zivilrecht. Das heißt: Bei der Beurteilung, ob eine bestimmte Maßnahme fehlerhaft war oder nicht, sind nicht die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten der betreffenden ZFA von Bedeutung. Vielmehr kommt es darauf an, welche objektive Sorgfalt der Patient hätte erwarten können. Ungenügende Kenntnisse oder mangelnde Erfahrung, die in der konkreten Person der ZFA begründet sind, schließen eine Haftung somit nicht aus. Geschuldet wird gegenüber dem Patienten sowohl die „Sorgfalt eines ordentlichen Zahnarztes“ als auch die „Sorgfalt einer ordentlichen ZFA“. Haftungsträchtig im Tätigkeitsgebiet einer ZFA sind zum Beispiel
- Zahnfleisch-Infektionen nach einer PZR und
- die Vertauschung eines Medikaments bei einer Implantation oder einer Mundschleimhautbehandlung.
Der folgende Fall stammt zwar aus dem ärztlichen Bereich, das Urteil ist aber auf den zahnärztlichen Bereich übertragbar.
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Mit Urteil vom 12. Januar 2010 (Az. 8 U 6/09) hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Infusionslösung in der Klinik vertauscht worden war. Die dort tätige MFA verwechselte die Flasche und nahm versehentlich Lavasept 0,1 % in Ringerlösung - ein Desinfektionsmittel. Dies wurde der Patientin von der Ärztin dann als Infusion zugeführt. Hierdurch kam es zu Schädigungen bei der Patientin.
Das Gericht hielt ein Schmerzensgeld von insgesamt 15.000 Euro für angemessen. Verurteilt wurde im dortigen Fall der Klinikträger. Über eine Haftung der MFA selbst hatte das Gericht nicht zu entscheiden, da die Patientin diese nicht verklagt hatte. Eine persönliche Haftung der MFA auch neben dem Klinikträger wäre aber denkbar gewesen. |
Welche Tätigkeiten darf die ZFA ausüben?
Nach dem sogenannten Arztvorbehalt ist die Ausübung der Heilkunde dem Arzt bzw. Zahnarzt aufgrund seiner Qualifikation vorbehalten. Zu den höchstpersönlich von ihm zu erbringenden Leistungen zählen Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung, Aufklärung und Beratung des Patienten sowie grundsätzlich alle invasiven Maßnahmen einschließlich operativer Eingriffe (siehe auch „Behalten Sie bei der Delegation von Aufgaben stets den Delegationsrahmen im Blick“, PPZ 08/2013, Seite 2).
An Mitarbeiter - also auch ZFA - delegiert werden dürfen grundsätzlich das Erstellen von Röntgenaufnahmen, das Herstellen von Situationsabdrücken und bestimmte Maßnahmen im Bereich der Kieferorthopädie wie etwa das Ausligieren von Bögen oder das Einligieren von Bögen im ausgeformten Zahnbogen.
Beachten Sie | Auch bei diesen Tätigkeiten muss der Zahnarzt die ZFA regelmäßig zumindest stichprobenartig überprüfen und überwachen. Der Zahnarzt muss in jedem Einzelfall eine detaillierte Anordnung treffen. Erforderlich ist weiterhin, dass die ZFA über die notwendige Qualifikation und Erfahrung verfügt, worüber sich der Zahnarzt Gewissheit verschaffen muss.
Organisations- und Übernahmeverschulden
Wenn der Zahnarzt der ZFA eine Leistung überträgt, die er nicht hätte delegieren dürfen, und hieraus ein Gesundheitsschaden beim Patienten entsteht, kommt eine Haftung sowohl des Zahnarztes als auch der ZFA in Betracht. Der Zahnarzt kann hier unter dem Gesichtspunkt des sogenannten Organisationsverschuldens haftbar gemacht werden.
Der ZFA könnte ein sogenanntes Übernahmeverschulden vorgeworfen werden. Das heißt: Alle im Gesundheitswesen tätigen Mitarbeiter, die Maßnahmen am Patienten durchführen, dürfen diese nur dann vornehmen, wenn sie fachlich dazu in der Lage sind. Übernimmt die ZFA eine Maßnahme und führt diese durch, obwohl sie dazu nicht befähigt ist, kann sie sich haftbar machen.
Dem Vorwurf des Übernahmeverschuldens kann die ZFA nicht entgegenhalten, dass sie „nur“ auf ausdrückliche Anweisung des Zahnarztes gehandelt habe. Die Anweisung des Zahnarztes bedeutet keinen Haftungsausschluss zugunsten der ZFA. Wenn der Zahnarzt ihr eine Aufgabe am Patienten übertragen möchte, muss die ZFA eigenverantwortlich prüfen, ob sie dazu auch in der Lage ist.
Informationspflicht der ZFA bei eigenen Erkrankungen
Insbesondere bei Bestehen einer eigenen Erkrankung oder Infektion hat die ZFA eine Hinweispflicht gegenüber dem Zahnarzt. Wenn in diesem Fall auch nur die Gefahr besteht, dass die ZFA ein Ansteckungsrisiko für Patienten darstellen könnte, muss sie hierauf explizit hinweisen. Unterlässt sie dies, kann dies zu einem Haftungsfall führen, wie das folgende Beispiel einer MFA zeigt.
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Mit Urteil vom 20. März 2007 (Az. VI ZR 158/06, Abruf-Nr. 071507) entschied der Bundesgerichtshof (BGH) über einen Fall, in dem es bei einer Patientin zu einem Spritzenabszess nach Behandlung in einer orthopädischen Gemeinschaftspraxis gekommen war. Der Spritzenabszess beruhte auf einer Staphylokokkeninfektion. Als Ausgangsträgerin der Keime konnte die in der Praxis angestellte MFA ausgemacht werden, die seinerzeit an Heuschnupfen litt und bei der Verabreichung der Spritzen assistiert hatte.
Der BGH bejahte in seinem Urteil eine Haftung des Arztes wegen Hygienemängeln. Denkbar wäre im dortigen Fall aber auch ein Haftungsanspruch gegen die MFA direkt gewesen. Da diese nicht verklagt worden war, hatte der BGH hierüber nicht zu entscheiden. Wenn jedoch die MFA von ihrer Infektion gewusst und dies gegenüber dem Arzt als ihrem Arbeitgeber verschwiegen hätte, könnte ein Regressanspruch des Arztes gegenüber der MFA in Betracht kommen. |
Meist werden die Zahnarzthaftungsklagen von Patientenseite gegen die Inhaber der Zahnarztpraxen und nicht direkt gegen die ZFA gerichtet. Allerdings ist - wie diese Ausführungen zeigen - auch für die ZFA Vorsicht geboten. Haftungsansprüche direkt ihr gegenüber können durchaus in Betracht kommen.
Risikofaktor Nicht-Kommunikation
Haftungsträchtig ist insbesondere die Schnittstelle der Kommunikation zwischen Zahnarzt und ZFA in der Praxis. Wenn hier Fehler oder Ungenauigkeiten passieren, kann es etwa zur Verwechslung von Spritzen oder Medikamenten kommen. Um dem vorzubeugen, ist eine offene Kommunikation zwischen Zahnarzt und ZFA zu empfehlen.
PRAXISHINWEIS | Im Zweifel gilt: Lieber einmal mehr nachfragen, um einen Haftungsfall zu vermeiden. Wenn Sie sich als ZFA bestimmte Ihnen übertragene Aufgaben nicht zutrauen, sollten Sie dies gegenüber dem Zahnarzt als Ihrem Arbeitgeber deutlich und offen ansprechen. |