· Fachbeitrag · Eigenbedarfskündigung
Eigenbedarf für Pflegepersonen: So muss die Kündigung begründet werden
von Assessor jur. Harald Büring, Düsseldorf
| Bei einer Eigenbedarfskündigung muss sich der Vermieter grundsätzlich auf ein berechtigtes Interesse berufen. Dies setzt nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB voraus, dass er die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Dieser Beitrag zeigt, wann sich Vermieter auf diese Vorschrift berufen können, weil sie selbst oder ein naher Angehöriger auf eine Pflegeperson angewiesen ist. |
1. Familienangehöriger
Zunächst einmal könnte es sich bei der Pflegeperson um eine Person handeln, die zum Kreis der Familienangehörigen i. S. v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gehört. Wann jemand Familienangehöriger ist, hängt davon ab, ob es sich um einen engen Angehörigen (wie Kinder, Eltern, Geschwister, Lebenspartner) oder einen entfernteren Angehörigen (wie Cousins oder Großneffen) handelt. Zu Letzten muss der Vermieter eine engere soziale Verbindung haben (siehe Beitrag: „Eigenbedarf für Angehörige aller Art“, MK 18, 52).
2. Angehöriger des Haushalts
In vielen Fällen handelt es sich bei Pflegepersonen weder um enge noch um entferntere Angehörige. Gleichwohl könnte es sich bei ihnen um Angehörige des Haushalts vom Vermieter handeln.
Unter Angehörigen des Haushalts fallen erst einmal Pflegepersonen, die der Vermieter bereits auf Dauer in seinen Haushalt aufgenommen hat und die mit ihm in enger Hausgemeinschaft leben. (jurisPK-BGB, Mössner, 8. Aufl., § 573 BGB Rdn. 96; Lützenkirchen, 2. Aufl., § 573 BGB Rn. 210).
Diese Voraussetzung liegt normalerweise nicht vor, wenn ein Vermieter ‒ wie häufig ‒ aufgrund einer akuten Erkrankung plötzlich pflegebedürftig wird. Aus diesem Grunde sehen hier viele Gerichte von dem Erfordernis des vorhergehenden Einzugs der Pflegeperson in die Wohnung des Vermieters ab. Vielmehr lassen sie es genügen, dass sich die gekündigte Wohnung im Haus des Vermieters befindet (AG Münster 25.11.99, 8 C 4857/99, WuM 00, 190; BayObLG 2.3.82, Allg Reg 115/81, NJW 82, 125, 126; LG Potsdam 3.11.05, 11 S 146/05, WuM 06, 44; andere Auffassung: Blank in: Börstinghaus, Miete, 9. Aufl., § 573 Rn. 50 ).
Dies gilt allerdings nicht, wenn die Pflegeperson eine separate Wohnung bewohnt und darin einen eigenen Haushalt führt (Staudinger/Rolfs (2018) zu § 573 BGB Rn. 91). Denn hier sind sie keine Haushaltsangehörigen des Vermieters i. S. d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
3. Sonstiges berechtigtes Interesse
Sofern die Pflegeperson einen eigenen Haushalt führt, kann sich der Vermieter möglicherweise auf ein sonstiges berechtigtes Interesse gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB berufen.
- Dies kommt in Betracht, wenn für die Beschäftigung einer Pflegekraft ein Bedürfnis besteht sowie die Unterbringung im Haus aus persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen geboten ist (LG Potsdam vom 3.11.05, 11 S146/05, WuM 06, 44; LG Koblenz vom 24.8.07, 6 T 102/07, WuM 07, 637).
- Es ist normalerweise zu verneinen, wenn die Einstellung einer Pflegekraft ausreicht, die außerhalb des Hauses wohnt. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des LG Osnabrück (17.12.74, I S 381/74, WuM 76, 124). Im zugrunde liegenden Sachverhalt begründete die Vermieterin die Eigenbedarfskündigung damit, dass sie einen Mieter benötigt, der ihr in Haus und Garten behilflich ist. Hierzu wäre sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage. Diesbezüglich legte sie eine Bescheinigung ihres Arztes vor. Das LG Osnabrück sah die Kündigung wegen Eigenbedarfs als rechtswidrig an. Die Richter begründeten das damit, dass nicht erkennbar gewesen sei, weshalb die Vermieterin die Hilfe nicht auf anderem Wege erhalten kann. Nicht ersichtlich sei, dass die Vermieterin ununterbrochene und ganztägige Hilfe benötigt. Infolgedessen könne sie Hilfskräfte einstellen, die woanders wohnen.
Darüber hinaus muss zum Zeitpunkt der Kündigung zumindest mit einiger Sicherheit damit zu rechnen sein, dass der Vermieter oder auch nahe Angehörige des Vermieters hilfsbedürftig werden (LG Potsdam 3.11.05, 11 S146/05; BayObLG 2.3.82, Allg Reg 115/81, NJW 82, 1159; OLG Hamm 24.7.86, 4 REMiet 1/86, NJW-RR 86, 1212). Beispielsweise hatte das LG Potsdam dies damit begründet, dass die 87-jährige Mutter des Vermieters bereits einen Schlaganfall erlitten und sie zudem 100 Prozent schwerbehindert war.
