· Fachbeitrag · Hinterbliebenenversorgung
BAG zur unangemessenen Benachteiligung bei der betrieblichen Altersversorgung
von RA Christian Deutz, FA Arbeitsrecht, Aachen
| Gerade in Zeiten sinkender staatlicher Renten wächst die Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung, nicht zuletzt im Hinblick auf den bestehenden Fachkräftemangel. Durch das Angebot einer entsprechenden betrieblichen Altersversorgung können sich Arbeitgeber attraktiv machen für (potenzielle) Arbeitnehmer. Sie müssen aber einige Punkte beachten. |
1. Das „ob“ und „wie“ der Hinterbliebenenversorgung
Vom Grundsatz her sind in diesem Zusammenhang Arbeitgeber in der Entscheidung frei, ob im Todesfall auch Leistungen an Hinterbliebene erbracht werden. In der Praxis ist es aber nicht unüblich, dass auch die finanzielle Absicherung von Hinterbliebenen des Arbeitnehmers, der über eine entsprechende Versorgungsberechtigung verfügt, erfolgt. Auch wenn die Entscheidung des „ob“ der Hinterbliebenenversorgung insoweit dem Arbeitgeber zusteht, ist er in der Frage des „wie“ nicht durchweg frei. Vielmehr muss er in diesem Zusammenhang das AGB-Recht beachten. Das gilt insbesondere bei Einschränkungen der Hinterbliebenenversorgung.
2. Ist eine Beschränkung auf eine benannte Person möglich?
Mit der inhaltlichen Ausgestaltung des „wie“ von Einschränkungen der Hinterbliebenenversorgung hat sich jüngst das BAG befasst (18.2.20, 3 AZN 954/19, Abruf-Nr. 214937).
Im konkreten Fall ging es um die Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf die Ehefrau, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Zusage mit dem Arbeitnehmer verheiratet war. Dabei war die Begrenzung der Hinterbliebenenversorgung konkret formuliert, indem der Ehegatte in der Versorgungszusage selbst namentlich benannt war.
3. Die Rechtsprechung des BAG
Das BAG hat auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen (21.2.17, 3 AZR 297/15, Abruf-Nr. 192083). Danach wird der Betroffene unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligt, wenn die Witwenrente in den AGB auf die Person beschränkt wird, die im Zeitpunkt der Zusage der Hinterbliebenenversorgung mit dem Versorgungsempfänger verheiratet ist.
Nach dem Beschluss des BAG vom 18.2.20 gilt diese Entscheidung gleichermaßen für den Fall, dass die Hinterbliebenenrente auf eine in der Versorgungszusage namentlich benannte Person beschränkt wird.
Kennzeichnend für eine Hinterbliebenenversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG ist die Absicherung eines für den Todesfall bestehenden typisierten Versorgungsinteresses des Arbeitnehmers. Maßgeblich für dieses Versorgungsinteresse ist, in welchem Näheverhältnis der Arbeitnehmer zu den abzusichernden Personen steht. Für die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ist es nach Auffassung des BAG vertragstypisch, dass sie eine bestimmte Kategorie von Personen absichert, die in einem abgrenzbaren Näheverhältnis zum Versorgungsberechtigten stehen. Sagt in diesem Zusammenhang der Arbeitgeber für eine bestimmte Kategorie von Hinterbliebenen eine entsprechende Hinterbliebenenversorgung zu, entspricht es der im Gesetz angelegten Vertragstypik, dass diejenigen Personen abgesichert werden, die in einem der Kategorie entsprechenden Näheverhältnis zum Arbeitnehmer stehen.
Schränkt in diesem Zusammenhang der Arbeitgeber den insoweit erfassten Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers in einer Versorgungszusage weiter ein, unterliegt diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
Wird also eine Witwenversorgung auf die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Zusage im Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer verheiratete Ehefrau beschränkt, weicht sie damit von der die Hinterbliebenenversorgung für nicht geschiedene Ehefrauen kennzeichnenden Vertragstypik ab. Nach Auffassung des BAG benachteiligt eine solche Einschränkung den Arbeitnehmer unangemessen, weil gerade dem typisierten Versorgungsinteresse der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung für nicht geschiedene Ehefrauen nicht entsprochen wird. Dies ist nach Auffassung des BAG auch nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt.
