· Fachbeitrag · Sozialrecht
Gesamt-GdB bilden: Wie stark ist Mandant in der Lebensgestaltung eingeschränkt?
| Liegen verschiedene Erkrankungen vor, werden mehrere Grade der Behinderung (GdB) zu einem Gesamt-GdB zusammengefasst. Aus einem Einzel-GdB von 40 und 30 ergibt sich in aller Regel ein Gesamt-GdB von 50, so das LSG Berlin-Brandenburg. Neben den medizinischen Diagnosen kommt es vor allem darauf an, wie sich beispielsweise Haut- und psychische Erkrankungen wechselseitig verstärken und auf die Lebensgestaltung auswirken. |
Sachverhalt
Die Klägerin klagte einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 und damit die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch ein. Im Widerspruchsverfahren waren bei ihr folgende Einzel-GdB festgestellt worden, aus der ein Gesamt-GdB von 40 gebildet wurde:
- Psychosomatische Störungen, außergewöhnliche Schmerzreaktion (30),
- chronisches Ekzem (30),
- Funktionsbehinderung und Knorpelschaden beider Kniegelenke (10),
- Funktionsbehinderung rechtes Schultergelenk (10).
Einen höheren GdB lehnte die Beklagte ab. Im Rahmen des Klageverfahrens wertete ein chirurgisch-sozialmedizinisches Gutachten das Ekzemleiden mit einem um 10 Punkte höheren GdB von 40. Bei generalisierten Hauterscheinungen, insbesondere im Gesicht, sei ein GdB von 40 anzusetzen. Das schöpfe jedoch den maximalen Ermessensspielraum aus. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die psychischen Störungen und die Ekzembildung würden hierdurch nicht wesentlich verstärkt. Die Beklagte argumentierte, dass nur das generalisierte Auftreten, das auch den Befall der Gesichtshaut über längere Zeiträume in ausgeprägter Weise betreffe, einen Einzel-GdB von 40 rechtfertige. Das SG folgte dem Sachverständigen. Es hielt einen GdB von 40 für das Hautleiden für angemessen, lehnte die Klage auf einen GdB von 50 jedoch ab.
Entscheidungsgründe
Dies sah das LSG Berlin-Brandenburg anders (6.1.20, L 11 SB 177/17, Abruf-Nr. 215267). Es wertete einen Gesamt-GdB von 50 als angemessen. Allerdings bestehe keinen Anspruch, dass ein noch höherer GdB festgestellt werde.
Das LSG erläuterte, wie der GdB zu addieren sei:
- Aus Einzel-GdB von 40 und 10 folge in aller Regel ein Gesamt-GdB von 40.
- Aus Einzel-GdB von 40 und 20 resultiere ein Gesamt-GdB von regelmäßig 40 und nur ausnahmsweise von 50.
- Wenn wie hier ein Einzel-GdB von 40 und 30 vorliege, ergäbe sich in aller Regel ein Gesamt-GdB von 50.
In diesem Fall war das Hautleiden führend, dass nach den einschlägigen Vorschriften (Teil B Nr. 17.1 der Anlage zu § 2 VersMedV) einen Einzel-GdB von 40 ausmacht. Ein solches Ekzem ist mit einem GdB von 20 oder 30, bei generalisierten Hauterscheinungen und Gesichtsbefall mit einem GdB von 40 zu werten. Dass die Gesichtshaut hierfür über längere Zeit ausgeprägt befallen sein muss, verneinte das LSG. Das psychische Leiden war mit einem GdB von 30 zu werten.
Relevanz für die Praxis
Die VersMedV nennt keine konkreten Fälle, wann ein GdB von 50 vorliegt. Allerdings muss das Gericht die verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen würdigen. Es muss Vergleiche mit Gesundheitsschäden anstellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (www.iww.de/s3568). Das Gericht hatte hier eine erhebliche Hauterkrankung und eine erhebliche psychische Erkrankung als vergleichbar angesehen mit sonstigen Fällen, in denen der GdB 50 beträgt. Dieser Erfolg für den Mandanten hängt von möglichst präzisen medizinischen Darstellungen in Attesten und Befundberichten ab.
Zudem muss der Anwalt unterstützend darlegen, inwieweit sein Mandant nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann (BSG 9.12.10, B 9 SB 35/10 B, Abruf-Nr. 215268). So steht eine schwere Hauterkrankung mit einer psychischen Erkrankung in Wechselwirkung (ggf. Schamgefühle, Vermeidung von Kontakten und Freizeitgestaltung, Entwicklung schwerer depressiver Symptomatiken).
Weiterführende Hinweise
- Höhe des Behinderungsgrads bei unterlassener Behandlung, SR 19, 183
- Schmerzbild muss ärztlich nachgewiesen werden, SR 19, 41