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Geltendmachung Pflichtteilsanspruch nach Tod des Pflichtteilsverpflichteten
| Zu den nach § 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG i. V. m. § 10 Abs. 3 bis Abs. 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG u. a. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen (§§ 2303 ff. BGB). Erbschaftsteuerlich gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gem. § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist, die Geltendmachung des Pflichtteils fiktiv nachzuholen. Streitig war, ob die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG so weit reicht, dass der zivilrechtlich aufgrund Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war (BFH 5.2.20, II R 1/16). |
Sachverhalt
Der Kläger war Alleinerbe seiner Stiefmutter. Diese hatte zusammen mit dem Vater des Klägers ein notarielles gemeinschaftliches Testament, worin beide sich gegenseitig als Alleinerben und den Kläger zum Erben des Überlebenden einsetzten. Der Vater des Klägers verstarb im Oktober 2003, die Stiefmutter im Januar 2014. In seiner Erbschaftsteuererklärung gab der Kläger seinen eigenen Pflichtteilsanspruch gegen die Stiefmutter als Nachlassverbindlichkeit an. Das FA lehnte die Berücksichtigung mit der Begründung ab, der Pflichtteilsanspruch sei bereits verjährt. Die hiergegen erhobene Klage beim FG Schleswig-Holstein war erfolgreich.
Entscheidung
Der BFH hob die erstinstanzliche Entscheidung auf. Dem bloßen Entstehen des Anspruchs auf einen Pflichtteil mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB) komme erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu, und zwar weder bei dem Berechtigten noch bei dem Verpflichteten.
Versterbe der Pflichtteilsverpflichtete seinerseits, bevor der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) oder aus anderen Gründen, etwa aufgrund eines Erlassvertrags (§ 397 Abs. 1 BGB), erloschen sei, gehe die Verbindlichkeit gemäß §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB zivilrechtlich auf dessen Erben über, ohne dass es auf die vorherige Geltendmachung des Anspruchs ankomme.
Dieselben Grundsätze seien anwendbar, wenn ein Pflichtteilsberechtigter zugleich der Erbe des verstorbenen Pflichtteilsverpflichteten sei. Der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch sei in diesem Fall jedoch nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt gewesen sei.
Zwar hindert zivilrechtlich die Verjährung einer Forderung grundsätzlich nicht deren Geltendmachung, denn die Forderung ist nur dauerhaft mit der Einrede der Verjährung behaftet. Der Schuldner ist vielmehr berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Dies gilt jedoch nicht für den durch Konfusion erloschenen Pflichtteilsanspruch. § 10 Abs. 3 ErbStG lasse den Pflichtteilsanspruch für Zwecke der Erbschaftsteuer zwar (fiktiv) fortbestehen, begründe jedoch kein Recht des Pflichtteilsberechtigten, den Anspruch auch noch nach Eintritt der Verjährung fiktiv gegen sich selbst geltend zu machen.
Erläuterungen
Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören u. a. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen. Damit im Einklang gilt der originär beim Pflichtteilsberechtigten entstandene Pflichtteilsanspruch gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 3 ErbStG erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er geltend gemacht wird. Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG reicht nicht so weit, dass der zivilrechtlich aufgrund Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war. Dies wäre auch überraschend gewesen. Der BFH hat durch das Urteil vom 5.2.20 bestätigt, obwohl die Fiktion auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten umfasst, die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs als Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten nachzuholen.