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  • · Fachbeitrag · Besonderheiten der Unternehmensbewertung

    Praxistipps für die Unternehmensbewertung von IT-Unternehmen

    von Andreas Barthel, connexxa Services Europe Ltd., Frankfurt am Main

    | Gerade für mittelständische IT-Unternehmer sind Steuerberater die erste Adresse, wenn sie sich mit der Nachfolgethematik und/oder dem Unternehmenszu- oder -verkauf auseinandersetzen. |

    1. Anlässe für die Bewertung von IT-Unternehmen

    Es gibt ganz unterschiedliche Anlässe für eine Bewertung des IT-Unternehmens. Dazu zählen beispielsweise:

     

    • Kauf- oder Verkauf von Unternehmen, Betriebsstätten, Geschäftsbereichen, Produktgruppen, Marken oder Anteilen an Unternehmen
    • Fusionen oder Entflechtungen von Unternehmen
    • Kapitalbeteiligungen von Arbeitnehmern
    • Eintritt eines neuen Gesellschafters in ein bestehendes Unternehmen
    • Ausscheiden eines Gesellschafters aus dem Unternehmen
    • Ergänzende Information für Banken im Rahmen von Kreditwürdigkeits- Prüfungen
    • Unternehmer-Nachfolge

     

    IT-Unternehmer haben oft die Einschätzung, dass der Erfolg ihres IT-Unternehmens überein geht mit dem Unternehmenswert ‒ dies ist aber nicht zwangsläufig der Fall.

    2. Fehlende Assets erschweren die Bewertung

    Die Bewertung von IT-Unternehmen war für Steuerberater und Unternehmensberater seit jeher ein problematisches Unterfangen. Anders als in anderen Branchen haben IT-Unternehmen in der Regel keine Assets. In anderen Branchen bewährte Bewertungsverfahren wie das Ertragswertverfahren und DCF scheitern, möchte man sie auf IT-Unternehmen anwenden.

     

    Während es für Handwerker, Steuerberater, Ärzte etc. oft Faustregeln der Unternehmensbewertung gibt, fehlen diese für die IT-Branche. Dies liegt daran, dass die IT-Branche sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle kennt und die Märkte sehr vielfältig sind. Man kann IT-Unternehmen in folgende differente Gruppen einteilen:

     

    • Branchensoftwareunternehmen (Client-Server-Lösungen; Hybridanbieter, Cloudlösung)
    • Softwareunternehmen, die „Funktionssoftware“ erstellen, z. B. CRM, Archivierung etc.
    • Technische Software für Geräte, Maschinen oder zur IT-Steuerung
    • Systemhäuser (Hardware, „Fremd“-Software, Managed Services, Cloud Dienstleistungen, etc.)
    • CAD Software für die unterschiedlichsten Branchen
    • Individualentwicklungssoftware Hersteller/Projektunternehmen
    • Rechenzentren
    • Sonstiges

     

    Die dargestellten Gruppen haben sehr unterschiedliche Wertschöpfungsmodelle und Möglichkeiten. Branchensoftwareunternehmen z. B. profitieren in ihrer Wertschöpfungskette von Lizenzverkauf, laufenden Wartungseinnahmen, ggf. Consulting, ggf. Schulungen. Projektunternehmen partizipieren meist nur während der Laufzeit der Projekte von Einnahmen. Endet das Projekt, ist es notwendig, entweder ein Folgeprojekt bei Kunden oder bei Neukunden zu akquirieren, was bedingt, dass das Unternehmen einen funktionierenden Vertrieb/Marketing besitzt.

    2. Tipps zu Einzelaspekten

    Im Folgenden erhalten Sie einige Tipps zu Einzelaspekten, die bei der Unternehmensbewertung eine große Rolle spielen können.

     

    2.1 Tipp 1 ‒ Dauerhafte Einnahmen

    Analysieren Sie die Umsätze des IT-Mandanten. Wartungseinnahmen oder dauerhafte Einnahmen sind ein „Umsatzgarant“, wenn die Kündigungsquote niedrig ist. Steuerberater könnten ihren IT-Mandanten helfen, wenn sie nach diesen Kriterien die Umsatzerlöse auf getrennten Konten verbuchen und so die Analyse erleichtern.

