· Fachbeitrag · Familienrecht
Unternehmensnachfolge mittels Adoption: Sinnvolle Gestaltung oder kontraproduktiv?
von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR/FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung (bundesweit), PricewaterhouseCoopers GmbH, Kassel
| Zunehmend häufiger wird eine Nachfolgeplanung diskutiert, bei der ein (volljähriger) Familienfremder von dem Unternehmer, der seine Nachfolge regeln möchte, adoptiert wird. Für wen kommt dies sinnvoll in Betracht? |
1. Adoptionen in der Unternehmensnachfolge
Besonders in Japan ist die Adoption eine beliebte Methode zur Regelung der Firmennachfolge. So haben u. a. Familienunternehmen wie Canon, Panasonic und Suzuki Motors zum Mittel der Adoption gegriffen, um einen geeigneten Erben zu finden. Tatsächlich belegt eine Untersuchung, dass die durch Adoption geschaffene Möglichkeit, die Nachfolge außerhalb der Familie zu regeln und dennoch ein Familienbetrieb zu bleiben, in Japan zu nachhaltig besseren betriebswirtschaftlichen Ergebnissen führte. Auch eine Auswertung von Daten börsennotierter japanischer Firmen der letzten 40 Jahre zeigt, dass in Japan „ererbte Kontrolle die Performance von Unternehmen verbessert“. Regelmäßig übertreffen insbesondere Betriebe mit adoptierten Nachfolgern ähnlich professionell geführte Betriebe.
Diese in Japan gängige Praxis in der Regelung der Unternehmensnachfolge ist weltweit jedoch seltener zu finden. Nur in Einzelfällen wird hier auf eine Adoption zurückgegriffen. Besonders im Westen gilt noch immer die These des US-Industriellen Andrew Carnegie, dass ererbtes Vermögen Talenten und Energie den Garaus mache (vgl. „Nachfolgelösung Adoption“, wir Magazin: www.iww.de/s8018). Schlagzeilen machte ein Fall in Deutschland: Der Kaffeeunternehmer Albert Darboven wollte durch Adoption des 54-jährigen Andreas Jacobs die familiäre Nachfolge seines Unternehmens sichern. In seinem Fall jedoch verhinderte das zuständige Gericht das Vorhaben. Trotzdem wird die Adoption eines Volljährigen von einigen Beratern als ein probates Mittel gesehen, wenn eine familienexterne Person als (weiterer bzw. geeigneter) Erbe in Betracht kommt oder wenn im Fall der Unternehmernachfolge in der Familie kein geeigneter Kandidat zur Verfügung steht.
2. Steuerliche Auswirkungen durch Adoption
Die mögliche Steuerauswirkung durch eine Adoption soll anhand eines kurzen Beispiels verdeutlicht werden:
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Bei einem steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 5 Mio. EUR würde die Erbschaftsteuer bei einem fremden Dritten (Steuerklasse III, Steuersatz 30 %, Freibetrag 20.000 EUR) 1.494.000 EUR betragen. Im Falle einer erfolgreichen Adoption (Steuerklasse I, Steuersatz 19 %, Freibetrag 400.000 EUR) wären es hingegen nur 874.000 EUR). |
3. Voraussetzungen für die Adoption eines Erwachsenen
Das OLG Schleswig (1.8.19, 8 UF 102/19, Abruf-Nr. 217569) bestätigt die Möglichkeit der Adoption u. a. zum Zweck der Nachfolgegestaltung.
3.1 Sittliche Rechtfertigung der Annahme des volljährigen Nachfolgers
Ein Volljähriger kann gemäß § 1767 Abs. 1 BGB als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist. Das ist der Fall, wenn eine so starke innere Verbundenheit vorhanden ist, dass diese die Verfestigung zu einer rechtlichen Wahlverwandtschaft rechtfertigt. Erforderlich sind länger bestehende Gemeinsamkeiten, familiäre Bindungen und innere Zuwendung, wie sie zwischen Eltern und erwachsenen Kindern typischerweise vorliegen, also insbesondere ein enger persönlicher Kontakt und die Bereitschaft zu dauerhaftem gegenseitigem Beistand, ggf. in Verbindung mit wirtschaftlicher Hilfe. Das familienbezogene Motiv muss der entscheidende Anlass für die Adoption sein. Nebenzwecke schaden nicht, solange der familienbezogene Zweck überwiegt. Ein familienbezogenes Motiv kann der Wunsch des Annehmenden sein, einen Erben zur Fortführung seines Lebenswerks oder eine Betreuung und Unterstützung im Alter zu haben. Nicht ausreichend ist dagegen etwa eine beabsichtigte Steuerersparnis als Hauptzweck.
