· Fachbeitrag · Erwerbsminderungsrente
Wann eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen falscher Gutachterwahl erfolgreich ist
| Ein Kläger kann seine Nichtzulassungsbeschwerde auf eine falsche Gutachterwahl stützen. Dass derselbe Gutachter den Kläger erneut untersucht, ist jedoch zulässig. Das BSG konkretisierte jüngst die Voraussetzungen für eine Nichtzulassungsbeschwerde, die Anwälte kennen sollten. |
Sachverhalt
Der Kläger klagte vor dem LSG eine Erwerbsminderungsrente ein. Das LSG lehnte die Gewährung der Rente ab und legte ihm die Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG auf. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Gegen die Nichtzulassung legte der Kläger Beschwerde beim BSG ein und berief sich auf Verfahrensmängel i. S. von § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG. Er rügte die Wahl eines vorbefassten Gutachters sowie dass das Gericht den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und ihm zu Unrecht die Kosten auferlegt habe. Das BSG verwarf die Beschwerde (10.1.18, B 5 R 301/17 B, Abruf-Nr. 199877).
Entscheidungsgründe
Nur weil ein Gutachter vorbefasst ist, ist er nicht weniger objektiv oder parteiisch. Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen abgelehnt werden wie ein Richter (§ 406 Abs. 1. S. 1 ZPO, § 42 ZPO). Insoweit sei das geltende Verfahrensrecht von dem Gedanken geprägt, dass ein vorbefasster Richter grundsätzlich auch unvoreingenommen die neue Sache beurteilt. Ausnahmen hiervon wären in § 60 SGG i.V. mit § 41 Nr. 6 ZPO abschließend normiert. Solche Ausnahmen oder andere besondere Umstände hatte der Kläger jedoch nicht vorgetragen, sondern nur ausgeführt, dass der gleiche Sachverständige wie zuvor ihn „zu anderen Zwecken“ begutachtet hatte.
Der von ihm zitierte BGH-Beschluss (13.12.16, VI ZB 1/16) bezog sich auf die Ablehnung eines Sachverständigen nach § 406 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 41 Nr. 8 ZPO, wenn dieser in derselben Sache bei einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat. Hierzu zählen auch Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle einer Landesärztekammer. Diese Konstellation lag hier jedoch nicht vor.
Auch habe das Gericht seine Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) nicht verletzt, weil es auf den Antrag keinen anderen Gutachter benannte. Wird § 103 SGG verletzt, setzt dies voraus, dass im Berufungsverfahren ein ordnungsgemäßer Beweisantrag gestellt werde, der auch die Punkte benennt, über welche jeweils Beweis erhoben werden soll.
Auch habe das LSG nicht gegen § 192 SGG verstoßen, als es dem Kläger die Kosten auferlegte. Denn da die Kostenentscheidung den Inhalt des Urteils betrifft, wird kein Verfahrensmangel berührt, der mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen ist, sondern die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung in der Sache.
Relevanz für die Praxis
Geht es um die Auswahl von Gutachtern, führt dies wiederholt zu Konflikten in sozialgerichtlichen Verfahren. Vor allem dann, wenn ein gleicher Sachverständige erneut tätig wird. Was Bevollmächtigte häufig übersehen: Es ist zu unterscheiden, ob der Gutachter damals gerichtlich bestellt oder als Privatgutachter tätig war (BGH 10.1.17, VI ZB 31/16, Abruf-Nr. 191678).
Um tatsächlich eine mögliche Befangenheit zu begründen, müssten die Interessen der jeweiligen Parteien in beiden Fällen ‒ also in dem vergangenen wie auch dem jetzigen Rechtsstreit ‒ in gleicher Weise kollidieren. Wird der Kläger von demselben Gutachter, aber zu einer anderen medizinischen Beweisfrage untersucht, ist er allein deshalb nicht gleich befangen.
PRAXISHINWEIS | Bei einem PKH-Antrag für eine Nichtzulassungsbeschwerde, wird die Erfolgsaussicht bejaht, wenn ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG erfolgreich geltend gemacht werden könnte (SR 18, 25; vgl. dortige Grafik). |
Weiterführende Hinweise
- Befangenheit: Gutachter darf sich angemessen gegen Kritik wehren, SR 18, 7
- Gutachten in Sozialgerichtssachen: Wichtige Grundsätze, SR 14, 26