· Fachbeitrag · Erbrecht
Geschwisterabfindung in Verbindung mit der Unternehmensnachfolge
von StB Thomas Breit, Hamburg, www.steuerberatung-breit.de
| PU stellt die steuerrechtlichen Auswirkungen eines Erbfalls dar, in dem das Nachlassvermögen real geteilt wird, ein Geschwister jedoch wertmäßig mehr erhält als ihm nach seiner Erbquote zusteht und dafür einen Spitzen- oder Wertausgleich (Abfindung) bezahlt. Steuerlich handelt es sich um ein Verkaufs- und Anschaffungsgeschäft. In Höhe der Abfindungszahlung liegen Anschaffungskosten vor (BMF 14.3.06, IV B 2 ‒ S 2242 ‒ 7/06, Rz. 14, BStBl I 06, 253, Abruf-Nr. 061242 ). |
1. Abfindung als Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang
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Die Ausführungen in diesem Beitrag gelten für Erbfälle nach dem BGB und gleichermaßen für die Anwendung von Landesrechten (z. B. Art. 64 EGBGB „Höferecht“). Entscheidend ist nicht die Frage, ob das BGB oder Landesrecht für den Erbfall einschlägig ist, sondern welche gesetzliche Erbquote ein Miterbe erhält, ob er im Rahmen der Realteilung wertmäßig mehr als seine Erbquote bekommt und ob er für dieses „Mehr“ eine Abfindung an die anderen Miterben bezahlt (Art. 3 GG). |
Es geht also um eine Erbengemeinschaft (laut Sichtweise im Steuerrecht, s. Ausführungen unter 2.) von Geschwistern, in der ein Unternehmensvermögen (Einzelunternehmen, Kapitalgesellschaft oder Personen[handels]gesellschaft) enthalten ist und bei der ein Miterbe durch Zuweisung des Unternehmensvermögens wertmäßig mehr als seine Erbquote erhält, der Wert der übrigen Nachlassgegenstände nicht für einen wertmäßigen Ausgleich des anderen Miterben ausreicht und dieser deshalb eine Abfindung erhält.
Der verkaufende Erbe wird wertmäßig für den Übergang des Besitzes an der Sache (§ 929 BGB) auf seine Geschwister abgefunden. Einer Auseinandersetzung liegt auch dann ein schuldrechtlicher Vorgang zugrunde, wenn die Abfindung eine Verteilung des Nachlasses durch eine Teilungsanordnung ist (s. 3.).
MERKE | Bei der Teilung im Rahmen einer Erbauseinandersetzung bezieht sich das Entgelt nicht auf das, was ein Miterbe aufgrund seiner Erbquote erhält, sondern auf das „Mehr“, das er aufgrund eines neben der Teilung bestehenden besonderen entgeltlichen Rechtsgeschäfts bekommt. Diesem „Mehr“ müssen die regulären rechtlichen Grundsätze über einen Kauf zugrunde liegen (§ 433 BGB ‒ Verkauf/Kauf). Das bedeutet: Der Miterbe muss (anteiliger) Besitzer der Sache geworden sein (§§ 1922, 1937, 2032 BGB), der andere Erbe muss nach Übergang der Sache mehr Anteile an dem Nachlassgegenstand haben als er durch seine Erbquote anteilig gehabt hätte und der Wertausgleich konnte nicht durch eine wie auch immer geartete Realteilung der Nachlassgegenstände ohne weitere Abfindung ausgeglichen werden (s. Beispiel 1). |
Liegt ein Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäft vor, ist der Veräußerungsgewinn nur steuerpflichtig, wenn die Voraussetzungen insbesondere der §§ 16, 17 und 23 EStG oder des § 21 UmwStG vorliegen.
Beachten Sie | Laut BMF vom 14.3.06, (IV B 2 ‒ S 2242 ‒ 7/06, Tz. 27), ist § 16 EStG nicht mit aufgeführt. Er wurde hier jedoch bewusst genannt, um zu zeigen, dass eine Geschwisterabfindung durch eine Realteilung zwar grundsätzlich nicht zu einem Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG führen muss (vgl. Beispiel 1), jedoch nach den allgemeinen Vorschriften des EStG führen kann. Das gilt nämlich dann, wenn die Abfindungszahlung für einen ganzen Mitunternehmeranteil nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gezahlt oder entnommen wird.
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A und B sind Miterben zu je 1/2. Zum Nachlass gehört ein Betriebsvermögen, das lediglich aus zwei Grundstücken besteht. Grundstück 1 hat einen Buchwert von 300.000 EUR und einen Verkehrswert von 3 Mio. EUR. Grundstück 2 hat einen Buchwert von 200.000 EUR und einen Verkehrswert von 2 Mio. EUR. A erhält das Grundstück 1 und B das Grundstück 2 und eine Abfindung von A i. H. v. 500.000 EUR. A führt den Betrieb mit Grundstück 1 fort.
