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  • · Fachbeitrag · Steuerrecht

    Haftung von Erben für Steuern

    von Rechtsassessor Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof

    | Das FG Münster hatte darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Erbe die Beschränkung der von der Finanzbehörde betriebenen Zwangsvollstreckung gegen ihn auf den Nachlass gem. § 45 Abs. 2 AO i. V. m. § 1975 BGB verlangen kann (FG Münster 24.9.19, 12 K 2262/16, Rev. BFH VII R 42/19). |

    1. Ausgangsfall

    Der Kläger erbte unter anderem vom Erblasser eine pathologische Praxis. Dabei verfügt der Kläger über keine Zulassung als Arzt und besitzt auch keine entsprechende Berufsausbildung. Der Nachlass war mit einem Vermächtnis zugunsten der Nichte des Klägers belastet. Vorübergehend wurde die Praxis von einem Arzt kommissarisch weitergeführt. Schließlich veräußerte der Kläger diese dann an die M-GmbH, wobei er einen Veräußerungsgewinn erzielte. Nach den im maßgebenden Zeitraum geltenden einschlägigen berufsrechtlichen Vorschriften durfte die Praxis maximal zwölf Monate (§ 20 Abs. 2 Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe) kommissarisch geführt werden, wobei bei kassenärztlicher Tätigkeit sogar eine Beschränkung auf sechs Monate gegeben war.

     

    Wegen der sich aus der Veräußerung der Praxis ergebenden Einkommensteuerschuld betrieb das Finanzamt die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger, obgleich inzwischen das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet worden war.

     

    Der Kläger beantragte ohne Erfolg beim Finanzamt, die Zwangsvollstreckung nach § 258 AO einzustellen, wobei er dies insbesondere damit begründete, dass die Veräußerung der Praxis durch den Erbfall angelegt sei, sodass keine Eigenschuld von ihm vorliege, sondern eine Nachlassverbindlichkeit (vgl. BFH 11.8.98, VII R 118/95, BStBl II 98, 705) und er zudem die für die Erfüllung des Vermächtnisses erforderlichen Mittel habe aufbringen müssen, sodass eine Beschränkung auf den Nachlass greife.

    2. Entscheidung des FG Münster

    Der Kläger kann der Zwangsvollstreckung der Finanzbehörde in sein Eigenvermögen nicht eine Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass nach § 45 Abs. 2 S. 1 AO i. V. m. § 1975 BGB entgegensetzen.

     

    Da es sich bei § 45 Abs. 2 S. 1 AO um eine Rechtsgrundverweisung handelt, ist unabhängig davon, dass allein der Kläger als Erbe die entsprechenden Einkünfte erzielte, nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen, ob die konkrete Steuerschuld von der Haftungsbeschränkung erfasst ist, sie also zivilrechtlich als Nachlassverbindlichkeit zu betrachten ist (BFH 10.11.15, VII R 35/13, BStBl II 16, 372).

     

    2.1 Haftungsbeschränkung nur für Nachlassverbindlichkeiten

    Der Erbe haftet nach § 1967 BGB zunächst unbeschränkt, jedoch hinsichtlich der Nachlassverbindlichkeiten i. S. v. § 1967 BGB (Erblasserschulden und Erbfallschulden) bei Anordnung der Nachlassverwaltung bzw. der Nachlassinsolvenz gem. § 1975 BGB beschränkbar.

     

    Da hier keine Erblasserschulden vorliegen, kann die Haftungsbeschränkung nur greifen, wenn zumindest Erbfallschulden i. S. v. § 1967 Abs. 1 BGB gegeben sind.

     

    Dabei sind Erbfallschulden dadurch qualifiziert, dass sie trotz ihrer Entstehung nach dem Erbfall abschließend durch den Erblasser angelegt waren (BGH 5.7.13, V ZR 81/12, NJW 13, 3446). Als Erbfallschulden werden angesehen:

     

    • vom Nachlassverwalter begründete Verbindlichkeiten (inklusive Steuerschulden),
    • Erbschaftsteuer.

     

    Bei durch eigenes Verhalten des Erben (wobei auch ein Unterlassen genügt) begründeten Verbindlichkeiten ‒ sogenannte Eigenschulden ‒ ist eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nicht möglich, hier hat der Erbe mit seinem gesamten Vermögen einzustehen.

     

    2.2 Einkommensteuerschuld aufgrund der Praxisveräußerung ist Eigenschuld

    Die Begründung der Steuerschuld, die sich aus dem Veräußerungsgewinn (§ 16 Abs. 1 EStG) beim Verkauf der Praxis ergab, beruht auf dem Verhalten des Klägers.