Das BAG hat ausdrücklich klargestellt, dass es dabei rechtlich unerheblich ist, dass die Begrenzung der Hinterbliebenenversorgung im Fall des Urteils vom 21.2.17 ‒ anders als im Fall des Beschlusses vom 18.2.20 ‒ nur abstrakt und nicht konkret formuliert war. Nach Auffassung des BAG liegt in der Sache eine Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung für Ehegatten und damit eine Abweichung von der Vertragstypik vor. In diesem Zusammenhang begründet die namentliche Nennung des Ehegatten vor Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ auch keine eigenen Rechte für die Hinterbliebenen, da dies der Hinterbliebenenversorgung fremd ist.
Das BAG hat zudem betont, dass es bei der streitgegenständlichen Fragestellung insbesondere darum geht, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, seine Versorgungszusage dadurch zu begrenzen, dass Hinterbliebenenversorgung nur gezahlt wird, wenn die ursprüngliche Ehe auch beim Tod des unmittelbar Versorgungsberechtigten noch besteht und eine neue Eheschließung insoweit nicht berücksichtigt wird.
4. Hintergrund der Entscheidung
Wie dargelegt, hatte sich das BAG im Rahmen des Urteils vom 21.2.17 (s. o.) mit der unangemessenen Benachteiligung bei der Hinterbliebenenversorgung nur für die „jetzige“ Ehefrau beschäftigt. Es hatte in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine in AGB enthaltene Klausel, mit der nur der „jetzigen“ Ehefrau des Arbeitnehmers eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt ist, den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Die Einschränkung der Zusage ist insoweit unwirksam. Im seinerzeitigen Fall war in der Versorgungszusage aus dem Jahre 1983 die „jetzige“ Ehefrau begünstigt. Nach Scheidung und Eingehen einer neuen Ehe mit einer anderen Frau begehrte der klagende Arbeitnehmer die Begünstigung derjenigen Ehefrau, mit welcher er bei seinem Tod verheiratet ist.
Bei Versorgungszusagen, die vor dem 1.1.02 erteilt worden sind, führt dies nach Ansicht des BAG dazu, dass Rechte nur geltend gemacht werden können, wenn die Ehe bereits während des Arbeitsverhältnisses bestand. Eine solche Klausel versagt dem Arbeitnehmer bei einer späteren Heirat den Schutz der Versorgungszusage, obwohl das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis, in welchem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt, auch noch nach ihrem Wirksamwerden weiter besteht.
In dieser Konstellation hat das BAG den Vertrag dahin gehend ergänzend ausgelegt, dass eine Hinterbliebenenversorgung nur an diejenige Ehefrau gezahlt werden muss, deren Ehe mit dem Arbeitnehmer, der über eine entsprechende Versorgungsberechtigung verfügt, bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses bestanden hat. Nach Ansicht des BAG wird damit die unwirksame Klausel konsequent ersetzt.
Im konkreten Fall lagen jedoch Scheidung und Wiederheirat erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Daher hatte das BAG im konkreten Fall einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung gegenüber der späteren Ehefrau verneint.
5. Relevanz für die Praxis
Das BAG hat im Ergebnis eine Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf diejenige Ehefrau, mit der der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage verheiratet war, als unangemessen im Sinne von § 307 BGB betrachtet. Eine derartige Klausel ist grundsätzlich unwirksam.
Eine derartige, einschränkende Klausel ist nach der Rechtsprechung des BAG dahin gehend ergänzend auszulegen, dass derjenige Ehepartner anspruchsberechtigt ist, mit dem die Ehe während des Arbeitsverhältnisses bestand. Wenn dann also der über eine entsprechende Versorgungsberechtigung verfügende Arbeitnehmer während des Bestands des Arbeitsverhältnisses eine neue Ehe eingeht, ist der entsprechende Ehepartner im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung anspruchsberechtigt.
Nunmehr hat das BAG ausdrücklich klargestellt, dass dies auch für den Fall gilt, dass die Hinterbliebenenversorgung auf eine in der Versorgungszusage selbst namentlich konkret benannte Person beschränkt wurde.