· Fachbeitrag · Bedürftigkeit
SGB-II-Leistungen: Tarifliches Sterbegeld ist anzurechnendes Einkommen
| Auch Tarifverträge mit Arbeitnehmern können Sterbebeihilfen für Hinterbliebene regeln. Diese zählen aber als Einkommen und sind auf SGB-II-Leistungen anzurechnen. Es spielt auch keine Rolle, ob die Sterbegeldforderung gegen den Arbeitgeber des verstorbenen Gatten bereits vor dem Antrag der Leistungen erworben wurde. Dies hat jetzt das LSG Baden-Württemberg bestätigt (1.10.18, L 1 AS 3306/16, Abruf-Nr. 205685 ). |
Sachverhalt
Der Sachverhalt ‒ insbesondere die zeitliche Abfolge der Ereignisse ‒ ergibt sich aus der nachstehenden Grafik.
Das LSG bestätigt die vorinstanzliche Entscheidung. Es war rechtens, das Sterbegeld auf den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin anzurechnen. Der Anspruch für beide Monate entfiel aufgrund ihres hohen Einkommens vollständig. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung vom 13.5.11 sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der Freibeträge nach § 11b SGB II zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe
Das der Klägerin ausgezahlte Sterbegeld war kein Teil des Erbes. Es war eine tarifvertragliche Leistung, auf die sie als Ehegattin durch den Arbeitsvertrag ihres verstorbenen Ehegatten (Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie) nach dessen Tod einen unmittelbaren Anspruch gegen den Arbeitgeber erworben hatte. Ebenso wie ein Individualvertrag zugunsten Dritter kann auch ein Tarifvertrag zugunsten Dritter abgeschlossen werden. Hauptanwendungsbereich ist die Versorgung der Hinterbliebenen.
Tarifverträge können daher auch Sterbebeihilfen für Hinterbliebene regeln (BAG 4.4.01, 4 AZR 242/00). Das 2-monatlich ausgezahlte Sterbegeld stellt eine laufende und keine einmalige Einnahme dar, weshalb es zu Recht angerechnet wurde. Der Beklagte war nicht gehalten, die Einnahmen erst ab März 2014 aufgeteilt auf einen 6-Monats-Zeitraum anteilig anzurechnen. Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden. Die tatsächlich erfolgte Auszahlungsweise ist nicht maßgebend (BSG 24.4.15, B 4 AS 32/14 R). Das Sterbegeld knüpfte sowohl zeitlich als auch bezogen auf die Höhe an das zuvor vom verstorbenen Ehemann erzielte Monatsgehalt an. Eine Einmalzahlung sah der o. g. Rahmentarifvertrag nicht vor. Es sprachen auch keine anderen Regelungen des SGB II dagegen, das Sterbegeld anzurechnen.
Relevanz für die Praxis
Auch wenn das Sterbegeld zum Einkommen zählt, berücksichtigt der Gesetzgeber den Wunsch, für den Todesfall bzw. für eine angemessene Bestattung und spätere Grabpflege vorzusorgen. Hierfür vorgesehene Gelder sind dann geschützt und müssen nicht verwertet werden, falls Sozialleistungen beantragt werden (§ 90 Abs. 3 SGB XII, § 33 Abs. 2 SGB XII). Dies ist allerdings an Bedingungen geknüpft.
PRAXISTIPP | Weisen Sie Mandanten, die insoweit vorsorgen wollen, darauf hin, dies im Rahmen von Verträgen zu tun (Bestattungsvorsorgeverträgen, reinen Sterbegeldversicherungen). Es muss sichergestellt sein, dass die angesparten Gelder nicht anderweitig verwendet werden, es ist zweckgebunden und ausschließlich für die Bestattung und Grabpflege bestimmt. |
Vorsicht: Eine Barreserve für eine angemessene Bestattung vorzuhalten, stellt daher kein geschütztes Vermögen i. S. d. § 90 Abs. 3 SGB XII dar, da es jederzeit anderweitig verbraucht werden kann (SG Karlsruhe 20.4.18, S 2 SO 3939/17).
Allerdings müssen Sterbegeldversicherungen auch angemessen sein. Das SG Karlsruhe sieht insoweit eine angemessene Vorsorge, wenn in der in der Gesamtschau der Leistungen, berücksichtigend die örtlichen Preise, eine würdige, insgesamt den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung möglich ist, die nicht wesentlich über das hinausgeht, was auch der Sozialhilfeträger im Todesfalle gem. § 74 SGB XII leisten müsste (SG Karlsruhe a.a.O.)
Weiterführende Hinweise
- Bestattungsvorsorge: Verwertbares Vermögen oder Schonvermögen?, SR 16, 171
- Härteregelung: Sterbegeldversicherung muss nicht verwertet werden, SR, 132