3.2 Eltern-Kind-Verhältnis
Das Gericht sah, ausgehend von diesen Maßstäben, die Annahme des Adoptivsohns durch den Unternehmer als sittlich gerechtfertigt an, da ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden sei. Es bestünden Gemeinsamkeiten, familiäre Bindungen und eine innere Zuwendung. Das ergebe sich aus den folgenden Umständen.
3.2.1 Vielfache persönliche private Kontakte
Der Unternehmer und sein Adoptivsohn hätten seit langer Zeit vielfache persönliche private Kontakte sowohl im Alltag als auch auf zahlreichen Urlaubsreisen und Familienfeiern gehabt. Verschiedene gemeinsame „Segeltörns“ nach Skandinavien auch noch zusammen mit der seit einigen Jahren an Demenz erkrankten Lebensgefährtin des Unternehmers über lange Zeit hinweg seien belegt worden. Bei diesen persönlichen Kontakten und Urlaubsreisen sei die Ehefrau des Adoptivsohns ‒ die ihre Einwilligung in die Adoption gegeben hatte ‒ vielfach dabei gewesen, was ohne familiäre Verbundenheit und bloß geschäftlichen Kontakten so nicht der Fall gewesen wäre. Die Kinder des Adoptivsohns und seiner Ehefrau hätten spätestens seit dem Jahr 2012 Kontakt zu dem Unternehmer gehabt. So habe der Sohn des Adoptivsohns und seiner Ehefrau bei seiner persönlichen Anhörung erklärt, dass er den Unternehmer nett fände und sie viel mit ihm unternähmen. Durch die Annahme bekäme er „einen Opa dazu“. Die Tochter habe bei ihrer persönlichen Anhörung berichtet, dass sie als Familie viel mit dem Unternehmer unternähmen, etwa verschiedene Segeltörns und Urlaubsreisen nach Schweden. Die Annahme sei für sie „nicht schlimm“, sie bekäme „einen Opa dazu“. Dem entspräche die Erklärung des Unternehmers, sein Adoptivsohn könne auch sein leiblicher Sohn sein.
3.2.2 General- und Vorsorgevollmacht sowie Patientenverfügung
Der Unternehmer habe seinem Adoptivsohn eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt und seine Patientenverfügung gegeben. Diese Vollmacht sollte vermeiden, dass für den Unternehmer eine Betreuung angeordnet werde. Damit habe der Unternehmer ein umfassendes persönliches Vertrauen zu dem Adoptivsohn zum Ausdruck gebracht, wie es sonst typischerweise zwischen Eltern und leiblichen Kindern bestehe. Der Unternehmer habe dem Adoptivsohn insbesondere auch eine Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten erteilt, wonach dieser ihn bei der Einwilligung oder Nichteinwilligung von Heilbehandlungen vertreten könne, und dies auch dann, wenn die Gefahr des Versterbens aufgrund einer Maßnahme bestünde. Dieses umfassende Vertrauen habe der Adoptivsohn durch den vielfachen privaten Umgang und durch seine Tätigkeit als Geschäftsführer im Unternehmen des Annehmenden über den langen Zeitraum von zwölf Jahren erworben. Über eine rein oder vorrangig geschäftliche Beziehung ginge das Verhältnis des Unternehmers zu seinem Adoptivsohn damit weit hinaus.
3.2.3 Beistand und Rücksicht in schwierigen Lebenssituationen
Der Adoptivsohn habe dem Unternehmer in besonderem Maße Beistand und Rücksicht zukommen lassen. Das gelte namentlich für die Unterstützung des Unternehmers bei der Bewältigung der Folgen eines erlittenen Herzinfarkts und eines Unfalls in Schweden, der für den Adoptivsohn Anlass zu einer sofortigen Anreise gewesen sei. Hervorzuheben sei weiter die außergewöhnliche Unterstützung des Unternehmers durch seinen Adoptivsohn nach der Alzheimererkrankung der Lebensgefährtin des Unternehmers (Auswahl des Pflegeheims, Einrichtung und Ausstattung des Zimmers, häufige Begleitung bei Besuchen auch zusammen mit der Ehefrau des Adoptivsohns, Ausflüge und Restaurantbesuche).