Die Abfindung stellt bei A Anschaffungskosten und bei B Veräußerungserlös dar. A erwirbt 5/6 seines Betriebsvermögens unentgeltlich und führt insoweit den Buchwert (= 250.000 EUR) fort. Der Buchwert ist zusätzlich um die Abfindungszahlung i. H. v. 500.000 EUR zu erhöhen. Nach Erbauseinandersetzung beträgt der Buchwert 750.000 EUR.
B hat einen Veräußerungspreis von 500.000 EUR (= 1/4 von 2 Mio. EUR) erzielt, der Buchwert für den entgeltlichen Teil beträgt 50.000 EUR (1/4 von 200.000 EUR). Der Veräußerungsgewinn i. H. v. 450.000 EUR ist ein laufender Gewinn, da nicht der gesamte Anteil eines Mitunternehmers veräußert oder aufgegeben wurde (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Der Veräußerungsgewinn ist auch gewerbesteuerpflichtig (§§ 2 Abs. 1 S. 2, 7 S. 1 GewStG). Grunderwerbsteuer fällt nicht an (Befreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG, „Teilung des Nachlasses“). Umsatzsteuerlich liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG, „im Ganzen entgeltlich/unentgeltlich übereignet“) vor und B übernimmt nach § 15a Abs. 1 und 5 UStG die maßgeblichen Berichtigungszeiträume (§ 15a Abs. 10 UStG). |
Bei einer reinen Umverteilung des Nachlassvermögens innerhalb der Erbengemeinschaft liegt hingegen kein Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang vor. Eine Auseinandersetzung im Rahmen einer Realteilung ohne Abfindung ist allein nach dem ErbStG zu beurteilen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 10 ErbStG). Dazu zählen auch Vorausvermächtnisse nach § 2150 BGB.
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2 ‒ Neue Schuldenverteilung (BMF 14.3.06, dort Beispiel 7): A und B sind Erben zu je 1/2. Zum Nachlass gehört ein Grundstück (Wert: 2 Mio. EUR), das mit einer noch voll valutierten Hypothek von 1 Mio. EUR belastet ist. Zum Nachlass gehören außerdem Wertpapiere (Wert: 3 Mio. EUR). Die Erben setzen sich dahin gehend auseinander, dass A das Grundstück und B die Wertpapiere erhält. B übernimmt außerdem die Verbindlichkeit in voller Höhe. |
Es liegt eine Teilung ohne Abfindungszahlung, also ein unentgeltlicher Rechtsvorgang vor. A erhält einen Wert von 2 Mio. EUR (Grundstück). B erhält ebenfalls einen Wert von 2 Mio. EUR (Wertpapiere im Wert von 3 Mio. EUR abzüglich einer übernommenen Verpflichtung von 1 Mio. EUR).
3 ‒ Behandlung liquider Mittel des Nachlasses (BMF 14.3.06, dort Beispiel 14): Ein Nachlass besteht aus einem Grundstück (Verkehrswert: 2 Mio. EUR) und aus Bankguthaben (Verkehrswert: 2 Mio. EUR). Miterben sind A und B zu je 1/2. A erhält das Grundstück und das Bankguthaben und zahlt an B eine Abfindung von 2 Mio. EUR.
Es ist steuerlich davon auszugehen, dass der Nachlass im Wege der Naturalteilung verteilt wurde, bei der A das Grundstück und B das Bankguthaben erhalten hat. A hat deshalb keine Anschaffungskosten. |
Beachten Sie | Die bloße Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände innerhalb der Erbquote und/oder Vermächtnisse ist Erbschaft, egal wem sie zugewiesen werden. Die Zuweisung, die wegen eines Übermaßes abgefunden werden muss, ist ein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft. Der Veräußerungsgewinn ist nur steuerpflichtig, wenn die Voraussetzungen insbesondere der §§ 16, 17 und 23 EStG oder des § 21 UmwStG vorliegen. Daneben sind ggf. die unwillkürlichen Reaktionen nach dem ErbStG, GrEStG und UStG zu beachten.
PRAXISTIPP | Pflichtteile, Pflichtteilsergänzungsansprüche, Vorausvermächtnisse: Die Zahlung von Pflichtteilen oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen ist kein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft. Zwar ist der Pflichtteil ein schuldrechtlicher Anspruch, der Zahlung eines Pflichtteils liegt aber kein Kaufvertrag i. S. d. § 433 BGB und auch kein Übergang von Besitz (§ 929 BGB) zugrunde. Es handelt sich um eine bloße Entschädigung, die dann zu zahlen ist, wenn der Anspruch eingefordert wird (§§ 2303 ff. BGB). Ebenso kann ein Vorausvermächtnis zu keiner einkommensteuerpflichtigen Abfindung führen, da der Erblasser einem der Erben einen zusätzlichen Vermögensvorteil zuwenden möchte, der den anderen Erben gegenüber nicht auszugleichen ist (s. 3). |
2. Keine rechtliche Einheit: Erbfall und Erbauseinandersetzung
Im Steuerrecht werden der Erbfall und die Erbauseinandersetzung weder für den Bereich des Betriebs- noch für den des Privatvermögens als rechtliche Einheit gesehen (BMF 14.3.06, IV B 2 ‒ S 2242 ‒ 7/06, Rz. 2, BStBl I 06, 253). Das Gegenteil ist der Fall: Die Auseinandersetzung ist ein Vorgang, der stattfindet, nachdem den Erben das Nachlassvermögen zugefallen ist und in einer Erbengemeinschaft gehalten wird (§ 1922 BGB).