     

    Dabei hatte der Kläger trotz der berufsrechtlichen Bestimmungen, die ihm eine Fortführung der Praxis durch einen Arzt für maximal zwölf Monate erlaubten, mehrere Handlungsoptionen mit entsprechend unterschiedlichen einkommensteuerlichen Folgen, nämlich:

     

    • Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG)
    • Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 EStG)
    • Allmähliche Betriebsabwicklung (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG)

     

    Diese Palette der Handlungsmöglichkeiten war auch nicht dadurch eingeschränkt, dass er die Mittel für die Erfüllung des Vermächtnisses aufbringen musste, denn hierdurch war keine rechtsverbindliche Einschränkung seiner Handlungsoptionen herbeigeführt. D. h., nicht durch den Erblasser war diese Einkommensteuerschuld angelegt, sondern sie beruht auf einer Entscheidung des Klägers als Erbe.

    3. Relevanz für die Praxis

    Das FG Münster hat im Fall die Revision zugelassen, da der BFH bisher in dem Zusammenhang der Erbenhaftung nicht über die Frage der Behandlung von Eigenschulden des Erben geurteilt hat (BFH 10.11.15, VII R 35/13, BStBl II 16, 372), sodass abzuwarten ist, wie sich der BFH positionieren wird.

     

    Unlängst hat jedenfalls der BFH entschieden, dass die Erbschaftsteuer zu den Erbfallschulden und die nach § 45 Abs. 1 AO, § 1922 BGB auf den Erben übergegangenen Steuer- und Haftungsschulden des Erblassers zu den Erblasserschulden gehören. Allerdings sei eine Haftungsbeschränkung nach § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB für die Erbschaftsteuer ausgeschlossen, weil der Erbe nach § 20 Abs. 1 ErbStG die Erbschaftsteuer schulde ‒ vgl. § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB (BFH 4.6.19, VII R 16/18, BFH/NV 19, 1297; vgl. auch Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 13, Rn. 505 ff.).

     

    Ansonsten hat der BFH auch die Unterscheidung Erbfallschulden oder Eigenschulden des Erben aufgrund der zivilrechtlichen Regeln nachvollzogen (BFH 20.1.16, II R 34/14, BStBl II 16, 482; Ratschow in: Klein, AO Komm., 14. Aufl. 18, § 45, Rn. 16). Insofern ist es auch zutreffend, dass für Eigenschulden keine Beschränkung auf den Nachlass gegeben ist dies gilt auch, wenn sie sich im Zuge einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses ergeben (Ratschow in: Klein, AO Komm., 14. Aufl. 18, § 45, Rn. 17).

     

    § 45 Abs. 2 S. 1 AO ist dabei als Rechtsgrundverweisung so zu verstehen, dass der Begriff der Haftung bereits zivilrechtlich zu deuten ist. Denn nach Steuerrecht bedeutet Haftung, dass jemand für die Steuer- oder Haftungsschulden eines anderen einzustehen hat, zivilrechtlich umfasst der Begriff auch das Einstehen für eigene Schulden (Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 13, Rn. 508).

     

    Die Haftungsbeschränkung des Erben kann im Zwangsvollstreckungsverfahren durch formlose Erklärung nach § 254 AO i. V. m. § 781 ZPO geltend gemacht werden (Vogt in: Zugmaier/Vogt, AO Komm., § 45 [Stand: 2.1.19], Rn. 47).

     

    PRAXISTIPP | Die Abgrenzung zwischen den der Haftungsbeschränkung unterliegenden Erbfallschulden und den nicht „begünstigten“ Eigenschulden des Erben ist danach vorzunehmen, ob die Verbindlichkeit allein durch den Erblasser angelegt war oder durch ein eigenes Verhalten des Erben verursacht wurde. Denn soweit der Erbe durch eigenes Verhalten die Grundlage der Verbindlichkeit gelegt hat, handelt es sich um eine Eigenschuld. Wie der Streitfall zeigt, besteht die Gefahr, dass von einem Eigenverhalten des Erben ausgegangen wird, wenn dem Erben neben der Veräußerung mit der Betriebsaufgabe oder der allmählichen Betriebsabwicklung auch andere Handlungsoptionen zur Verfügung gestanden haben. Der steuerliche Berater sollte betroffene Mandanten vor einer Veräußerung unbedingt auf diese Haftungsgefahr hinweisen. Im Übrigen sollte noch innerhalb der Ausschlagungsfrist geprüft werden, ob der Nachlass werthaltig und liquide ist, um der Haftung mit dem Eigenvermögen durch eine Ausschlagung gegebenenfalls zu entgehen (Anm. Sternberg, EFG 19, 1887).

     
    Quelle: ID 46251429

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