3.2.4 Unternehmensnachfolge lässt sittliche Rechtfertigung unberührt
Der Unternehmer verfolge mit seinem Wunsch, einen Erben zur Fortführung seines unternehmerischen Lebenswerks zu haben, ein familienbezogenes Motiv. Ihm gehe es damit ‒ wie sonst häufig bei der Unternehmensnachfolge von leiblichen Kindern ‒ u. a. auch darum, „das selbst geschaffene oder ausgebaute Unternehmen dauerhaft zu erhalten und im Ruhestand oder nach dem Ableben in guten Händen zu wissen“. Jedenfalls im Zusammenhang mit den genannten weiteren persönlichen Gründen ist die Annahme des Adoptivsohns, der sich seit zwölf Jahren als Geschäftsführer des Unternehmens uneingeschränkt bewährt hätte und dem Unternehmer vielfach persönlich eng verbunden sei, auch unter diesem Aspekt sittlich gerechtfertigt. Die seit zwölf Jahren gewachsenen familiären Bindungen und die Zuwendung des Unternehmers und des Adoptivsohns zueinander gingen über die zusätzlich bestehende intensive unternehmerische Verbindung weit hinaus.
3.2.5 Verfolgte „Nebenzwecke“ unschädlich
Unter diesen Voraussetzungen sei es unschädlich, dass der Unternehmer und sein Adoptivsohn mit der Annahme möglicherweise Nebenzwecke wie etwa eine Steuerersparnis oder eine Verringerung des Pflichtteils des leiblichen Sohns des Unternehmers ‒ der gegen das Adoptionsvorhaben vorgegangen war ‒ erreichen wollten.
3.3 Altersunterschied von 50 Jahren ist irrelevant
Die Annahme des Adoptivsohns durch den Unternehmer sei ungeachtet des Altersunterschieds von 50 Jahren zwischen ihnen und ungeachtet des guten Verhältnisses des Adoptivsohns zu seinen leiblichen Eltern sittlich gerechtfertigt. Der Altersabstand zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden solle dem zwischen Eltern und leiblichen Kindern in etwa entsprechen. Das gelte sowohl für den mindestens erforderlichen Altersunterschied als auch für den höchstens zulässigen Altersabstand. Der Altersabstand des Unternehmers von fünfzig Jahren entspreche noch in etwa dem zwischen Eltern und leiblichen Kindern. Tatsächlich war und sei es nicht unüblich, dass Männer im Alter von 50 Jahren und älter Vater werden.
Eine eigene intakte Familie mit Kindern bzw. Eltern spreche zwar u. U. grundsätzlich gegen das Be- oder Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen Erwachsenen, da der in ihr Lebende im Zweifel zu Familienfremden kein zusätzliches Eltern-Kind-Verhältnis aufbauen werde. Es seien jedoch Ausnahmen möglich. Eine solche liege angesichts der besonders engen Verbundenheit zwischen dem Unternehmer und seinem Adoptivsohn vor. Im Übrigen bestimme § 1770 Abs. 2 BGB ausdrücklich, dass die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen und seiner Abkömmlinge zu ihren Verwandten durch die Annahme nicht berührt werden, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt. Anders als bei der Minderjährigenadoption (§ 1755 Abs. 1 S. 1 BGB) scheidet der angenommene Volljährige damit nicht aus seiner bisherigen Familie aus (bleibt also etwa gesetzlicher Erbe bzw. Pflichtteilsberechtigter beim Tod seiner bisherigen Eltern). Bei Annahme durch ein Ehepaar erhält der Angenommene somit neben den bisherigen Eltern ein zweites Elternpaar, seine Kinder erhalten ein drittes Großelternpaar. Davon ausgehend lasse sich nicht überzeugend begründen, weshalb ein gutes Verhältnis des Anzunehmenden zu seinen bisherigen Eltern der Annahme durch einen Dritten mit den Wirkungen des § 1770 BGB grundsätzlich entgegenstehen sollte.