     

    2.2 Tipp 2 ‒ Wertschöpfungsmodelle

    Man kann man i. d. R. nicht von dauerhaften Einnahmen ausgehen, je mehr die Wertschöpfung über Projekt-, Dienstleistungs- oder Werkverträge erzielt wird. Derartige Unternehmen sind von der Konjunktur stärker abhängig als z. B. Branchensoftwareunternehmen. Dies schlägt sich auch in einer niedrigeren Bewertung nieder.

     

    2.3 Tipp 3: Kundenabhängigkeit

    Ermitteln Sie die Kundenabhängigkeit ‒ über 20 % Anteil am Gesamtumsatz von einem Kunden ist ungesund, es besteht ein erhöhtes Ausfallrisiko. Dieser Faktor schlägt sich im Kaufpreis mindernd nieder. Je größer Kunden sind, umso schwerer fällt diesen ein Systemwechsel ‒ je nach Nutzungsgrad der Applikation besteht eine geringe oder hohe Wechselmöglichkeit zu einem Wettbewerber. Dieser Punkt könnte sich kaufpreissteigernd auswirken.

     

    2.4 Tipp 4: Technologie ‒ Bezahlmodelle

    Prüfung der verwendeten Technologie ‒ ist sie „state of the art“ oder nicht mehr? Generell kann man sagen, dass der Wechsel in die Cloud einer Neuprogrammierung der gesamten Applikation gleichkommt, mit erheblichen technischen Risiken. Dies könnte sich negativ auf den Kaufpreis auswirken.

     

    Weiterhin ändern sich zunehmend die Bezahlmodelle. Dies bedeutet, dass in Zukunft die Lizenzeinnahmen komplett entfallen und dafür nur noch die Nutzung der Applikation Kunden in Rechnung gestellt wird. Üblich sind heute ca. 25 % p. a. vom ehemaligen Listenkaufpreis.

     

    Die Veränderung der Bezahlmodelle führt in den ersten Jahren der Einführung zu erheblichen Umsatzeinbußen ‒ je nach Umstellungsgrad. Dieser Fakt ist in der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen.

     

    2.5 Tipp 5: Unternehmensgröße

    IT-Unternehmen unter ca. 5 Mio. EUR Umsatz sind in einer sogenannten kritischen Unternehmensgröße. Dies ist deshalb der Fall, weil aufgrund der Unternehmensgröße nicht alle Funktionen mit einem verantwortlichen Mitarbeiter besetzt werden können. Meist sind die Prozesse in dieser Unternehmensgröße nicht gut oder gar nicht beschrieben.

     

    Der Umsatz eines IT-Unternehmens sollte mindestens der Anzahl Köpfe (ganztag) × 100 TEUR Umsatz entsprechen (120 TEUR sollte der „Normalfall“ sein). Bei Systemhäusern liegt der Kopf-Umsatz wesentlich höher und wird durch die Fremdleistungen und Produkte „erhöht“.

     

    2.6 Tipp 6 ‒ Unternehmensbewertung

    Bei IT-Unternehmen wird meist zur Bewertung das Multiples-Verfahren benutzt. Hierzu gibt es Referenzwerte von der Zeitschrift Finance, die sich aber auf Unternehmen > 50 Mio. EUR Umsatz beziehen. Der Wert liegt aktuell zwischen 6,8 ‒ 10. Als Multiplikationswert wird das bereinigte EBITA genommen. Die Umsatzmultiples werden meist nicht in der Praxis angewandt.

     

    Bei mittelständischen IT-Unternehmen < 5 Mio. EUR Umsatz geht man zurzeit von einem Multiplikationswert vom ca. 3- bis 6-fachen EBITA aus. Systemhäuser liegen eher am unteren Ende, Branchensoftwareunternehmen eher am oberen Ende der Skala.

     

    In die Bewertung von IT-Unternehmen sollten unbedingt die „inneren“ Werte und das Marktumfeld einfließen, bevor man eine Bewertung dem Mandanten gegenüber äußert.

     

    Zum Autor | Andreas Barthel ist vom Bundesfachverband der IT-Sachverständigen und -Gutachter e.V. ernannter zertifizierter Sachverständiger für die Fachbereiche: Unternehmensbewertung von IT-Unternehmen und Zu- und Verkauf und Nachfolgeplanung. Er leitet die Fachgruppe M&A beim Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi). Der Autor unterstützt Unternehmenszu- und -verkäufe im IT-Sektor im Rahmen seines Beratungsunternehmens: connexxa Services Europe Ltd. www.connexxa.de

    Quelle: ID 46306418