· Fachbeitrag · Arzthaftung
So können Sie ärztliche Aufklärungspflichten im Beweisverfahren nachprüfen lassen
| Schon 2013 entschied der BGH, dass ein Beweisverfahren auch in Arzthaftungssachen möglich ist. Strittig war aber, ob im Verfahren auch geklärt werden kann, ob ein Patient ärztlicherseits korrekt aufgeklärt wurde. Dies hat der BGH nun bejaht: Fragen an den Gutachter zu Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht betreffen die Ursache eines Personenschadens. Sie können daher der in § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO genannten Fallgruppe zugeordnet werden (19.5.20, VI ZB 51/19, Abruf-Nr. 216501 ). |
1. Antragsteller behauptet Aufklärungs- und Behandlungsfehler
Der Antragsteller war im Juli/August 2013 in einer Klinik ärztlich behandelt worden. Er verlangte Schadenersatz wegen fehlerhafter Aufklärung, Behandlungs-, Befunderhebungs- und Diagnosefehlern. Er beantragte im selbstständigen Beweisverfahren, ein schriftliches Sachverständigengutachten zu mehreren Beweisfragen einzuholen. Hierunter fanden sich auch zwei Fragen, die für das Rechtsbeschwerdeverfahren relevant waren.
Zusätzlich hatte der Antragsteller zu beiden Fragen noch eine schriftliche „Erläuterung“ für den Gutachter beigefügt. Er stellte es in das Ermessen des Gerichts, diese Erklärungen den Beweisfragen hinzuzufügen. Der BGH hob den Beschluss des LG auf und wies die Sache an das Gericht zurück.
2. BGH: Ohne gutachterliche Feststellungen geht es nicht
Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei gem. § 485 Abs. 2 ZPO eine schriftliche Begutachtung beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Person oder die Ursache eines Personenschadens festgestellt wird. Hiervon ist auszugehen, wenn damit ein Rechtsstreit vermieden werden kann. Bisher war aber strittig, ob Beweisfragen an den Gutachter auch die Feststellung von (groben) Behandlungsfehlern oder ärztlichen Aufklärungsmängeln betreffen können.
MERKE | Der BGH hat entschieden, dass Aufklärungs- sowie Behandlungsfehler haftungsrechtlich als Ursache eines Personenschadens in Betracht kommen, sodass auch Beweisfragen zu Inhalt und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht im Beweisverfahren zulässig sind (§ 485 Abs. 2 ZPO). |
Zwar kann der Sachverständige in der Regel nicht abschließend feststellen, ob ein Arzt den Patienten mangelhaft aufgeklärt hat. Die Frage aber, welche Aufklärung im konkreten Fall notwendig war, und ob für einen erlittenen Schaden ein Aufklärungsmangel in Betracht kommt, kann grundsätzlich nicht ohne eine gutachterliche Einschätzung beantwortet werden. Auch ist die Voraussetzung erfüllt, dass hierdurch ein Rechtsstreit vermieden werden kann. Hat der Gutachter herausgearbeitet, welche Risiken und Behandlungsalternativen im konkreten Fall bestanden haben, können die Parteien beurteilen, ob ein entsprechendes Aufklärungsgespräch stattgefunden hat. Dies unterstützt beide Parteien: der Kläger kann nun entscheiden, ob er seine Schadenersatzansprüche weiterverfolgt. Der Beklagte wiederum kann entscheiden, ob er ein außergerichtliches Vergleichsangebot macht.
3. Relevanz für die Praxis
Anwälte können in Schadenersatzsachen ein Beweisverfahren auch zu einer fallbezogenen ärztlichen Aufklärungspflicht führen. Grundsätzlich greift die ärztliche Aufklärungspflicht weit.
PRAXISTIPP | Ältere Mandanten müssen sich häufig einer Hüftgelenks-OP (Einsatz einer Hüftgelenksprothese) unterziehen. Stellt der Patient insoweit Fragen, die für die Einwilligung in eine OP bedeutend sind, so hat der Arzt wahrheitsgemäß zu antworten. Dies betrifft insbesondere auch die Routine und Erfahrung des behandelnden Orthopäden im Hinblick auf die geplante Operation (OLG Naumburg 5.12.19, 1 U 31/17). |
Dem Patienten muss stets ein zutreffender allgemeiner Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastungen vermittelt werden, die sich für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung aus dem Eingriff ergeben können (OLG Brandenburg 8.1.19, 12 U 116/17).
Weiterführende Hinweise
- Unfallversicherungsträger muss Arbeitsunfall aufklären und mit seinen Folgen benennen, SR 20, 94
- Begutachtung: Wenn der Psychologe allein nicht genügt, SR 18, 79