3.4 Keine Verletzung der Interessen der Kinder
Die Voraussetzungen des Verbots der Annahme nach § 1769 BGB lägen ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift darf die Annahme eines Volljährigen nicht ausgesprochen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen. Bei der Annahme eines Volljährigen seien auch die vermögensrechtlichen Interessen der Beteiligten zu beachten, z. B. wenn die Annahme das Erbrecht oder sonstige Vermögensinteressen vorhandener Kinder unangemessen beeinträchtigt, wobei die Vorschrift den Kindern des Annehmenden nicht den wirtschaftlichen Status quo garantiere. Vermögensinteressen genössen grundsätzlich einen ebenso hohen Rang wie sonstige Belange der an dem Adoptionsverfahren Beteiligten. Dies führe allerdings nicht dazu, dass schon die Beeinträchtigung erbrechtlicher Ansprüche die Annahme ausschließe. Wäre es anders, würde das Erfordernis der Kinderlosigkeit im Bereich der Volljährigenadoption praktisch fortgelten. Daher müssten Umstände hinzutreten, die den jeweiligen Nachteil als schwerwiegend erscheinen lassen. Die widerstreitenden Interessen seien gegeneinander abzuwägen. Entgegenstehende Kindesinteressen führten damit auch dann, wenn sie erheblich sind, nicht notwendigerweise zur Ablehnung der Adoption; sie müssten nach dem Gesetz vielmehr „überwiegen“.
Die der Annahme entgegenstehenden erheblichen Interessen des leiblichen Sohns des Unternehmers überwiegen nicht die Interessen des Unternehmers und des Adoptivsohns an der Annahme. Der leibliche Sohn des Unternehmers sei 71 Jahre alt und finanziell unabhängig. Selbst wenn der Unternehmersohn nicht, wie er befürchte, Erbe nach dem Unternehmer werden sollte, bliebe sein in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils bestehender Pflichtteil (§ 2303 Abs. 1 BGB) angesichts des Vermögens des Unternehmers von beträchtlichem Wert. Das Interesse des wirtschaftlich nicht bedürftigen Unternehmersohns daran, eine Schmälerung seines Pflichtteils oder die befürchtete Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments seiner Eltern zu verhindern, überwiege deshalb nicht die bedeutenden Interessen des Unternehmers und des Adoptivsohns an der Annahme, insbesondere an der damit verbundenen angemessenen rechtlichen Gestaltung ihrer engen persönlichen Bindung und der Sicherung der Unternehmensnachfolge.
Beachten Sie | Das Gericht hielt es für „nicht entscheidend ins Gewicht fallend“, dass der leibliche Unternehmersohn nach dem Tod seiner Mutter keinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat. Denn nach dem gemeinschaftlichen Testament seiner Eltern wäre bei Durchsetzung eines Pflichtteils jede zu seinen Gunsten getroffene Verfügung unwirksam geworden.
Der leibliche Unternehmersohn bliebe ungeachtet der Annahme des Adoptivsohns und des langjährigen Abbruchs eines Kontakts der Sohn des Unternehmers. „Verstoßen“ werde der leibliche Sohn von dem Unternehmer durch die Annahme entgegen seiner Sicht damit nicht. Ausreichende Gründe dafür, gegenüber einer Annahme überwiegende Interessen des leiblichen Sohns anzunehmen, lägen bei den besonderen Umständen des Falls nicht vor.
4. Bewertung
Um eine familienfremde Person als Erben oder Unternehmensnachfolger zu berücksichtigen, bedarf es keineswegs zwangsläufig der Adoption. Mit Ausnahme der erbschaftsteuerrechtlichen Aspekte Freibetrag und Steuerklasse lässt sich ein vergleichbares Ergebnis auch mit anderen Mitteln ‒ z. B. einer Familienstiftung oder -gesellschaft, ggf. flankiert mit Dauertestamentsvollstreckung ‒ erreichen. Größere betriebliche Vermögen werden im Regelfall ohnehin nach den §§ 13a, 13b und 28a ErbStG privilegiert sein, sodass sich die Erbschaftsteuerlast signifikant reduzieren lässt.
Der entscheidende Nachteil einer Nachfolgeplanung mit Volljährigenadoption liegt darin, dass das Familiengericht die Volljährigenadoption zwar auf Antrag des Annehmenden und des Angenommenen gemäß § 1771 BGB aufheben kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Regelmäßig sind die Hürden hierfür aber sehr hoch. Entwickelt sich das Verhältnis zwischen dem seine Nachfolge regelnden Annehmenden und dem volljährigen Adoptivkind anders als erwartet, gibt es keine leichte Exit-Möglichkeit. Darüber sollte man sich im Klaren sein. Gerade der Sachverhalt des Gerichtsbeschlusses zeigt, dass sich eine Nachfolgeplanung mit Adoption nur für ganz bestimmte Konstellationen eignet.