4. Vermieter muss Wohnung benötigen
Des Weiteren muss der Vermieter für diesen Personenkreis die Wohnung benötigen i. S. v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Dies setzt voraus, dass er vernünftige und nachvollziehbare Gründe anführt.
Hier sollte auch bei nahen Angehörigen und Angehörigen des Haushalts als Pflegepersonen geprüft werden, ob der Vermieter bzw. nahe Angehörige des Vermieters der ständigen Nähe dieser Personen bedürfen (AG Naumburg 4.5.93, 3 C 106/93, WuM 93, 600). Darüber hinaus gilt auch für diesen Personenkreis, dass die Hilfsbedürftigkeit zumindest alsbald bevorstehen muss.
Das AG Stuttgart ist allerdings strenger. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass einem betagten Vermieter bei nahen Angehörigen als Pflegepersonen normalerweise zugemutet werden kann, den Eintritt der konkreten Hilfsbedürftigkeit abzuwarten. Dies gelte vor allem, wenn hilfsbereite Angehörige in der Nähe wohnen (AG Stuttgart vom 15.8.89, 32 C 6529/89, WuM 90, 350).
Vermieter müssen im Kündigungsschreiben den Bedarf für eine Pflegeperson plausibel machen. Hierzu sollten sie erläutern, weshalb sie zumindest alsbald auf intensive Pflege angewiesen sind und die Hilfeleistungen nicht durch eine Pflegeperson erbracht werden können, die innerhalb einer Stadt bzw. im Umfeld einer kleineren Gemeinde wohnt.
- Dies kann sich etwa daraus ergeben, dass der Vermieter auf ganztägige bzw. Pflege rund um die Uhr angewiesen ist.
- Hierfür spricht auch der Verweis auf Zuerkennung einer hohen Pflegestufe im Bescheid der Pflegekasse.
- Zusätzlich sollte er sich z. B. durch seinen Hausarzt bescheinigen lassen, dass die ständige Anwesenheit einer Pflegeperson medizinisch indiziert ist.
Der Vermieter muss die Pflegeperson nicht namentlich benennen. Dies ergibt sich daraus, dass er diese normalerweise erst nach Auszug des Mieters einstellen kann.
Musterformulierung / Eigenbedarf für fremde Pflegeperson |
Ich brauche die Wohnung zwecks Unterbringung einer Pflegeperson. Nachdem ich einen Schlaganfall erlitten und deshalb seit dem … pflegebedürftig (Pflegestufe III laut Bescheid der Pflegekasse vom …) bin, bin ich auf eine Pflegeperson angewiesen. Diese muss wegen meines Gesundheitszustandes ständig verfügbar sein. Aufgrund der Größe meiner Wohnung von 40 qm kann ich sie nicht in meine Wohnung aufnehmen. |
Musterformulierung / Eigenbedarf für nahe Verwandte als Pflegeperson |
Ich brauche die Wohnung zwecks Unterbringung meines Sohns als Pflegeperson. Dieser wohnt derzeit etwa 100 km entfernt im München und kann mich daher nicht pflegen. Ich bin seit dem … pflegebedürftig (Pflegestufe III laut Bescheid der Pflegekasse vom …) und derzeit morgens und abends auf Pflege angewiesen. Darüber hinaus müsste eine Pflegeperson auch nachts zur Verfügung stehen. Seine Arbeitsstelle liegt etwa 50 km entfernt von der gekündigten Wohnung. Mein Sohn ist auf Teilzeitbasis tätig und kann aufs Homeoffice zurückgreifen. |
PRAXISHINWEIS | Aufgrund der einzelfallbezogenen Rechtsprechung durch untere Instanzen muss Eigenbedarf für eine Pflegeperson sorgfältig begründet werden. Es gibt keine genauen Kriterien etwa dafür, wie intensiv eine Pflege sein muss und wie weit die Wohnung eines pflegenden Angehörigen entfernt sein darf. Gerade in Großstädten sollten Rechtsanwälte, die den Mieter vertreten, sorgfältig prüfen, ob Anzeichen für Rechtsmissbrauch vorliegen und der Einsatz einer Pflegeperson nicht nur vorgetäuscht wird. Darüber hinaus muss in Großstädten wegen der schwierigen Wohnsituation mit der Geltendmachung einer besonderen Härte i. S. v. § 574 Abs. 2 BGB durch den Mieter gerechnet werden. |
Weiterführende Hinweise
- Zum Eigenbedarf für den Vermieter, Büring, MK 18, 34
- Zum Eigenbedarf für Angehörige aller Art, Büring, MK 18, 52