Im Steuerrecht wird der Erbfall so gesehen, dass das Vermögen mit dem Tod des Erblassers im Ganzen auf die Erben übergeht und bei ihnen gemeinschaftliches Vermögen wird (§§ 1922, 1937, 2032 BGB). Die Miterben verwalten den Nachlass gemeinsam und können über Nachlassgegenstände nur gemeinschaftlich verfügen. Die Erbengemeinschaft kann unbegrenzt bestehen bleiben. Das Ergebnis ihrer Betätigung wird Bestandteil des gemeinschaftlichen Vermögens. Hieraus ergeben sich Folgerungen für das Entstehen und die Zurechnung von steuerlichen Einkünften bei den Miterben (BMF 14.3.06, IV B 2 ‒ S 2242 ‒ 7/06, Rz. 2, BStBl I 06, 253).
Ein Miterbe kann seinen Anteil am Nachlass (seinen Erbteil) an einen anderen Miterben oder an einen Dritten verschenken oder verkaufen (§ 2033 Abs. 1 BGB). Wird ein Erbteil verschenkt, entstehen weder Anschaffungskosten noch Veräußerungserlöse. Wird ein Erbteil verkauft, hat der Käufer dagegen Anschaffungskosten und der Verkäufer einen Veräußerungserlös. Die Ausschlagung der Erbschaft gegen eine Abfindung steht der entgeltlichen Veräußerung des Erbteils gleich (vgl. BFH 20.4.04, BStBl II 04, 987).
Der Nachlass bleibt so lange in der Erbengemeinschaft, bis sich über das Vermögen vollständig auseinandergesetzt wurde. Die Erbengemeinschaft wird bis zu ihrer Auseinandersetzung (§ 2042 BGB)
- steuerlich bei den Überschusseinkünften wie eine Bruchteilsgemeinschaft (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) und
- bei den Gewinneinkünften als Mitunternehmerschaft behandelt
(BMF 14.3.06, IV B 2 ‒ S 2242 ‒ 7/06, Rz. 1, BStBl I 06, 253).
3. Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis
Durch eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) wird lediglich die Art und Weise der Erbauseinandersetzung durch den Erblasser festgelegt. Deshalb gehen auch bei der Teilungsanordnung zunächst alle Nachlassgegenstände auf die Erbengemeinschaft und nicht einzelne Nachlassgegenstände unmittelbar auf denjenigen Miterben über, der sie aufgrund der Teilungsanordnung erhalten soll. Verhalten sich die Miterben jedoch bereits vor der Auseinandersetzung entsprechend der Teilungsanordnung, ist dies auch steuerrechtlich anzuerkennen, solange die tatsächliche Auseinandersetzung innerhalb einer sich an den Umständen des Einzelfalls orientierten Frist vorgenommen wird. Dies gilt auch bei Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Setzen sich die Erben einverständlich über die Teilungsanordnung hinweg, ist für die steuerliche Beurteilung die tatsächliche Auseinandersetzung maßgeblich. Solange die Teilungsanordnung von den Erben vor der Auseinandersetzung beachtet wird, sind die Veranlagungen vorläufig nach § 165 Abs. 1 S. 1 AO durchzuführen (BMF 14.3.06, IV B 2 ‒ S 2242 ‒ 7/06, Rz. 67, BStBl I 06, 253).
Die Teilungsanordnung erschöpft sich in der Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände innerhalb des Rahmens des Erbteils, während das Vorausvermächtnis in der Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände außerhalb des Erbteils, d. h. über den Erbteil hinaus, besteht. Mit dem Vorausvermächtnis will der Erblasser einem der Erben einen zusätzlichen Vermögensvorteil zuwenden. Bei der Teilungsanordnung fehlt ein derartiger Begünstigungswille, sie beschränkt sich auf die Verteilung der Nachlassgegenstände bei der Erbauseinandersetzung. Bei der Abgrenzung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis kommt es nicht auf die formale Bezeichnung, sondern auf das tatsächlich Gewollte an (BMF 14.3.06, IV B 2 ‒ S 2242 ‒ 7/06, Rz. 68, BStBl I 06, 253).